China hat für Autokäufer, die sich einen Wagen mit Verbrennungsmotor kaufen, die Steuer von 10 auf 5 % halbiert. Das soll den Verkauf ankurbeln. Das Reich der Mitte will Deutschland als führende Autonation ablösen. Überlegungen zum Klimaschutz gelten dabei als zweitrangig (focus, 17.07.2022)
Folgen der Steuersenkung in China
Mit dem ungewöhnlichen Schritt, der als mächtiger Kaufanreiz wirkt, sinkt nun in China die Attraktivität von Elektroautos, die dort freilich ebenso gefördert werden wie in den meisten anderen Ländern der Welt. In China werden auf den Kauf eines vollelektrischen Autos gar keine Steuern fällig. Doch der Fördervorsprung gegenüber Verbrennern schmilzt nun dahin und dürfte den Verkauf Letzterer befeuern. Experten sehen darin einen Fokus auf das primäre Ziel Chinas: Die Volksrepublik möchte eine Exportnation für Autos werden.
Das hat sich die Wirtschaftsführung offenbar von Deutschland abgeschaut, denn unsere Automobilindustrie hat (neben dem Maschinenbau) den einheimischen Industriestandort zu einem der stärksten der Welt gemacht. Bemerkenswerterweise erfolgt der steuerpolitische Schritt Chinas zu einem Zeitpunkt, an dem in der EU beschlossen wurde, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen. Die europäische Automobilindustrie plant das Aus für den Verbrenner sogar noch eher.
Die Marken Opel und Vauxhall sollen ab 2028 nur noch vollelektrisch fahren, Mercedes ab 2031, VW und Audi planen den Schritt ab 2033. Die chinesische Führung beobachtet das mit großem Interesse und vermutet, dass das europäische Verbrenner-Aus eine Lücke hinterlässt, die man wohl füllen kann. Vielleicht können chinesische Automobilhersteller dadurch auf dem europäischen Markt wachsen. Das Kalkül lautet dabei: Die europäischen Hersteller werden in den nächsten zehn Jahren vor dem Auslaufen der Verbrenner nicht mehr genügend Fahrzeuge produzieren können bzw. veraltete Modelle auf den Markt bringen, weil sie in neue Verbrennertechnologien kaum noch investieren. Das könnte für europäische Käufer die gar nicht so schlechten und überdies preiswerten chinesischen Autos interessant machen.
Ambivalente Wirtschafts- und Klimapolitik in China
Bemerkenswert ist der Schritt auch deshalb, weil China eigentlich ein Vorreiter bei der klimamotivierten Wirtschaftspolitik sein will und in der Tat in den Ausbau der Elektromobilität in den letzten Jahren viel investiert hat. Nirgendwo auf der Welt sind so viele elektrische Kleinroller unterwegs wie in den Straßen chinesischer Großstädte. Bis 2060 will die Volksrepublik klimaneutral sein, was für die Wirtschaft eines Schwellenlandes sehr ambitioniert ist. Doch die ökonomische Praxis bremst wohl die chinesischen Klimawünsche immer wieder aus. Das Land baut aktuell so viele Kohlekraftwerke wie nie zuvor.
Der Energiehunger der „Werkbank der Welt“ steigt nämlich ungebremst und lässt sich mit grünen Energien noch längst nicht stillen. Ein Verzicht auf Wirtschaftswachstum kommt wiederum für die chinesische Partei- und Staatsführung nicht infrage. Xi Jinping ist der Auffassung, dass nur steigender Wohlstand der Chinesen seine Macht legitimiert. Und so ist China derzeit zwar der weltweit größte Wasserstoffproduzent, doch die nötige Energie für die Wasserstofferzeugung stammt zu 95 % aus Kohlekraftwerken. Diese Ambivalenz ist überall in der chinesischen Wirtschafts- und Klimapolitik anzutreffen.
Verlängerung der Steuerbefreiung beim E-Auto-Kauf
Die Ambivalenz setzt sich im Bereich der Mobilität fort. Denn neben der Steuersenkung auf den Kauf von Verbrennern kündigte das chinesische Handelsministerium gleichzeitig Anfang Juli 2022 an, dass die Steuerfreiheit beim E-Auto-Kauf verlängert wird. Sie wäre sonst in den kommenden Monaten ausgelaufen. Auch in diesem Bereich ist also zu erkennen, dass China seine klimapolitischen Ziele keinesfalls aufgibt, aber ganz pragmatisch dennoch auf konventionelle, klimaschädliche Technologien nicht verzichtet und sie sogar erneut fördert.
Ein wenig ähnelt das dem aktuellen Pragmatismus in Deutschland, wo man in Reserve stehende Kohlekraftwerke wieder anwirft, um einem kommenden Gasmangel vorzubeugen. China forciert dennoch wie kaum ein anderes Land der Welt die Elektromobilität und investiert beispielsweise sehr kräftig in den Aufbau einer gut funktionierenden Ladeinfrastruktur für die Stromer.
Übergreifendes Ziel der jüngsten Steuersenkungen
Das übergeordnete Ziel der jüngsten Steuersenkungen auf den Kauf von Verbrennern dürfte sein, der chinesischen Automobilindustrie mitsamt ihren vielen Zulieferern einen kräftigen Wachstumsimpuls zu verschaffen, den die Wirtschaft des Riesenreiches bitter nötig hat. Die Null-Covid-Strategie der Regierung hat nämlich den chinesischen Wirtschaftsmotor ordentlich ins Stottern gebracht.
Die Automobilindustrie des Landes etwa meldet für den Zeitraum Januar bis Mai 2022 einen Absatzrückgang im Vorjahresvergleich von 12 %. Wenn sie nun durch Steuersenkungen im Inland wieder wächst, könnte sie ihren gewohnten Wachstumskurs der Vor-Corona-Zeit wieder aufnehmen. Dieser war beachtlich. Inzwischen ist China nach Deutschland und Japan schon die drittgrößte Exportnation für Pkws. Es ist daher gar nicht so utopisch, den 1. Rang anzustreben.
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