Grüner Kolonialismus – wie die EU anderen Staaten ihre Klimaschutzmaßnahmen aufzwingt

Die EU plant in naher Zukunft den Abschluss mehrerer Freihandelsabkommen. Doch die Gespräche stecken fest, da Brüssel darauf drängt, dass Regierungen in fernen Regionen der Welt stärkere Klimaschutzmaßnahmen ergreifen sollen. Dies stößt jedoch auf Widerstand, da es als Einmischung empfunden wird. Die deutsche Wirtschaft warnt davor, dass letztendlich eine andere Nation von diesen Abkommen profitieren könnte (Welt: 25.08.23).


Neue Handelsabkommen: Klimaschutzmaßnahmen, Handelshemmnisse und globale Herausforderungen

In den kürzlichen Diskussionen ging es um Themen wie Rindfleisch, Kiwis und Umweltrettung. Vor kurzem hat die EU ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland unterzeichnet. Dabei wurde vereinbart, Zölle auf Lebensmittel abzuschaffen, sowie eindrucksvolle soziale und umweltpolitische Ziele zu verfolgen, wie es Ursula von der Leyen, die deutsche Kommissionschefin, erklärte. Dies wurde als großer Erfolg für Brüssel betrachtet und könnte vorerst das letzte Abkommen dieser Art sein.

Neue Handelsabkommen: Klimaschutzmaßnahmen, Handelshemmnisse und globale Herausforderungen. Kritik an ‚grünem Neokolonialismus‘
Neue Handelsabkommen: Klimaschutzmaßnahmen, Handelshemmnisse und globale Herausforderungen. Kritik an ‚grünem Neokolonialismus‘

Die Europäische Kommission führt aktuell Gespräche mit verschiedenen Ländern über den Abbau von Handelshemmnissen, darunter Indien, Indonesien, Thailand und die Philippinen. Auch mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur, zu der Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören, wird verhandelt.

Jedoch stoßen diese Verhandlungen überall auf Schwierigkeiten. Brüssel strebt danach, Regierungen in fernen Regionen zu mehr Umweltschutz zu bewegen, was diese als übergriffig und arrogant empfinden. Besonders problematisch ist das Mercosur-Abkommen, das bereits 2019 nach langwierigen Diskussionen beschlossen wurde, aber immer noch nicht in Kraft getreten ist. Dies liegt daran, dass die EU zusätzliche Regeln zum Schutz des Regenwaldes einführen möchte. Die Befürchtung besteht, dass verstärkte Importe landwirtschaftlicher Güter aus Mercosur-Staaten die Abholzung des Regenwaldes beschleunigen könnten. Besonders Frankreich, Irland und die Niederlande unterstützen diese Initiative, Länder, die für ihre Landwirte kämpfen. Es ist durchaus möglich, dass es ihnen nicht nur um den Umweltschutz geht, sondern auch um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen.


Kritik an ‚grünem Neokolonialismus‘

In Südamerika wird dies als Einmischung betrachtet. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kritisierte in diesem Monat den „grünen Neokolonialismus“, der unter dem Vorwand des Umweltschutzes Handelshemmnisse einführt. Laut Lula bremsen die europäischen Regeln die wirtschaftliche Entwicklung der Mercosur-Staaten. Paraguays Präsident Santiago Peña ging sogar so weit zu sagen, dass die Gespräche mit Brüssel „auf Eis gelegt“ werden sollten, da die Forderungen der EU „einfach inakzeptabel“ seien.

Ähnliche Bedenken äußert auch die deutsche Wirtschaft. Thilo Brodtmann, der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), betont die Bedeutung des freien Handels, hebt jedoch hervor, dass es nun an der Zeit sei, die laufenden Verhandlungen abzuschließen, insbesondere mit den Mercosur-Staaten.

Der Hauptgrund für die Schwierigkeiten in den Gesprächen ist laut Brodtmann die übermäßige Belastung der Handelsabkommen durch die EU. Themen wie Umweltstandards, soziale Anforderungen und Sanktionsdrohungen bei Verstößen würden in die Abkommen aufgenommen, die direkt mit dem Handel nichts zu tun haben. Diese Überfrachtung überfordere viele potenzielle Partner und gefährde die geplanten Abkommen. Letztendlich würden Staaten wie China davon profitieren, was nicht im europäischen Interesse liege, so Brodtmann.

