Betrug im Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten? – Forschung enthüllt massive Lücken im Waldschutz

Im Kohlenstoff-Markt kaufen Firmen Kohlenstoff-Zertifikate, um ihre Emissionen auszugleichen. Das soll theoretisch tropische Wälder und das Klima schützen. Doch eine Untersuchung zeigt die Realität. Es gibt viele Methoden gegen den Klimawandel, doch sind alle effektiv? Eine internationale Forschung, an der auch Deutsche teilnahmen, stellt dies für eine Methode infrage (web: 25.08.23).


REDD+ und der Kohlenstoff-Zertifikate-Handel: Schützen Geldanreize wirklich unsere Regenwälder?

Die Idee dahinter ist, tropische Regenwälder zu schützen. Diese Wälder nehmen viel Kohlenstoff auf. Ohne Schutz könnten sie abgeholzt werden und CO₂ in die Luft setzen. Das Programm REDD+ möchte mit Geldanreizen genau das verhindern. Das Programm REDD+ gibt Geld an Regierungen und lokale Gruppen, damit sie weniger Bäume fällen und CO₂-Emissionen senken. So stand es 2015 in einer Publikation der Bundesregierung. Nur mit sichtbaren Ergebnissen fließt das Geld. Der Erfolg zeigt sich in der Menge an CO₂, die nicht in die Luft gelangt, sondern im Wald bleibt.

Forscher decken Illusion der CO₂-Einsparungen durch Kohlenstoff-Zertifikate zum Schutz des Waldes auf. „An dem System muss sich etwas ändern“
Forscher decken Illusion der CO₂-Einsparungen durch Kohlenstoff-Zertifikate zum Schutz des Waldes auf. „An dem System muss sich etwas ändern“

CO₂, das im Wald bleibt, erhält ein Zertifikat. Diese Kohlenstoff-Zertifikate kann man kaufen und verkaufen. Um das Jahr 2020 kostete eine Tonne CO₂ etwa 4 bis 5 Euro. Deutsche Firmen, darunter Airlines, Autobauer und Lebensmittelhändler, kaufen diese Zertifikate. Sie rechnen diese mit ihren eigenen CO₂-Emissionen ab. Der Kauf soll dafür sorgen, dass weniger schädliche Gase in die Luft kommen. Das ist die Theorie. Aber wie ist die Wirklichkeit? Seit REDD+ 2007 startete, gibt es viel Kritik. Zum Beispiel, dass Firmen besser dastehen, aber nicht wirklich weniger Emissionen produzieren. Es gibt auch Bedenken, wie man gespartes CO₂ durch weniger Abholzung misst.


Die Wahrheit hinter REDD+: Forscher decken die Illusion der CO₂-Einsparungen durch Kohlenstoff-Zertifikate auf

Ein Team mit Forschern aus Deutschland hat das geprüft. Thales West von der Universität Amsterdam und seine Gruppe untersuchten 26 Projekte weltweit. Ihr Ergebnis: „Wir fanden heraus, dass die meisten Projekte die Abholzung nicht deutlich verringerten. Bei den übrigen Projekten waren die Verringerungen wesentlich geringer als angegeben.“

Interessant: Von 18 Projekten, für die genug Daten da waren, behaupteten viele, 2020 rund 89 Millionen Tonnen CO₂ gespart zu haben. Aber über 60 Millionen Tonnen davon kamen von Projekten, bei denen die Studie keine echte Verringerung der Abholzung sah. Die Forscher denken, nur 6 Prozent der gemeldeten Einsparungen waren echt.

Das Team schreibt, dass 2021 allein durch Landnutzung etwa 228 Millionen Tonnen CO₂ auf dem Kohlenstoff-Markt gehandelt sind. Dabei sind 1,3 Milliarden Dollar geflossen, das sind etwa 1,2 Milliarden Euro. Die Mehrheit dieses Geldes ging durch REDD+.

Wie berechnet man eigentlich das gesparte CO₂?

