Deutsche Autohersteller denken über ihre Präsenz in Deutschland nach: „Bereits ein kleiner Anstieg im Strompreis führt zu enormen Mehrkosten von 100 Millionen Euro pro Cent bei der Batterieproduktion“ (NZZ: 20.08.23).
Warum deutsche Autohersteller verstärkt über neue Standorte nachdenken
Große Industrieunternehmen wie die deutschen Automobilhersteller sind weltweit aktiv. Sie müssen dort produzieren, wo die Bedingungen optimal sind. In Deutschland wird dieser Ort immer seltener gefunden. Viele Führungskräfte schlagen Alarm angesichts dieser Entwicklung. Hohe Energiekosten, umfangreiche Bürokratie und strenge Regulierungen, zusammen mit einem wachsenden Mangel an Arbeitskräften und Fachleuten, stellen für Unternehmen in Deutschland zahlreiche Hindernisse dar, die ihr Wachstum einschränken.
Während in den USA Maßnahmen ergriffen werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, werden in Deutschland immer mehr Beschränkungen auferlegt. Dies hat auch einen starken Einfluss auf die Automobilindustrie, die eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft spielt. Die Manager dieser Unternehmen machen sich daher große Gedanken und überlegen zunehmend, neue Produktionsstätten an anderen Orten zu errichten.
Batterieproduktion und hohe Kosten treiben Suche nach neuen Standorten an
Porsche ist ein gutes Beispiel für diese Herausforderungen. Der Hersteller von Sportwagen plant den Aufbau einer eigenen Batteriezellenproduktion. Nach einem erfolgreichen Testlauf mit einer Pilotanlage bei Reutlingen sucht das Unternehmen nun nach einem Ort für eine Fabrik mit bis zu 20 Gigawattstunden Produktionskapazität. Hier könnten Batterien für 150.000 bis 200.000 Elektrofahrzeuge hergestellt werden.
Porsche hat einen regelrechten Schönheitswettbewerb zwischen Europa, den USA und eventuell sogar Kanada für die Standortwahl ausgerufen. Letztendlich will Porsche dorthin gehen, wo die besten Bedingungen für die Produktion geboten werden. Für Deutschland bedeutet das wohl eine ungünstige Perspektive.
Finanzchef Lutz Meschke hatte auf der jüngsten Halbjahrespressekonferenz betont, dass bereits ein Unterschied von einem Cent im Strompreis etwa 100 Millionen Euro geringere jährliche Kosten für die energieintensive Batterieproduktion bedeuten würde. Meschke bezog sich jedoch nicht auf die geplante Batteriefabrik von Porsche, sondern auf mehrere Batteriewerke im VW-Konzern. In Deutschland sind die Stromkosten jedoch so hoch wie fast nirgendwo auf der Welt. Im Vergleich dazu sind die Energiekosten in den USA erheblich niedriger. Dort lockt der Inflation Reduction Act (IRA) bestimmte Industrien und Unternehmen gezielt mit kostengünstigen Produktionsbedingungen.
Oliver Zipse, der CEO des BMW-Konzerns, teilt eine ähnlich kritische Sicht auf die Lage in Deutschland, wie er bei der Präsentation der Halbjahresergebnisse deutlich gemacht hat. Er sieht eine schleichende Deindustrialisierung. Besonders im verarbeitenden Gewerbe nehmen die Insolvenzen, insbesondere bei mittelständischen Unternehmen, immer mehr zu. Zipse führt diese Entwicklung auf das oben beschriebene zunehmend unwirtliche Umfeld zurück, das Unternehmen vor Herausforderungen stellt.
Subventionen und der Wandel zur Elektromobilität
Die Bewertung bei Mercedes-Benz ist leicht optimistischer. Konzernleiter Ola Källenius unterstrich vor Kurzem die Bedeutung der Standorte Deutschland und Europa. Hier werden etwa ein Drittel der Fahrzeuge von Mercedes verkauft, zwei Drittel der Arbeitskräfte beschäftigt und ein großer Teil der Investitionen getätigt. Die Hervorhebung der Wichtigkeit des Heimatlandes ist jedoch üblich in der Kommunikation der Automobilunternehmen.
Källenius wies auch auf die hohen Kostenfaktoren bei der Produktion im Bereich zwischen Nordsee und Alpen hin, vor allem im Zusammenhang mit Energie. Deutschland und Europa benötigen wettbewerbsfähige Bedingungen. Wenn keine Veränderungen stattfinden, so die unausgesprochene Nachricht aus der Branche, wird der Standort darunter leiden.
Die Konzerne setzen deutlich auf Steuererleichterungen und Subventionen. Zum Beispiel schlägt Porsche vor, die Steuervorteile für Dieselfahrzeuge abzuschaffen und stattdessen die Einführung von Elektromobilität intensiver zu fördern. Hierzu gehören nach Porsches Strategie auch synthetische Kraftstoffe, bekannt als E-Fuels. Diese spielen in Porsches Plan im Vergleich zu anderen Autobauern eine besonders wichtige Rolle.
Zipse, der bei BMW generell einen offenen Ansatz für Technologien verfolgt, verteidigt hingegen die Subventionierung von Dieselautos und setzt sich auch für Fortführung der Förderungen für Elektrofahrzeuge ein. Aus ökologischer Perspektive ist es im Allgemeinen sinnvoll, neue Technologien im Vergleich zu alten zu unterstützen. Hierbei meint er wahrscheinlich, dass neue Motoren in der Regel weniger Schadstoffe ausstoßen als alte Aggregate.
In den letzten Jahren haben die deutschen Autohersteller trotz Pandemie, Problemen in den Lieferketten und geopolitischen Spannungen erhebliche Gewinne erzielt. Die Aussichten für dieses und nächstes Jahr sind ebenfalls recht positiv. Aber der allmähliche Übergang von Verbrennungsmotoren zu Elektroautos und Plug-in-Hybriden stellt die Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Sowohl Porsche als auch Mercedes-Benz mussten bereits einige Zwischenziele für den Elektroautoverkauf aus verschiedenen Gründen anpassen.
Warum deutsche Autohersteller auf dem chinesischen Elektroautomarkt kämpfen
Besonders auf dem bedeutenden chinesischen Markt, wo Elektrofahrzeuge bereits eine große Bedeutung haben, könnten die deutschen Automobilhersteller ins Hintertreffen geraten. BMW, Mercedes und Porsche sind zwar im Bereich der Luxusfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gut etabliert, aber der Verkauf von Elektroautos ist begrenzt. Elektroautos erleben derzeit vor allem in den niedrigeren und mittleren Preisklassen einen Boom, was hauptsächlich den Volkswagen-Konzern beeinträchtigt. Infolgedessen gaben die Wolfsburger kürzlich bekannt, dass sie Plattformen der chinesischen Hersteller Xpeng und SAIC nutzen werden. Offensichtlich sehen sie darin eine Möglichkeit, die aktuellen Herausforderungen kurzfristig zu bewältigen.
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