Habeks Aufrufe zum Energiesparen haben in der Raffinerie Schwedt für Ärger gesorgt

Die brandenburgische Raffinerie Schwedt liefert Brennstoff in den Nordosten. Mit einem geplanten Ölembargo gegen Russland befürchtet die Stadt wirtschaftliche Auswirkungen und weckt deshalb Erinnerungen an die Turbulenzen nach der Wiedervereinigung. Wirtschaftsminister Habeck ist wütend.


„Druzhba“ – russisch für „Kumpelschaft“ – heißt eine der längsten Ölpipelines der Welt, die russisches Öl von Sibirien zur Raffinerie nach Schwedt im östlichen Brandenburg transportiert. Sein Name weckt Erinnerungen an eine vergangene Ära der deutsch-russischen Beziehungen, die nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine zerbröckelten. „Putin hat sie mit Füßen getreten“, sagt der SPD-Politiker Mike Bischoff, als er sich an diesem Morgen auf die Ansprache vor den Bürgern der Altstadt vorbereitet.

Bischoff sitzt für die Uckermark im brandenburgischen Landtag und gilt als jemand, der die Bürgerarbeit ernst nimmt. Doch auch die Sozialdemokraten haben es schwer: Ein Radfahrer fährt vorbei und flüstert Bischoff das Wort „Kriegstreiber“ zu. In Schwedt, einer 30.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zu Polen, dominiert in diesen Tagen die Weltpolitik viele Diskussionen.

Habeks Aufrufe zum Energiesparen haben in der Raffinerie Schwedt für Ärger gesorgt. Bürger in Schwedt haben Angst um ihre Arbeitsplätze.
Habeks Aufrufe zum Energiesparen haben in der Raffinerie Schwedt für Ärger gesorgt. Bürger in Schwedt haben Angst um ihre Arbeitsplätze.
Uckermaerker, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Bürger in Schwedt haben Angst um ihre Arbeitsplätze

Seit die Bundesregierung das Embargo der Europäischen Union gegen russisches Öl genehmigt hat, macht man sich hier Sorgen um die Zukunft. Der Industriestandort ist abhängig vom russischen Rohöl. Die riesige Ölraffinerie am Rande der Stadt verarbeitet das Öl. Die Raffinerie gehört dazu auch noch mehrheitlich dem russischen Staatsunternehmen Rosneft. Etwa 1.200 Menschen arbeiten bei PHC, Petrochemical Plant. Viele Zulieferunternehmen beschäftigen zusätzlich auch noch Hunderte von Mitarbeitern.


„PCK ist Schwedts DNA“, sagen Einheimische. Fast alle haben Verwandte, die in der Fabrik arbeiten, und sie selbst haben dort schon gearbeitet oder studiert. Viele Bürger befürchten nun, dass der geplante Importstopp zu einer Entlassungswelle führen wird. Gleichzeitig zeigen ihre Ängste, wie schwer eine Absage sein kann, die laut Vizekanzler Robert Habek (Grüne) wegen des Krieges alle hinnehmen müssen.

Der Bürgermeister will mehr Zeit vor dem Embargo

Das Ölembargo betrifft nicht nur Schwedt: Das Werk versorgt sowohl Westpolen, als auch Nordostdeutschland mit Benzin, Dieselkraftstoff und Kerosin. Das sagen Politiker in der Region. Ohne die „CPK“ gäbe es laut Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) weitgehend Stillstand. Das sieht auch Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (parteilos) so. Von ihrem Fenster im Rathaus aus kann sie die Schornsteine ​​der Raffinerie in den Himmel steigen sehen, ein stetiger Feuerball, der über der Raffinerie brennt.

Sie habe den „schrecklichen Krieg“ angeprangert, sagt Hoppe. Sie bezweifelt aber, dass die Auswirkungen des Embargos kurzfristig abgemildert werden können. Hoppe braucht mehr Zeit. Sie kritisiert die in den EU-Plänen vorgesehene sechsmonatige Übergangsphase.
Das Bundeswirtschaftsministerium bemüht sich um Abhilfe. Anfang der Woche besuchte Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) Schwedt. „Wir werden unser Bestes tun, damit die Lichter in Schwedt weiter brennen“, sagte er.


