Atomkraft in der EU

Der deutsche Atomausstieg steht fest. Eine Umkehr wird es mit der Ampelkoalition auch nach der neuen Einstufung der EU-Kommission nicht geben. Doch wie reagiert man in den anderen Staaten zur Atomkraft in der EU. Wir geben einen Überblick zu aktuellen Situation.


Frankreich

Frankreich betreibt aktuell 56 Atomreaktoren und erzeugt damit 70 Prozent seines Strombedarfs. Viele der französischen Kernkraftwerke sind bereits Jahrzehnte alt. Deshalb wollte auch Präsident Emmanuel Macron anfangs seiner Präsidentschaft aus der Kernenergie aussteigen und wie Deutschland erneuerbare Energien mit Wind- und Solarkraft ausbauen. Mit der aktuellen Energiekrise setzt Macron jetzt aber wider auf die Kernenergie. Die französische Regierung will neue Reaktoren bauen und neu modulare Minireaktoren für eine autarke Stromversorgung fördern.

52 Prozent der Franzosen sprachen sich bei einer Umfrage für die Nutzung der Kernkraft aus. Das ist auch auf die derzeit gestiegenen Strompreise zurückzuführen. Der Stromnetzbetreiber RTE hat den Strompreise für 2 Szenarien bis zum Jahr 2050 ermittelt. Szenario1 geht von einer Stromversorgung durch100 Prozent erneuerbare Energien aus. Im Szenario 2 soll die Stromversorgung zu je zu 50 Prozent aus Atomkraft und erneuerbare Energien erfolgen. Die für das Jahr 2050 ermittelten Stromkosten lagen im Szenario 1 um mehr als einem Drittel höher als im Szenario 2.

Atomkraft in der EU. Eine große Mehrheit der europäischen Staaten setzt auf die Nutzung der Atomkraft. Deutschland geht einen Sonderweg
Atomkraft in der EU. Eine große Mehrheit der europäischen Staaten setzt auf die Nutzung der Atomkraft. Deutschland geht einen Sonderweg

Belgien

Die belgische Regierung hat den Atomausstieg bis zum Jahr 2025 bereits vor mehreren Jahren beschlossen. Belgien erzeugt 40 Prozent des benötigten Stroms durch Atomkraftwerke. Mit der Energiekrise hat die Regierung den Ausstieg jetzt allerdings unter den Vorbehalt gestellt, dass die Versorgungssicherheit sicher gestellt ist.

Belgien betreibt insgesamt sieben Atomreaktoren, deren Abschaltung bereits eingeleitet ist. Deshalb lehnt auch der Betreiber Engie eine längere Laufzeit ab. Die Regierung drängt aber darauf mindestens die Laufzeit von zwei Reaktoren wieder zu verlängern. Als Argument führt sie dazu die CO2-freie Stromproduktion und den gestiegenen Strompreis an. Eine Entscheidung für die Verlängerung der Laufzeit soll im Frühjahr 2022 fallen.


Niederlande

Die Niederlanden wollen ab jetzt die Atomkraft wieder stärker fördern. Die neue Koalitionsregierung hat die Kernkraft wieder in den Mittelpunkt ihrer Klima- und Energiepolitik gestellt. Bis 2025 sind deshalb rund 500 Millionen Euro für den Neubau von Kernkraftwerken vorgesehen.

„Atomenergie kann sowohl Solar-, als auch Wind- und Geothermie im Energiemix ergänzen und man kann sie zur Wasserstofferzeugung nutzen“, heißt es in einem Dokument der Regierung. „Das macht uns auch weniger abhängig von Gasimporten.“ Dementsprechend kündigte die Regierung an, das Ziel des Baus neuer Atomkraftwerke finanziell zu unterstützen. Dafür sieht sie 50 Millionen Euro im Jahr 2023, 200 Millionen Euro im Jahr 2024 und 250 Millionen Euro im Jahr 2025 vor. Die kumulierte Förderung für neue Atomkraftwerke wird somit, laut World Nuclear News, bis 2030 etwa 5 Milliarden Euro betragen.

Italien

Italien hat bereits 1990 seinen einzigen Atomreaktor abgeschaltet. Jetzt kommt auch in Italien die Diskussion zum Bau neuer Atomkraftwerke wieder auf.

Dabei hat sich Umweltminister Roberto Cingolani für eine offene Diskussion bezüglich Atomkraft ausgesprochen. Italiener sollten darüber nachdenken, wenn kleinere und sicherere Reaktoren mit weniger radioaktiven Abfällen und Kosten serienreif seien.