EU-Strategie für Unabhängigkeit von China und CO₂-Reduktion

Es geht also um mehr als nur Handel. Ein Mercosur-Abkommen hätte auch den Effekt, die EU von China unabhängiger zu machen. China überwacht und schikaniert ausländische Unternehmen. Die Zollvereinbarungen mit anderen Regierungen könnten als Teil der De-Risking-Strategie betrachtet werden. Damit könnte Europa breiter aufgestellt sein und das Risiko einer zu starken Abhängigkeit von China reduzieren.

Brodtmann, der Hauptgeschäftsführer des VDMA, drängt ebenfalls darauf, die Verhandlungen mit Indien zu beschleunigen. Das wäre besonders hilfreich für seine Branche, da Indien derzeit hohe Zölle auf Maschinen erhebt. Trotz mehr als einem Jahr Verhandlungen zwischen Brüssel und Neu-Delhi gibt es nur wenig Fortschritt. Das Problem liegt im sogenannten CBAM, einer europäischen Regelung, die im Oktober in Kraft tritt und einen CO₂-Zoll vorsieht. In Zukunft will die EU für importierten Waren aus Ländern mit lockeren Umweltvorschriften, eine zusätzliche Gebühr an den Grenzen erheben.

Die Kommission strebt an, weltweit Emissionen zu reduzieren. Jedoch sehen Indien und andere aufstrebende Länder CBAM als protektionistisch an.


Europas Umgestaltung zur grünen Wirtschaft und Herausforderungen für Freihandelsabkommen

Doch hierbei geht es nicht nur darum, unabhängiger von China zu werden. Es handelt sich auch um die Umgestaltung der europäischen Wirtschaft – weg von fossilen Brennstoffen wie Öl, Gas und Kohle, hin zu erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne. Experten betonen, dass Freihandelsabkommen mit anderen Nationen, auch solchen, die bisher nicht europäische Umweltstandards einhalten, dringend erforderlich sind.

Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft betont, dass die Energiewende dringend Ressourcen aus Südamerika benötigt. Daher sollte Europa kompromissbereit sein, wenn es um ökologische, soziale und politische Anforderungen geht.

Die Einhaltung hoher EU-Standards erschwert oder verhindert den Abschluss von Freihandelsabkommen, wie Matthes betont. Dies könnte dazu führen, dass andere Konkurrenten wie China an Einfluss gewinnen. Besonders der Bedarf an Rohstoffen wie Lithium zeigt die Schwäche der Verhandlungsposition der Europäer.

Neue Entwicklungen in den Handelsbeziehungen

Laut einer aktuellen Studie der Handelskammer Deutschland-Schweiz ist China in vielen Ländern Südamerikas aktiv. Dort investiert China in verschiedene Projekte, darunter den Abbau seltener Erden, Stromerzeugung, Forstwirtschaft und sogar den lokalen Weinanbau. Währenddessen setzt Europa auf Verhandlungen und betont Klimavorschriften. Ein ähnliches Szenario zeigt sich in Indonesien. Die Palmölproduktion bereitet Brüssel Sorgen, da Unternehmen dort Bäume fällen, um große Plantagen anzulegen. Palmöl wird in Produkten wie Schokolade, Seife und Biokraftstoff verwendet. Indonesien war 2022 der weltweit größte Exporteur von Palmöl mit über 28 Millionen Tonnen.

Brüssel verhandelt seit sieben Jahren über die Zollabschaffung mit der indonesischen Regierung. Die europäische Wirtschaft hofft auf einen Deal, da Indonesien rund 270 Millionen Einwohner hat. Die Gespräche sind jedoch vorerst gescheitert, hauptsächlich aufgrund einer neuen Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. Die EU verbietet die Einfuhr von Rohstoffen wie Palmöl, Kaffee und Kakao, wenn für sie kürzlich Bäume gefällt wurden. Indonesiens Wirtschaftsminister Airlangga Hartarto war vor Kurzem in Brüssel und kritisierte das Gesetz.

Er betonte, dass es nicht die Aufgabe Europas sei, das Abholzen zu diktieren, und warf der EU „regulatorischen Imperialismus“ vor. Ein Freihandelsabkommen scheint nun in weiter Ferne zu liegen, da Hartarto betonte, dass sie auch weitere sieben Jahre warten könnten.

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