Fast ein Drittel der deutschen Industrieunternehmen beabsichtigt, die Produktion vermehrt im Ausland zu erhöhen, anstatt im Inland. Grund dafür sind wachsende Ängste über die Zukunft Deutschlands ohne russisches Gas und den daraus resultierenden Energiepreisen. Dies geht aus einer viel beachteten jährlichen Umfrage hervor (FT: 30.08.23).
Alarmierender Anstieg: Doppelt so viele deutsche Unternehmen planen Auslandsinvestitionen wegen zu hoher Energiepreise
Das jährliche „Energiewende-Barometer“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ergab, dass 32 Prozent der befragten Unternehmen im Ausland investieren wollen, anstatt im Inland zu expandieren. Diese Zahl ist doppelt so hoch wie die 16 Prozent im Vorjahr.
Die Kammer befragte 3.572 Mitglieder zu den Auswirkungen von Energiefragen auf ihre Geschäftsaussichten. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Kammer, sagte, dass „große Teile“ der deutschen Wirtschaft sich um eine unzureichende Energieversorgung „im mittleren und langen Zeitraum“ sorgen.
Deutschland war lange Zeit stark von Russland für Gas abhängig. Kurz bevor der Krieg in der Ukraine im letzten Jahr begann, stammte mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Gases aus Russland.
Deutschland hat im April seine letzten verbleibenden Atomkraftwerke stillgelegt und sich das Ziel gesetzt, bis 2045 vollständig CO₂-neutral zu sein. Die Einführung von grüner Energieinfrastruktur hinkt jedoch deutlich dem Plan der Regierung hinterher.
Krisensignal: Rekordhohe Skepsis gegenüber der Energiewende treibt deutsche Unternehmen ins Ausland
Die DIHK wies insbesondere auf Herausforderungen bei der Erweiterung des deutschen Stromnetzes hin. Die Kammer sagt, dass 12.000 Kilometer neue Stromleitungen benötigt werden. Dreiviertel davon sind noch nicht für den Bau genehmigt. Diese Leitungen sollen die elektrischen Ambitionen des Landes unterstützen.
Die Umfrage hat Unternehmen befragt. 52 Prozent der Antworten sind negativ zur Energiewende in Deutschland. Sie glauben, dass sie sich schlecht auf ihr Geschäft auswirkt. Dies ist der höchste Wert, den das Barometer seit Beginn der Veröffentlichung im Jahr 2012 erfasst hat.
Die Ergebnisse spiegeln die Bedenken wider, die vom deutschen Chemieriesen BASF genannt wurden. Das Unternehmen hat kürzlich China als Standort ausgewählt. Es geht um petrochemische Anlagen. Einer der Gründe ist der einfache Zugang zu umweltfreundlicher Energie. Gleichzeitig kündigte das Unternehmen eine „dauerhafte“ Verkleinerung seines Hauptsitzes an.
Energiepreis-Debatte spaltet Koalition: DIHK und BASF fordern Subventionen, um Abwanderung der Industrie zu stoppen
Die DIHK-Umfrage verstärkte die Beschwerden von BASF und anderen über die Investitionsbedingungen in Deutschland.
Unternehmen wie BASF fordern immer stärker von Berlin, die Energiepreise für die Schwerindustrie zu subventionieren, doch das Thema sorgt für Spannungen in der Dreierkoalition Deutschlands.
Die Sozialdemokratische Partei von Kanzler Olaf Scholz schlug kürzlich vor, eine Obergrenze von 5 Cent pro Kilowattstunde für Unternehmen einzuführen, die besonders stark von der Preisvolatilität betroffen sind. Die Idee wurde jedoch von ihrem liberalen Koalitionspartner, sowie von Kanzler Scholz selbst, abgelehnt.
Die DIHK erklärte, dass eine Garantie für niedrige Energiepreise ein Weg sei, um Industrieunternehmen davon abzuhalten, ihre Produktion in Deutschland einzuschränken oder gar zu verlagern.
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