Die EU-Kommission will die Ausbauziele für erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 auf 45 Prozent erhöhen. Die Kommission begründet das neue Ausbauziel mit dem Ausstieg aus fossilen russischen Energieträgern, der weit vor 2030 erfolgen soll. Damit will die EU-Präsidentin die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine beenden. Doch der Vorschlag der Kommission stößt bei einigen Mitgliedstaaten auf erbitterten Widerstand. Frankreich, die Niederlande, Irland und mehrere weitere EU-Länder haben bereits angekündigt, das neue Ziel zum Ausbau der erneuerbaren Energien nicht umzusetzen zu wollen (Euroactiv: 19.12.22).
Von der Leyen will Ausbauziele für erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 erhöhen
„Dies ist nicht nur ein von Russland entfesselter Krieg gegen die Ukraine. Dies ist ein Krieg gegen unsere Energie, ein Krieg gegen unsere Wirtschaft, ein Krieg gegen unsere Werte und ein Krieg gegen unsere Zukunft“, erklärte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, bereits im September vor dem Europäischen Parlament. Doch laut einem Dokument, das die Position der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zusammenfasst, weigern sich mehrerer Regierungen, das Ziel von 45 Prozent zu unterstützen.
Die Mehrheit der EU-Länder möchte laut dem Dokument an dem von der Kommission im Juli 2021 vorgeschlagenen Ziel von 40 Prozent festhalten. „Die Mitgliedstaaten stellen gemeinsam sicher, dass der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch der Union im Jahr 2030 mindestens 40 Prozent beträgt“, heißt es in der 2021 beschlossenen Verordnung.
Mehrere EU-Staaten weigern sich, den Vorschlag der EU-Präsidentin zu unterstützen
Wie aus Insiderkreisen aus Brüssel verlautet, sei aktuell keine Mehrheit für das von Ursula von der Leyen vorgeschlagene höhere Ziel erreichbar. Mehrere wichtige Länder wie Frankreich, die Niederlande und Irland würden sich weigern, das neue Ausbauziel zu unterstützen.
„Der von der Präsidentschaft vorgeschlagene Text sieht 40 Prozent vor, und das ist für uns in Ordnung. Wir sind bereit, den allgemeinen Ansatz zu unterstützen“, sagte ein EU-Diplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Derzeit erreicht der Anteil aus Wind, Sonne und Biomasse in Europa etwas mehr als 22 Prozent der Energieerzeugung.
Neun Staaten unterstützen den Vorschlag
Österreich, Dänemark, Estland, Deutschland, Griechenland, Litauen, Luxemburg, Portugal und Spanien haben sich in einem gemeinsamen Papier für den Vorschlag, das Ziel auf 45 Prozent zu erhöhen, ausgesprochen.
„Angesichts der aktuellen Energiekrise und der Notwendigkeit, die Abhängigkeit der EU von fossilen Energieträgern, insbesondere aus Russland, rasch zu verringern und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu erhöhen, halten wir eine Anhebung des Ziels für erneuerbare Energien auf 45 Prozent für unerlässlich. Neben Energieeinsparungen ist es wichtiger und dringender denn je, die erneuerbaren Energien schnell auszubauen“, heißt es darin. Der verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien sei eine Grundvoraussetzung, um die Kontrolle über die Energiepreise zurückzugewinnen und gleichzeitig die Klimaverpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens einzuhalten.
Aktivisten wollen noch höhere Ziele vorgeben
Aktivisten werfen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft vor, dass sie es versäumt hat, noch ehrgeizigere Ziele für erneuerbare Energien zu fordern. „Dieser Versuch der tschechischen Präsidentschaft, ein niedrigeres Ziel durchzusetzen, untergräbt die Verpflichtung der EU gegenüber ihren Bürgen und der Ukraine“, kritisierte eine Aktivistin für erneuerbare Energien bei CAN Europe.
CEO von WindEurope warnt: Neues Ziel ist ohne Ausbau der erforderlichen Infrastruktur rein akademisch
Während verschiedene Thinktanks die höheren Ziele unterstützen, warnt der CEO von WindEurope, Giles Dickson. „Neue Ziele sind großartig, aber die EU-Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass diese Ziele erreicht werden können“, sagte er. Deshalb müssten die EU-Länder auch genügend Flächen für Windenergieprojekte bereitzustellen und die Genehmigungsverfahren beschleunigen. „Die heutigen Genehmigungsverfahren sind zu komplex und zu langwierig, um die Ausbauziele von 40 oder 45 Prozent auch nur annähernd zu erreichen“, erläuterte Dickson. Außerdem erfordere der stärkere Ausbau der Windenergie auch enorme Investitionen in die Produktionskapazität sowie in die erforderliche Infrastruktur wie Netze, Häfen und Schiffe.
Dickson warnt: „Wenn diese Probleme nicht angegangen werden, bleibt jedes aktualisierte Ziel für erneuerbare Energien für 2030 akademisch. Was wir brauchen, ist eine solide Industriepolitik für erneuerbare Energien“.
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