Italien produziert seinen Strom nur zu einem sehr geringen Teil aus erneuerbaren Energien und importiert gut 5 Prozent seines Stroms als Atomstrom aus Frankreich.


Finnland und Schweden

Sowohl Schweden als auch Finnland setzen bei der Stromerzeugung auf Atomkraft. Dabei erzeugt Schweden 30 Prozent seines benötigten Stroms in den 3 Kernkraftwerken Ringhals, Forsmark und Oskarshamn. Die schwedischen Reaktoren sollen noch bis 2040 am Netz bleiben. Der Parlamentsbeschluss zum Atomausstieg wurde zurückgenommen.

Finnland baut die Atomkraft weiter aus. Aktuell produzieren die finnischen Atomkraftwerke 28 Prozent des benötigten Stroms. Das neue Atomkraftwerk Olkiluoto ist gerade erst in Betrieb gegangen. Der Bau eines weiteren neuen Atomkraftwerks ist bis zum Jahr 2028 bereits geplant. Finnland ist auch dabei ein Endlager für den finnischen Atommüll fertig zu stellen. Das Endlager soll Mitte der 2020erJahre seinen Betrieb aufnehmen.

Tschechien

68 Prozent der Tschechen befürwortet die Nutzung der Kernkraft. In Tschechien ist es deshalb weniger eine Frage ob man neue Kernkraftwerke baut, als eine Frage wer sie bauen soll.

In Tschechien erzeugen sechs sowjetische Reaktoren 40 Prozent des Stroms. 41 Prozent der Stromerzeugung stammen aus der Kohleverstromung. Die Kohlekraftwerke sollen bis 2038 vollständig durch neue Atomkraftwerke ersetzt werden und danach auch ddie alten Atomreaktoren. Zur Zeit streitet man sich in der Regierung welche Technik eingesetzt werden soll. China und Russland hat man aus Sicherheitsgründen als Lieferant ausgeschlossen. Frankreich, Südkorea und Amerika sind aktuell die möglichen Lieferanten.


Osteuropa

Im gesamten Osten Europas ist die Nutzung der Kernenergie in der Gesellschaft mehrheitlich gesellschaftlich akzeptiert. Deshalb stehen auch die osteuropäischen Staaten voll und ganz hinter der EU-Einstufung der Atomkraft. Bulgarien und Rumänien verfügen über jeweils 2 Reaktoren, in Ungarn und der Slowakei sind jeweils 4 in Betrieb und Slowenien betreibt ein Kernkraftwerk zusammen mit Kroatien.

Der rumänische Staatsbetrieb Nuclearelectrica hat bereits mit der amerikanischen Nuscale Power den Bau eines aus 6 Minireaktoren bestehenden 462-Megawatt-Kernkraftwerks geplant. In Polen debattiert man aktuell über den Bau des ersten Kernkraftwerks.

Großbritannien

Großbritannien gehört zwar nicht mehr zur EU, trotzdem wollen wir hier die Pläne aufzeigen. In Großbritannien sind mehr als ein Dutzend Atomreaktoren im Betrieb. Diese erzeugen 17 Prozent des auf der Insel benötigten Stroms. Die Regierung von Boris Johnson setzt auch in Zukunft weiter auf Kernenergie. Johnson sieht das Ziel CO2-Netto-Null bis 2050 ohne Kernenergie als nicht erreichbar an.

Deshalb sollen alte Reaktoren im laufe dieses Jahrzehnts abgeschaltet und durch neue ersetzt werden. Zur Zeit wird in Großbritannien das Atomkraftwerk Hinkley Point C mit 3,2 Gigawatt Leistung gebaut. Mit dem Druckwasserreaktor Sizewell C ist ein weiteres Kernkraftwerk bereits in Planung.


Die Regierung erwägt allerdings auch die derzeit von Rolls-Royce entwickelten Klein-AKWs („Small Modular Reactors“) in größerem Umfang zu bauen. Die Kernenergie ist in der britischen Bevölkerung akzeptiert und wird sowohl von den Konservativen als auch der Labour-Partei unterstützt. Eine Antiatombewegung gibt es in Großbritannien so gut wie nicht.

Gegner der Atomkraft in der EU

Die entschiedenen Gegner der Kernkraft sind in der EU in einer Minderheit. Dazu gehören in erster Linie Deutschland, Österreich, Spanien und Luxembourg. Letztendlich gehörte auch Belgien zu den Gegnern, jetzt diskutiert man dort aber wieder über die Nutzung der Atomkraft

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