Gegen einen möglichen Blackout im kommenden Winter erwägt die Regierung der Schweiz drastische Maßnahmen. Sogar das Aufladen von Elektroautos könnte verboten werden. Einige der Verbote dürften indes auf Zustimmung in der Bevölkerung stoßen (golem, 24.22.2022), (Der Schweizerische Bundesrat, 23.11.2022).
Möglicher Strommangel in der Schweiz
Im kommenden Winter müssen sich die Schweizer möglicherweise auf eine schwierige Zeit einstellen. Das Land importiert stets im Winter importiert große Strommengen. Im 2021 lag das Importvolumen bei 5,7 Milliarden Kilowattstunden. Die Lieferanten sind vor allem deutsche und französische Versorger. Nun könnten in den nächsten Monaten größere Mengen fehlen, das befürchtet jedenfalls der Schweizer Bundesrat. Immerhin haben dieses Mal Deutschland und Frankreich selbst nicht sehr viel Strom. In Deutschland fehlt die Produktion aus Gaskraftwerken durch die ausbleibenden russischen Gaslieferungen, in Frankreich wurden viele Atomkraftwerke wegen überfälliger Wartungen heruntergefahren.
Maßnahmen der Schweizer Regierung
Es droht daher der Schweiz tatsächlich ein flächendeckender Blackout, der sich wohl nur durch drastische Stromeinsparungen verhindern lässt. Hierfür hat der Bundesrat soeben ein straffes Programm beschlossen. Das hat es in sich. Unter anderem schreibt es diese Maßnahmen vor:
- Privathaushalte dürfen Waschmaschinen nur noch mit maximal 40 °C betreiben. Gewerblich genutzte Wäschetrockner und -mangel sowie Bügeleisen dürfen maximal 12 Stunden pro Tag betrieben werden. Dies sind die Vorschriften für die Eskalationsstufe 1. In den Stufen 2 und 3 verkürzt sich diese Zeit deutlich.
- Elektrisch beheizte öffentliche Räume dürfen bis maximal 20 °C beheizt werden.
- Händler und Restaurants dürfen nur in einem begrenzten Umfang wärmen und kühlen. Auch private Kühlschränke dürfen höchstens bis 6 °C heruntergekühlt werden. Selbst Küchenlüftungen müssen außerhalb der Kochzeit abgeschaltet werden.
- Nächtliche Leuchtreklame ist verboten.
- Nicht genutzte Gebäude und Gebäudeteile dürfen höchstens minimal beheizt werden (Frostschutzeinstellung).
- Es gelten Temperaturbeschränkungen ähnlich wie in Deutschland für Büros, Gewerbebetriebe und Schwimmbäder.
- Streamingdienste dürfen nur noch SD-Streams anbieten.
- Die Ladenöffnungszeiten sind zu reduzieren.
- Elektroautos dürfen privat nur für unbedingt erforderliche Fahrten genutzt werden.
- Der börsliche HF-Handel und das energieintensive Mining von Kryptowährungen werden verboten.
Dies ist ein Auszug aus dem Schweizer Stromsparpaket, das insgesamt noch sehr viel umfangreicher ist und mehrere Eskalationsstufen vorsieht. In der 3. (höchsten) Stufe kann sogar das Streaming vollkommen verboten werden. Selbst der Betrieb von DVD-, Video-, und Blue-Ray-Geräten, Gaming-PCs und Spielkonsolen sind dann nicht mehr erlaubt.
Mögliche Netzabschaltungen in der Schweiz
Wenn diese Sparmaßnahmen nicht greifen, schalten die Schweizer Energieversorger gezielt, stundenweise und in einzelnen Regionen nacheinander das Stromnetz ab. Davon ausgenommen sind lediglich Verbraucher, die lebenswichtige Dienstleistungen erbringen. Das sind die Wasser- und Energieversorgung, die medizinische Grundversorgung und Blaulichtorganisationen. Es gibt jedoch sogar für diese Ausnahmen eine Einschränkung: Die genannten unverzichtbaren Betriebe bleiben nur dann am Netz, wenn dies technisch realisierbar ist (Der Schweizerische Bundesrat, 23.11.2022).
Die ersten Betroffenen einer schweren Mangellage mit Stromabschaltungen werden Großkunden sein, deren Jahresverbrauch 100 MWh übersteigt. Das sind in der Schweiz rund 34.000 Unternehmen und Einrichtungen. Die betroffenen E-Auto-Fahrer schätzt der Bundesrat auf aktuell rund 110.000. Dass diese ihr Auto nur noch für absolut notwendige Fahrten nutzen, müssen die Kantone kontrollieren. Die Besitzer von Hybridfahrzeugen dürfen fahren, wenn sie ihre elektrische Batterie nicht aufladen und folglich nur mit Kraftstoff fahren. Die Schweizer Tourismusbranche dürfte je nach Wetter besonders betroffen sein, denn Kunstschnee darf bei einem Strommangel nicht produziert werden. Hier herrscht ein Paradoxon: Wird der Winter kalt und schneereich, braucht es wahrscheinlich keinen Kunstschnee, doch dann sind Stromabschaltungen umso wahrscheinlicher.
Stufenweise Eskalation der Schweizer Stromsparmaßnahmen
Die Stromsparmaßnahmen greifen situativ (je nach Stromversorgung) in mehreren Stufen und beginnen zunächst mit Appellen an die Bevölkerung, möglichst Strom zu sparen. Auch die ersten Verbote wirken noch harmlos und könnten sogar von Teilen der Bevölkerung begrüßt werden, denn die Eskalationsschritt 1 sieht unter anderem vor, Laubbläser durch Besen und Schaufel zu ersetzen, was für Arbeiter mühseliger, für die Anwohner jedoch eine Entlastung vom Lärm der Gebläse ist. In Sesselliften wird dann die Sitzheizung ausgeschaltet, was einige Skifahrer, aber sonst niemanden stört.
Doch auch auf private Whirlpools, Saunen, Körperbräunungsgeräte, Infrarotkabinen, Massagesessel und Dampfbäder müssen die Schweizer*innen dann verzichten. Allerdings fällt all das unter Wellness und bedeutet zwar Komfortverlust, lässt sich aber verschmerzen. Dass die Rolltreppen in Kaufhäusern und U-Bahnen stehen bleiben, könnte für ältere und gesundheitlich angeschlagene Personen schon eher zum Problem werden. In Eskalationsstufe 2 müssen dann Hotelgäste auf ihre geliebte Minibar verzichten, während in Diskotheken die Heizung fast gänzlich abgestellt wird – wer tanzt, sollte dabei kaum erfrieren, denkt sich vermutlich der Bundesrat. Ab Stufe 3 sind sogar Amateursportveranstaltungen verboten, auch die Autowäsche funktioniert dann nur noch von Hand. All das dient der Verhinderung eines Blackouts, den der Schweizer Bundesrat offenkundig allen Ernstes befürchtet.
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