Man nimmt einen Wald und schätzt, wie viel dort ohne Schutz abgeholzt wäre. Die Experten erstellen dann ein Muster, basierend auf früheren Zuständen in der Region. Anschließend messen sie, wie viel CO₂ im Vergleich dazu nicht in die Luft gelangt. Spezielle Agenturen übernehmen die Prüfung dieser Zahlen. Verra, eine NGO mit Sitz in Washington, ist hier der Hauptakteur.

Ein Forscherteam nahm 26 Projekte in verschiedenen Ländern unter die Lupe, darunter Kolumbien und Tansania. Sie wählten selbst Referenzgebiete aus, basierend auf bestimmten Kriterien. Bei 16 dieser Projekte sahen sie keine geringere Abholzung im Vergleich zu den Referenzgebieten. Bei den restlichen acht Projekten war die Abholzung geringer als behauptet.

Bis November 2021 gaben 18 dieser Projekte an, Zertifikate für 62 Millionen Tonnen CO₂ zu haben. Schon 14,6 Millionen Tonnen davon hatte man verkauft, um CO₂-Emissionen auszugleichen. Die Gruppe schreibt: „Diese Projekte nutzten nach unseren Schätzungen fast das Dreifache an CO₂-Emissionen, als sie tatsächlich zum Klimaschutz beitrugen. Noch sind 47,4 Millionen Tonnen Zertifikate zu haben.“


Ein Grund für diesen großen Unterschied?

Die Forscher glauben, man möchte mit den Kohlestoff-Zertifikaten einfach mehr Geld machen. Ein Mitforscher, Jan Börner von der Universität Bonn, meint, dass jemand, der Land schützt und damit Profit machen möchte, wohl höhere Zahlen nennen könnte.

Im Jahr 2020 veröffentlichte der Bonner Forscher für nachhaltige Landnutzung, zusammen mit Erstautor West, eine Studie über Brasilien. Das Fazit war ähnlich. „Die derzeit verwendeten Methoden und Kriterien haben sich als nicht zielführend erwiesen. An dem System muss sich etwas ändern – sonst ist das nur ein Ablasshandel.“ Man müsse eventuell größere Verwaltungseinheiten wie Bundesstaaten für die Berechnung von Referenzszenarien verwenden.

Weitere Experten stimmen zu Michael Köhl, Fachmann für globale Forstwirtschaft an der Universität Hamburg, teilt die Studienergebnisse. Das Schlüsselkriterium für die CO₂-Effekte sei die Wahl des Referenzszenarios. Die Europäische Union arbeite an neuen Regeln. Michael Böcher, Politikwissenschaftler und Nachhaltigkeitsexperte von der Universität Magdeburg, nennt die Studie wichtig. Obwohl nur 26 Projekte untersucht sind und über 600 REDD+-Projekte existieren, sieht er generelle Probleme.

Landnutzung und Klimawandel Julia Jones von der Bangor University und Simon Lewis von der Universität Utrecht betonen in einem „Science“-Kommentar die Wichtigkeit des Themas für das Klima. „Änderungen der Landnutzung, hauptsächlich Abholzungen in den Tropen, stoßen jährlich fünf Milliarden Tonnen CO₂ aus“, schreiben sie. Nur die Nutzung fossiler Brennstoffe sei schlimmer, mit 35 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr.

Studie hat Auswirkungen

Die Ergebnisse der Forschung haben große Auswirkungen, meinen Jones und Lewis. Die Kohlenstoff-Zertifikate für diese Projekte erfüllen nicht, was sie versprechen: Weder reduzieren sie die Emissionen, noch stoppen sie die Abholzung. Dies könnte sogar künftige Waldschutz-Investitionen gefährden. „Für die Glaubwürdigkeit des freiwilligen Kohlenstoff-Marktes zeigt die Studie von West und Kollegen, dass größere Änderungen gebraucht werden, wie Zertifikate berechnet werden.“ Doch nur damit sind Tropenwälder noch nicht sicher.

Die Studie hat auch Verra, den Marktführer für Zertifizierung, beeinflusst. Nachdem frühere Ergebnisse und Medienberichte publik wurden, trat Verra-Chef David Antonioli im Mai zurück.

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