Strompreis absurd: Verbraucher zahlen für nutzlos verpuffte Energie

Es gibt dieser Tage zwei Nachrichten. Die gute lautet: Deutschland produziert inzwischen sehr viel Energie aus Sonne und Wind. Die schlechte lautet: An manchen Tagen verpufft von dieser Energie ein Fünftel ungenutzt, weil die Stromerzeuger sie aus technischen Gründen nicht ins Netz einspeisen können. Dafür erhalten eine Entschädigung – welche wir alle, die Verbraucher, tragen. Wir bezahlen sie über den Strompreis (br24,30.11.2022).


Der Wind- und Solarbauer Erich Wust

Erich Wust wohnt im mittelfränkischen Markt Erlbach und ist Wind- und Solarbauer. Als Ökostromproduzent hat er über 100 Windräder und noch etliche Solarpaneele aufstellen lassen und an den Investitionen sowie nachfolgenden Gewinnen die Bürger des Umlandes beteiligt. Diese wirklich bemerkenswerte Initiative, beileibe nicht die einzige ihrer Art im Land, schafft unter anderem die nötige regionale Akzeptanz für die Windkraft und natürlich viel sauberen Strom. Dieser ist dem Netz manchmal zu viel, denn Wust kann ihn zeitweise nicht einspeisen. Darüber sprach er mit Reportern vom BR-Politikmagazin Kontrovers.

Wind- und Solarparks vermehrt von Abregelungen betroffen.  Verbraucher zahlen nicht produzierten Strom über Strompreis
Wind- und Solarparks vermehrt von Abregelungen betroffen. Verbraucher zahlen nicht produzierten Strom über Strompreis

Sei zwei bis drei Jahren sind immer wieder seine Wind- und Solarparks von signifikanten Abregelungen betroffen. Das bedeutet: Die Windräder drehen sich, die Sonne scheint auf die PV-Paneele, überall entsteht Strom, doch dieser gelangt nicht ins öffentliche Netz. Es gibt Tage, an denen es sich um 20 % der gewonnenen Energie handelt. Wust bezeichnet das als „hellen Wahnsinn“, denn gleichzeitig fahre Wirtschaftsminister Habeck (Bündnis 90/Grüne) um die halbe Welt und kaufe fossile Energie ein. Zur selben Zeit schaffe es Deutschland nicht, die reichlich produzierte grüne Energie an die richtige Stelle zu transportieren, so der Energiebauer. Der Grund ist ein ökonomisch-technischer: Das deutsche Stromnetz ist vielerorts nur unzureichend ausgebaut.


Stromverbraucher zahlen die Zeche

Die verpuffte Energie muss natürlich laut Regelungen des EEG dennoch von den Netzbetreibern vergütet werden, die diese Kosten auf über den Strompreis auf die Verbraucher umlegen. Der Wind- und Solarparkbetreiber Erich Wust hat daher finanziell keine Einbußen zu befürchten. Er wird entschädigt, wenn der Netzbetreiber seinen gewonnenen Strom abreguliert. Das bedeutet in der Endkonsequenz, dass ein Teil der gerade kräftig steigenden Stromkosten in Deutschland für die sinnlose Subvention einer technischen Unzulänglichkeit buchstäblich in den Wind geschrieben wird.

Ist so die Energiewende zu schaffen?

Experten haben ihre Zweifel. Die Bundesregierung hat das ehrgeizige Ziel ausgerufen, bis 2030 den deutschen Energiebedarf zu 80 % rein ökologisch zu decken. Hinsichtlich des Ausbaus der Windkraft, Solarenergie und Biomasseanlagen könnte das funktionieren, doch der Strom muss natürlich zu den Endkunden gelangen. Das dürfte bei noch mehr Ökostrom immer schwieriger werden, meint etwa der Nürnberger Fachmann Rainer Kleedörfer. Er arbeitet beim Netzbetreiber N-Ergie und merkt an, dass die Politik viel zu spät die Vorgaben für den nötigen Netzausbau geliefert habe. Dieser starte gerade erst, unter anderem waren im sogenannten Osterpaket der Bundesregierung wichtige neue Ausbauziele definiert worden.

Dies sei begrüßenswert, aber man solle den nötigen Ausbau der Verteilernetze nicht vergessen. Allein sein Unternehmen müsse mehrere 1.000 Kilometer an neuen Leitungen bauen: Das dauere Jahre. Auch kritisiert Kleedörfer den medialen Fokus auf die großen Trassen von Nord nach Süd. Es brauche auch viele regionale Netze. Und selbst die großen Nord-Süd-Trassen würden schließlich seit Jahren geplant, doch dann immer wieder verworfen.


Netzausbau vs. Erzeugerausbau

Fachleute wie Kleedörfer gehen davon aus, dass die nötige Netzinfrastruktur in Deutschland vielleicht ab 2033 den Anforderungen einer ökologischen, damit vielfach dezentralen und vor allem volatilen Stromerzeugung genügen könnte. Der Ausbau der Windkraft- und Solaranlagen wird aber deutlich schneller vorangehen. Das Problem der Stromverpuffung, die gleichzeitig auch noch durch Endverbraucher bezahlt werden muss, dürfte uns daher voraussichtlich noch ein Jahrzehnt lang beschäftigten. Energieunternehmer Wust hält das für eine Katastrophe. Es sabotiere die Energiewende und sei angesichts der gerade rasant steigenden Energiepreise ein Desaster. Dabei ist der Netzausbau nur eines von mehreren Problemen der Energiewende. Die Volatilität von Sonnen- und Windenergie ist mindestens ebenso bedenklich und bedarf effizienter Speicherlösungen.

Hierzu hat sich Beitrag von Kontrovers der Energiemanager Marco Krasser (Stadtwerke Wunsiedel) geäußert. Er ließ soeben für sein Unternehmen einen großen Batteriespeicher mit 10 MWh Kapazität anschaffen. Damit könnte man etwa 600 Privathaushalte zwei Tage lang mit Strom versorgen, wenn wirklich einmal Flaute herrscht und zu wenig Sonne scheint. So ein Speicher kostet aber einen deutlich sechsstelligen Betrag, weshalb sich viele Stadtwerke die Anschaffung bislang überlegen. Doch Lösungen müssen her – damit die Energiewende auch infrastrukturell zu schaffen ist.

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