Miguel López, Vorstandschef von Thyssenkrupp, nimmt im Interview mit dem FOCUS kein Blatt vor den Mund. Seine Kritik an der deutschen Energiewende ist hart und unmissverständlich: Steuergelder in Solar- und Windprojekte zu stecken, sei eine Verschwendung öffentlicher Mittel. „Solar- und Wind-Energie rechnen sich in Deutschland nie“, betont López. Für ihn steht fest, dass wirtschaftliche und geografische Gegebenheiten im Land schlicht nicht mit denen in anderen Regionen vergleichbar sind. Der Versuch, hierzulande wettbewerbsfähigen grünen Strom zu erzeugen, werde langfristig keine Früchte tragen (focus: 11.11.24).
Grünstrom in Mitteleuropa bleibt teuer
Der Thyssenkrupp-Chef führt weiter aus, dass nur wenige Regionen in Europa ideale Bedingungen für günstigen Grünstrom bieten. „Wenn wir über wettbewerbsfähigen Grünstrom reden, kann eigentlich nur von Skandinavien oder der iberischen Halbinsel die Rede sein“, erklärt López. Seine Argumentation stützt sich auf klare geografische Fakten: „Dort gibt es schlicht mehr Wasser, mehr Wind und mehr Platz für Offshore-Windparks.“
Diese natürlichen Ressourcen ermöglichen es Ländern wie Norwegen und Schweden, Strom zu deutlich niedrigeren Kosten zu produzieren. Im Vergleich dazu sei Deutschland im Nachteil. Fehlende Flächen für große Windparks und geringere Windgeschwindigkeiten machen es unmöglich, die benötigten Mengen an Energie zu vertretbaren Preisen zu erzeugen. Seiner Ansicht nach fehlen in Mitteleuropa die Voraussetzungen, um jemals in der nötigen Größenordnung bezahlbare, grüne Energie zu produzieren.
Pure Mathematik gegen Subventionen
López sieht in den milliardenschweren Subventionen für Solar- und Windkraft keinen Mehrwert. „Kosten für grünen Strom werden in Skandinavien oder auf der iberischen Halbinsel immer niedriger sein als in Deutschland“, unterstreicht er und macht deutlich, dass seine Position rein auf wirtschaftlichen Fakten basiert. Ihm zufolge bleibt das Ergebnis ernüchternd: Selbst in die Zukunft projiziert, rechne sich Solarenergie in Deutschland nicht. Und selbst wenn man den Ausbau von Windkraft massiv vorantreiben würde, könnten die Mengen niemals ausreichen, um das Land verlässlich mit erneuerbarer Energie zu versorgen. „Mein Punkt ist ganz einfach, pure Mathematik“, fasst López zusammen. Damit wirft er die Frage auf, ob die deutschen Subventionen überhaupt eine Chance auf Erfolg haben.
Gefahr der Deindustrialisierung
Neben der Energiepolitik sieht der Thyssenkrupp-Chef eine weitreichendere Bedrohung für Deutschland: den Verlust der industriellen Basis. „Wir befinden uns in einer Deindustrialisierung“, mahnt er eindringlich. Seiner Meinung nach hat dieser Prozess bereits begonnen und gefährdet die wirtschaftliche Stärke des Landes. López warnt, dass die Attraktivität Deutschlands für die Industrie weiter sinken könnte, wenn nicht zügig gehandelt wird. Er fordert Maßnahmen, die weit über kurzfristige Förderungen hinausgehen. Stattdessen sei ein klarer Plan nötig, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie langfristig sichert.
Standortvorteile schaffen
López sieht gezielte Anreize als Lösung, um dem drohenden wirtschaftlichen Abstieg zu entgehen. Subventionen allein reichten nicht aus, um die Industrie zu retten. „Noch haben wir eine Chance, wenn wir uns wieder auf die Bedürfnisse der Industrie konzentrieren“, so der Top-Manager. Er verweist auf bewährte Modelle aus dem Ausland, die die Standortattraktivität erhöhten. Als Beispiel nennt er London: Steuerliche Vorteile für zuziehende Arbeitnehmer sorgten dafür, dass gut verdienende Fachkräfte in die englische Metropole gezogen sind. Diese Strategie habe Arbeitsplätze geschaffen und der Finanzwirtschaft in Großbritannien einen Vorteil verschafft. „Was für die Finanzwirtschaft in Großbritannien gewirkt hat, kann für die Realindustrie hierzulande auch genutzt werden“, erklärt López.
Für Deutschland sieht er ähnliche Chancen, um wettbewerbsfähige Bedingungen zu schaffen. Es brauche dringend Anreize, die qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland anziehen und Unternehmen Planungssicherheit geben. „Es gibt viele gute Modelle weltweit, die wir uns anschauen und kopieren sollten“, fordert López. Nur so ließe sich die Zukunft der deutschen Industrie sichern und der Wirtschaftsstandort langfristig stärken. Ein solches Konzept müsse sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer ansprechen, um das Land zukunftssicher zu machen.
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