Elektromobilität auf dem Wasser: Fragwürdiges Konzept für das Wattenmeer

Elektromobilität auf Straßen hat in den letzten Jahren an Schwung gewonnen, doch die Idee, dass sie auch auf dem Wasser denselben Erfolg verzeichnen könnte, wirft Bedenken auf. Im Wattenmeer gibt es bislang kaum elektrisch betriebene Boote – was nicht allein an der fehlenden Ladeinfrastruktur liegt, sondern auch an der grundsätzlichen Eignung und den Herausforderungen, die der Umstieg auf E-Mobilität in der Freizeitschifffahrt mit sich bringt. „Das Wasser wurde in der Elektrifizierungsdebatte schlicht vergessen“, meint Holger Wesemüller, Vorsitzender des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Doch ist die Idee, das UNESCO-Weltnaturerbe in eine „klimaneutrale“ Zone zu verwandeln, so einfach umzusetzen? Skeptiker hegen berechtigte Zweifel daran, dass die Herausforderungen realistisch bewältigt werden können (zeit: 01.11.24).


E-MobiSS: Ein fragwürdiges Projekt ohne klare Antworten

Das Projekt „E-Mobilität in See- und Sportboothäfen“ (E-MobiSS), das von der Naturschutzgemeinschaft Mellumrat und der Insel Borkum geleitet und vom Bundesverkehrsministerium finanziert wird, hat sich das Ziel gesetzt, Ladepunkte entlang der niedersächsischen Küste zu installieren. Doch dieses Konzept hat seine Schwächen. Ein Netzwerk von Ladesäulen entlang der Küste mag ambitioniert klingen, doch die technischen und finanziellen Hürden sind enorm. Kapitän Christian Bahlke, einer der Berater des Projekts, räumt ein, dass die Boote ohne Ladeinfrastruktur wenig Anreiz hätten, auf Elektromotoren umzusteigen. Doch selbst wenn die Ladepunkte verfügbar wären, stellt sich die Frage, ob das Wattenmeer überhaupt die geeignete Umgebung für diese Technologie ist.

Elektromobilität auf dem Wasser: Die Herausforderungen für das Wattenmeer und warum elektrisch betriebene Boote bisher selten sind
Elektromobilität auf dem Wasser: Die Herausforderungen für das Wattenmeer und warum elektrisch betriebene Boote bisher selten sind

Die E-Mobilität auf dem Wasser ist noch immer ein experimentelles Feld. Die häufig raue und unberechenbare See sowie die eingeschränkte Reichweite der Elektromotoren könnten schnell zur Belastungsprobe werden. Eine flächendeckende Abdeckung entlang der Küste mit einer Ladesäule alle 30 Kilometer klingt in der Theorie durchdacht – doch wird die technische Umsetzung so einfach sein?

Umweltfreundlich oder technisch unpraktikabel?

Für Befürworter mag die Idee einer klimaneutralen Schifffahrt im Wattenmeer verlockend klingen. „Ein E-Motor, wenn er mit regenerativer Energie betrieben wird, ist natürlich umweltfreundlich und klimaneutral“, erklärt Bahlke. Die Theorie zeigt schnell praktische Schwächen. Auf längeren Fahrten mit Elektroantrieb können bald Engpässe bei der Ladeversorgung entstehen. Besonders problematisch wird es, wenn Boote verschiedener Größen und mit unterschiedlichen Anforderungen dieselbe Ladeinfrastruktur nutzen. Die Ladezeiten sind lang, vor allem beim Laden mit Wechselstrom. Auch das schnellere Gleichstromladen bringt Schwierigkeiten. Oft wäre dafür eine Netzanschlusserweiterung nötig, die logistisch und finanziell sehr aufwendig ist.

Neben den ökologischen Vorteilen gelten Elektromotoren auch als praktischere Option für Bootsbesitzer. Im Vergleich zu Dieselmotoren bieten sie eine längere Lebensdauer, was für viele Nutzer attraktiv ist. Zusätzlich sind die Betriebskosten von Elektromotoren etwa ein Drittel niedriger. Damit könnten sie langfristig kostengünstiger sein und weniger Wartung erfordern. Doch die höhere Anschaffungskosten für E-Motoren und die Kosten für die nötige Ladeinfrastruktur belasten sowohl Betreiber als auch Endkunden. Ob sich diese finanzielle Investition tatsächlich auszahlt, bleibt offen.

Kostenfalle: Infrastruktur ohne staatliche Unterstützung

Ein weiterer Stolperstein für das Projekt ist die fehlende finanzielle Unterstützung durch das Land Niedersachsen. Während Schleswig-Holstein die Infrastruktur für Elektromobilität in Marinas fördert, bleibt Niedersachsen in dieser Frage bisher passiv. Ohne die öffentliche Förderung steht das Projekt E-MobiSS vor erheblichen Finanzierungslücken. Viele Hafenbetreiber sind zwar grundsätzlich interessiert, aber nur, wenn auch Fördergelder fließen, so Wesemüller. Ein landesseitiges Förderprogramm könnte die Attraktivität des Projekts erhöhen, doch aktuell signalisiert das Wirtschaftsministerium wenig Bereitschaft zur Unterstützung. „Wir begrüßen die geplante Elektrifizierung der Freizeitschifffahrt an der niedersächsischen Küste, weil dies ein weiterer innovativer Schritt zu mehr Klimaschutz ist“, so ein Sprecher des Ministeriums. Doch konkrete Maßnahmen zur Unterstützung gibt es bislang nicht.


Europäische Nachbarn als Vorbilder?

Initiatoren verweisen auf europäische Nachbarn wie Schweden und Norwegen, wo die Elektromobilität auf dem Wasser angeblich bereits weiter fortgeschritten ist. Tatsächlich sollen zwischen Göteborg und Kristiansand über 400 Ladepunkte für Elektroboote entstehen. Doch ob diese Beispiele 1:1 auf das Wattenmeer übertragbar sind, ist fraglich. In Skandinavien wird die Infrastruktur auch für den kommerziellen Fährverkehr genutzt, was die Nachfrage und Rentabilität erheblich steigert. Der Bedarf im Wattenmeer beschränkt sich jedoch hauptsächlich auf die Freizeitschifffahrt. Die Nutzungsintensität bleibt in Norddeutschland deutlich geringer, was die wirtschaftliche Rentabilität fragwürdig erscheinen lässt.

Es bleibt fraglich, ob ein flächendeckendes Ladenetz wirklich klimaneutral umgesetzt werden kann. Denn auch die Versorgung der Ladesäulen mit Strom muss gesichert sein. Dabei ist die Verfügbarkeit von grünem Strom nicht durchgehend gewährleistet. Ebenso stehen technische Herausforderungen im Raum, die das Projekt komplizieren könnten. Ob sich die Investition in eine Infrastruktur mit unsicherer Rentabilität lohnt, ist noch offen. Es ist möglich, dass das Vorhaben, das Wattenmeer klimaneutral zu machen, an diesen praktischen Grenzen scheitern könnte.

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