Die Golfmonarchien galten lange Zeit auf den Klimakonferenzen als Bösewichte wegen ihrer Ölförderung und dem Einfluss ihrer Lobbyisten auf die Klimapolitik. Seit Ausbruch der europäischen Energiekrise sind sie aber stark gefragt. Die deutsche Journalistin Golineh Atai hat ein Interview mit Energieexperte Mohammad Al-Sabban aus Dschidda (Saudi-Arabien) geführt. Der Ökonom berät schon seit Jahren den saudischen Energieminister. Er war Chefunterhändler der Klimadelegation seines Landes bei den UN und ist nun in diesen Tagen als Experte sehr gefragt (zdf, 27.11.2022).
Ungerechtigkeit gegenüber Saudi-Arabien?
Der Ökonom Al-Sabban hat gegenüber Golineh Atai offene Worte gefunden. Das ist nicht selbstverständlich: Interviews gegenüber westlichen Medien sind in Saudi-Arabien eher die Ausnahme. Gerade ihr Privatleben halten die Saudis strikt unter Verschluss, ebenso ungern liefern sie offene Einblicke in ihre Weltsicht. Doch der Energieexperte Al-Sabban hatte einiges anzumerken. Er beklagte nämlich die Ungleichbehandlung seines Landes auf der letzten Klimakonferenz in Scharm asch-Schaich und darüber hinaus einen Interessenkonflikt zwischen den Ölexporteuren, zu denen Saudi-Arabien gehört, und den Industriestaaten.
Die Ölstaaten lehnen eine Opferrolle zugunsten des Klimawandels ab: Sie leben von ihren Ölexporten und hatten noch nicht die Zeit des Westens für eine industrielle Revolution. Diese habe in Europa und Nordamerika über ein Jahrhundert lang gedauert, so der Experte. In Nordafrika beginne sie gerade erst. Dies sei ein falscher Zeitpunkt für ökologische Ratschläge aus dem Westen. Es müsse Saudi-Arabien und anderen Ölexporteuren gestattet sein, die eigenen Interessen zu verteidigen: Das mache Deutschland schließlich auch.
Saudi-Arabiens Haltung zur Energiewende
Eine Zeitenwende bei der Energiepolitik ist in Saudi-Arabien nicht in Sicht. Das Land ist zu sehr von seinen Ölexporten abhängig, die ihm relativen großen Wohlstand eingebracht haben. Das BIP pro Kopf liegt nur knapp unter dem von Deutschland. Dementsprechend leugnen saudische Energieexperten wie Al-Sabban auch den menschengemachten Klimawandel. Sein Land steht nimmt gegenüber dem globalen Klimaschutz eine weitgehend indifferente Haltung ein. Auf der jüngsten Weltklimakonferenz agierten sehr viele saudische Lobbyisten sehr geschickt vor und hinter den Kulissen. Vor der Weltöffentlichkeit kündigten die Saudis medienwirksam die Erschließung erneuerbarer Energien an. Gleichwohl betonten sie, dass sie die fossilen Energien nicht aufgeben werden.
Den Kampf gegen den Klimawandel bezeichnete der Energieexperte Al-Sabban im Gespräch mit Atai wahlweise als edel, aber relativ nutzlos, oder auch gleich als überflüssig, weil es diesen menschengemachten Klimawandel so, wie ihn der Westen darstelle, gar nicht gebe. Im Übrigen brauche die Welt noch auf Jahrzehnte viel Öl und Gas. Da die Weltbevölkerung stetig wachse und gleichzeitig der Wohlstand auch in Entwicklungsländern immer mehr zunehme, werde auch die Nachfrage nach fossilen Energien mit Sicherheit steigen. Die nötige Energie lasse sich nun einmal nicht allein aus der Sonne und dem Wind generieren. Dies sei „Blödsinn“, so der saudische Fachmann. Man sehe doch nun, wie sehr die europäischen Staaten infolge des Ukraine-Krieges nach neuen Öl- und Gaslieferungen Ausschau hielten.
Ölbohrungen bis zum letzten Tropfen
Golineh Atai fragte im Gespräch Mohammad Al-Sabban, ob sein Land „Öl bis zum letzten Tropfen“ fördern wolle. Dies bestätigte der einflussreiche saudische Ökonom und wusste es auch zu begründen. Immerhin würden auch die USA wieder neue Förderlizenzen für Fracking erteilen. Der fossile Energiebedarf sei eben hoch und steige auch weiter, der Kampf gegen die Veränderung des Klimas sei dagegen längst nicht so bedeutend. Welche Ursachen der Klimawandel habe, sei ohnehin gar nicht so klar, wie dies westliche Wissenschaftler immer behaupten würden. Diese würden vielmehr von Lobbyisten zu Aussagen über eine menschengemachte Klimakatastrophe gedrängt – vielleicht wegen ökonomischer Interessen der Solar- und Windkraftbranche.
Doch vielleicht folge das Klima auch nur seinen natürlichen Zyklen, die sich über mehrere Millionen Jahren erstrecken? Bei den Lobbyisten hakte Atai noch einmal nach. Al-Sabban blieb bei seiner Aussage: Ja, Lobbyisten hätten durchaus Interesse an einer weltweiten Einstellung der Ölförderung. Wenn es aber in den Industriestaaten nennenswerte Ölvorkommen gäbe, würden diese Staaten eine gänzlich andere Haltung zu deren Nutzung einnehmen. Atai fragte nochmals, ob man wirklich Lobbyisten den steigenden Meeresspiegel und Flutkatastrophen wie jüngst in Pakistan anlasten solle. Darauf gab der saudische Energieexperte keine Antwort.
Dennoch Klimazusagen von Saudi-Arabien
Abgesehen von solchen harschen Tönen hat sich Saudi-Arabien dazu verpflichtet, seine Emissionen bis 2060 netto zu eliminieren. Auch will das Land viele Milliarden Dollar auch in erneuerbare Energien investieren. Mohammad Al-Sabban begründet dies mit der nötigen Diversifizierung der saudischen Energiewirtschaft. Dass sein Land auch mit grünem Wasserstoff wieder zu den Hauptexporteuren der Welt zählen wird, ist für ihn eine ausgemachte Sache – europäische Abhängigkeiten inklusive.
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