Öl aus anderen Ländern könnte künftig auch über die Häfen Danzig und Rostock nach Schwedt kommen. Verluste bei der Umstellung beispielsweise von der Raffinerie auf die Verarbeitung anderer Ölsorten müssen zulasten der Reserven kompensiert werden. Das ist der Plan der Regierung.

Raffinerie in Schwedt zu 54 Prozent in russischem Besitz

Aus ihrer Sicht ein drängenderes Problem: Rosneft besitzt 54 % der Anteile an PSK und dürfte allerdings kein Interesse daran haben, sein Geschäftsmodell aufzugeben. Daher kommt auch eine Enteignung in Betracht. Die PCK hält sich bedeckt und lässt die Anfrage unbeantwortet. Es ist schwierig, mit Mitarbeitern zu sprechen. Laut einem mit Schwedt gut vernetzten Mitarbeiter eines Zulieferers bittet der Konzern seine Mitarbeiter, sich nicht in der Öffentlichkeit zu äußern.

Ähnliche Bedenken haben Gäste einer Abendveranstaltung in einem Mehrgenerationenhaus in Schwedt. Zu Gast ist Carsten Schneider (SPD), Bevollmächtigter der Bundesregierung für die DDR. Die Halle ist voll, mit Filterkaffee und Sandwiches muss es wirklich um die Probleme des Strukturwandels gehen. Aber das dominierende Thema ist das Ölembargo. Schneider versucht, seinen Ärger zu beruhigen.


Habeck stößt in Schwedt auf Widerstand

„Ich selbst komme aus Erfurt. Ich weiß, was Massenarbeitslosigkeit ist“, sagt er. „Wir auch“, antwortet sofort jemand aus dem Publikum. Das gibt den Ton für die Diskussion an. Jemand findet es unverschämt, dass Habek bei Auslandsreisen in Katar lapidar zum Sparen aufruft. Der von Habek gepriesene politische Stil der neuen Ehrlichkeit scheint von Schwedt allerdings als unrealistisch empfunden zu werden. Ähnliche Töne kommen auch von der Geschäftsseite.

„Im Fall der PCK sehen wir eine enormes Halbwissen und Ignoranz“, sagt Jörn Klitzing von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. „Ich erwarte Bescheidenheit, damit es nicht so viel Unruhe in der Region gibt. Dass wir echte Probleme haben, muss man in der Politik sehen.“

Generell hinterfragen viele den Sinn des Importstopps: „Das Embargo wird den Krieg nicht verkürzen. Ich bin überwältigt von dieser Diskussion“, sagt der ehemalige PCK-Mitarbeiter unter stehenden Ovationen des Publikums. Generell wurde der Kurs der deutschen Regierung in der Ukraine von vielen Anwesenden kritisch wahrgenommen. Vor der „Eskalationsspirale“ wird vor „Kriegstreiberei“ gewarnt.


Auch eine Warnung davor, den Gesprächsfaden über Russland zu unterbrechen: „Wir dürfen keine Brücken nach Russland zerstören“. Warum nicht einfach Putin fragen: „Was willst du wirklich?“ Das ist ein ernsthafter Vorschlag, gegen den es keine Einwände gibt.
Zeigt Schwedt also exemplarisch die Grenzen des Verzichts auf? „In jedem Fall spiegelt diese Diskussion die Meinung der Mehrheit in Schwedt wider“, sagte André Nicke, Intendant der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt, nach der Veranstaltung. Bis vor kurzem wurde die kupferrote Fassade des Theaters, die an den Palast der Republik erinnert, von den gelb-blauen Nationalfarben der Ukraine erleuchtet.

Seit klar war, dass ein Embargo bevorstand, war damit Schluss. „Ein Zeichen dafür, wie es ist, wenn in Schwedt die Lichter ausgehen“, sagt Nicke. Dann kann Solidarität für die Ukraine wie russisches Öl sein: Auch sie ist endlich.

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