In unserem Beitrag „Wie wird das Stromnetz stabilisiert?“ haben wir darüber berichtet, wie man das Gleichgewicht zwischen Stromangebot und Nachfrage durch die verschiedenen Kraftwerktypen regelt. In diesem Beitrag wollen wir darauf eingehen, mit welchen Werkzeugen die Netzbetreiben den produzierten Strom im Stromnetz selbst regeln. Phasenschieber und Blindleistung sind zur Steuerung eines Stromnetzes die wichtigsten Werkzeuge. Um die Wirkungsweise zu erklären muss man aber etwas tiefer in die Materie einsteigen. Das Thema ist allerdings sehr komplex und wir versuchen es so einfach wie möglich zu erklären.
Wie entsteht Blindleistung?
Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Spannung und Stromstärke. Bei Gleichstrom ist das noch relativ einfach. Beim Wechselstrom ist das jedoch etwas komplizierter, denn Stromstärke und Spannung ändern hier regelmäßig die Richtung. Im europäischen Stromnetz haben beide einen sinusförmigen Verlauf mit einer Frequenz von 50 Hz. Dadurch pulsieren sowohl der Strom als auch die Spannung von positiven zu negativen Werten. Solange Strom und Spannung im Gleichschritt schwingen, ergibt das Produkt der beiden eine ebenfalls pulsierende positive Leistung.
Strom und Spannung sind phasengleich
Tritt aber zwischen den sinusförmigen Verläufen von Strom und Spannung eine Verschiebung auf, ist deren Produkt eine Leistung die ebenfalls abwechselnd positiv und negativ ist. Der sich daraus ergebende Mittelwert ist die nutzbare Wirkleistung. Die Wirkleistung ist somit kleiner als ohne Phasenversatz. Die Blindleistung pulsiert im Stromnetz kann aber nicht genutzt werden.
Strom und Spannung haben einen Phasenversatz
Ist die Verschiebung so groß, dass die Stromstärke ihr Maximalwert immer dann erreicht, wenn die Spannung gerade Null beträgt, und umgekehrt, heben sich positive und negative Leistung komplett auf. Das Ergebnis ist dann reine Blindleistung.
Strom und Spannung haben einen Phasenversatz von 90°
Die Verschiebung zwischen Strom und Spannung nennt man Phasenverschiebung, die grundsätzlich zwei Richtungen haben kann. Phasenverschiebungen entstehen, wenn sich Spulen oder Kondensatoren im Wechselstromkreis befinden. Elektromotoren und Transformatoren enthalten Spulen und sorgen für eine induktive Verschiebung, bei der die Spannung dem Strom vor eilt. Kondensatoren bewirken eine kapazitive Verschiebung, bei der der Strom der Spannung vor eilt. Eine Phasenverschiebung lässt sich in Wechselstromnetzen aufgrund der angeschlossenen Verbraucher und Transformatoren zwischen den verschiedenen Spannungslagen praktisch nicht vermeiden.
Kontrolle der Blindleistung durch Phasenschieber
Die Herausforderung der Netzbetreiber besteht nun darin, die Blindleistung zu kontrollieren und durch entsprechende Maßnahmen auf einem bestimmten Niveau zu halten. Ist die Blindleistung zu niedrig, sinkt die Netzspannung und stört damit den Stromfluss. Ist die Blindleistung zu hoch sinkt die übertragbare Wirkleistung. Deshalb setzen die Netzbetreiber an ausgewählten Stellen im Stromnetzverbund sogenannte Phasenschieber, in Form von Spulen und Kondensatoren, oder auch rotierende Phasenschieber ein. Mit den Phasenschiebern können die Netzbetreiber die Blindleistung sowohl erhöhen, als auch reduzieren.
Blindleistung zur Kontrolle der übertragenen Leistung erforderlich
Da die Blindleistung auch die Spannung beeinflusst, setzt man Phasenschieber gezielt zur Steuerung der Stromflüsse zwischen Übertragungsnetzen ein. Vereinfacht kann man sich das Übertragungsnetz als Wasserleitungsnetz mit vielen Zu- und Abflüssen vorstellen.
Phasenschieber arbeiten dabei wie ein einstellbares Ventil, welches den jeweiligen Zu- oder Abfluss in einer Leitung erhöhen oder auch absenken können. Sinkt der Stromfluss in einer Leitung, steigen die Stromflüsse im restlichen Verbundsystem. So kann der Netzbetreiber Überlastungen einzelner Stromtrassen im Übertragungsnetz vermieden und die übertragene Leistung damit gezielt steuern.