Mercedes-Benz richtet sich wieder verstärkt auf Verbrenner aus und reduziert seine Elektroauto-Initiativen. „Mercedes macht es nicht freiwillig“, so ein Experte. Das Ziel von 5 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2030 scheint immer unrealistischer. Die Ampelkoalition setzte sich dieses ambitionierte Ziel zu Beginn ihrer Amtszeit. Doch in den letzten Wochen zeigt sich, dass das Vorhaben scheitern könnte (wiwo: 29.06.24).
Mercedes-Benz kehrt E-Autos den Rücken: Milliarden-Investition in Verbrenner
In Deutschland kommt der Elektroautomarkt nicht richtig in Fahrt. Deshalb zieht Mercedes-Benz nun Konsequenzen. Der Konzern verabschiedet sich von seinem Plan, ab 2030 nur noch elektrische Modelle anzubieten. Stattdessen fließt wieder mehr Geld in Verbrenner. Dies erklärte Mercedes-Chef Ola Källenius im Interview mit der Wirtschaftswoche.
Mercedes plant, in den kommenden Jahren verstärkt in Hightech-Verbrenner zu investieren. Hybridautos, also Verbrenner mit zusätzlichem E-Motor, stehen dabei im Fokus. 2024 werden allein in der Pkw-Sparte 14 Milliarden Euro in Forschung, Entwicklung und Werke investiert. Digitalisierung, Elektromobilität und Hightech-Verbrennertechnologie bilden dabei die Schwerpunkte.
Mercedes-Prognose: Mehr Hightech-Verbrenner als E-Autos bis 2030
Der Konzern erwartet, dass die Zahl elektrifizierter Hightech-Verbrenner 2030 höher sein könnte als bislang gedacht. Daher bleibt die industrielle Struktur erhalten und wird effizient genutzt. Die Flexibilität der Werke und Standorte ist entscheidend, da der Ausbau der Elektromobilität langsamer voranschreitet als prognostiziert. Mercedes überarbeitet den elektrifizierten Hightech-Verbrenner, sodass er „bis tief in die 2030er-Jahre hält“.
Für das Jahr 2030 rechnet Mercedes mit einem Absatz, der zur Hälfte aus Elektroautos und zur anderen Hälfte aus elektrifizierten Hightech-Verbrennern besteht. Dieses Szenario lässt das 15-Millionen-Ziel der Bundesregierung unwahrscheinlicher erscheinen. Seit dem Stopp der Kaufprämie für E-Autos durch Wirtschaftsminister Robert Habeck sinkt die Nachfrage kontinuierlich. Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 140.713 E-Autos zugelassen, was einem Rückgang von 15,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Expertenkritik: Warum Mercedes-Benz auf Verbrenner setzt und E-Autos verliert
Auto-Analyst Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands Hannover erklärt, dass Mercedes sich den Rahmenbedingungen anpasst, „die momentan wieder ein Stück weit positiver für den Verbrenner aussehen“. Es werde versucht, „den Verbrenner so lange wie möglich zu melken“. Auch andere Hersteller wie BMW und Volkswagen unterstützen weiterhin den Verbrenner, um die Technologie voll auszuschöpfen.
Ferdinand Dudenhöffer, Gründer des privatwirtschaftlichen Forschungsinstituts Center for Automotive Research (CAR), macht die Bundesregierung für den Kurswechsel verantwortlich. „Mercedes macht das nicht freiwillig, die Politik schiebt mit ihrer Arbeit die Elektromobilität immer weiter aufs Abstellgleis.“ Durch die sinkende Nachfrage nach Elektroautos gingen die Aufträge im Maschinenbau zurück. Die Hersteller erweitern daher ihre Anlagen für Verbrenner, um ihre Geschäfte zu sichern.
Dudenhöffer kritisiert, dass „die Politik dem Elektroauto einen riesigen Stein in den Weg legt“. Gründe seien der Wegfall der Subventionen und die Aussagen oppositioneller Politiker, dass der Verbrennungsmotor die ideale Lösung sei. „Wenn ich das den Menschen erzähle, dann muss ich mich nicht wundern, wenn keine Elektroautos gekauft werden.“ Zunächst hätten alle Hersteller auf den Electricity-only-Weg gesetzt, nun fehle jedoch die politische Unterstützung beim Ausbau der Elektromobilität.
Zukunftsaussichten und Kritik
Dudenhöffer ist überzeugt, dass die Zukunft klar in Richtung vollelektrisches Auto geht. In China könnten dieses Jahr rund sieben Millionen E-Autos verkauft werden. Auch in Europa „werden vollelektrische Autos noch vor 2030 deutlich preisgünstiger und bequemer werden als Verbrenner“. Europa steige jedoch zu spät in diesen Markt ein und überlasse anderen Ländern die Spitzenposition.
Die Rettung der Verbrennertechnologie durch den Umstieg auf E-Fuels hält Dudenhöffer für naiv. E-Fuels seien „zu teuer und von der Infrastruktur her nur schwer umsetzbar“. Vielmehr solle die Bundesregierung sich ein Beispiel an Luxemburg nehmen und E-Autos wieder subventionieren. Nur so werde das 15-Millionen-Ziel der Ampel wieder realistisch. Abschließend merkt Dudenhöffer zynisch an: „Oder die Regierung tritt einfach zurück, der traut doch sowieso keiner mehr was zu.“
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