Wirtschaftliche Bedenken: Grüne verlieren Unterstützung von Unternehmen

Nach dem Parteitag der Grünen hat sich das Ansehen der Partei in der Wirtschaft weiter verschlechtert. Es gibt vor allem zwei Hauptkritikpunkte. Nachdem Robert Habeck bei der Veranstaltung in Karlsruhe gesprochen hat, sind nicht nur die Parteimitglieder gespannt. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer erwarten von dem Minister ein Zeichen dafür, was sie von der Ampelkoalition, insbesondere den Grünen, nach den jüngsten chaotischen Tagen erwarten können (Handelsblatt: 23.11.23).


Grüne: Vom Verbündeten der Wirtschaft zur Unsicherheit – Misslungene Energiepolitik und Sorgen um Industriestandort

Die Partei hatte sich lange als Unterstützerin der Industrie und ihrer Bemühungen, klimaneutral zu werden, präsentiert. Grünen-Chefin Ricarda Lang beschrieb ihre Partei als „neue Partei für die Wirtschaft“. Der Verzicht auf russisches Gas zur Sicherung der Energieversorgung wurde als großer Erfolg angesehen.

Grüne: Vom Verbündeten der Wirtschaft zur Unsicherheit – Misslungene Energiepolitik und Sorgen um Industriestandort bei Unternehmen
Grüne: Vom Verbündeten der Wirtschaft zur Unsicherheit – Misslungene Energiepolitik und Sorgen um Industriestandort bei Unternehmen
(Photo by John MACDOUGALL / AFP)

Allerdings droht diese Annäherung nach dem Parteitag aufgrund einer missglückten Energiepolitik, Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zusammenbruchs des Industriestandorts und eines kritischen Haushaltsurteils aus Karlsruhe zu scheitern. Die Wirtschaft betrachtet die Regierung nun mit noch mehr Erstaunen. Selbst die Grüne Wirtschaftsvereinigung, eine parteinahe Interessenvertretung von Unternehmen, macht hier keine Ausnahme.

Die Vorstandsvorsitzende Heike Discher äußerte nach dem Parteitag ihre Sorge gegenüber dem Handelsblatt: „Viele schauen derzeit mit Sorge auf die gesamte Bundesregierung.“ Das Zusammenspiel der Koalitionspartner funktioniere in „wichtigen Angelegenheiten nicht reibungslos“.

Finanzielle Herausforderungen und Ideologiekritik: Die Debatte um grüne Politik und die Wirtschaft

Das Urteil aus Karlsruhe verschärfe die Situation, da die Finanzierung entscheidender Programme in Gefahr sei. Im Haushalt fehlen mindestens 60 Milliarden Euro. Es ist nach dem Parteitag noch völlig unklar, woher das Geld kommen soll und ob Investitionen in Klimaprojekte gekürzt werden müssen.

Um den Wärmesektor CO₂-neutral zu gestalten, empfiehlt Reimann, auf den EU-weiten CO₂-Emissionshandel mit einem abnehmenden CO₂-Grenzwert zu setzen, anstatt neue Vorschriften im Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu erlassen. Er sagt: „Es war nicht klug, grüne Ideologie im Eiltempo durchsetzen zu wollen.“ Es ist wichtig, den Menschen nicht das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich überholen müssen.

Dieser Vorwurf der ideologischen Vorgehensweise wird oft von Unternehmern gehört. Christian Schwarz, Gesellschafter und Beiratsmitglied der Zschimmer & Schwarz Gruppe in Lahnstein, warnt ebenfalls davor, dass Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte den Standort verlassen könnten. Laut einer Umfrage des Verbands der Familienunternehmer würden immerhin die Hälfte der Befragten nicht mehr in Deutschland investieren wollen.


Strompreise, Atomkraft und Klimaziele: Die Debatte über grüne Energiepolitik

Schwarz kann nicht nachvollziehen, warum die Grünen bei den hohen Strompreisen „verfügbare Energiequellen abschalten“, insbesondere die Atomkraftwerke. Dies führt dazu, dass der Standort allmählich austrocknet, und die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichts verschärft das Problem erheblich.

Eine weitere Kritik betrifft die Klima- und Energiepolitik. Trotzdem genießen ambitionierte Klimaschutzziele, insbesondere bei großen Industrieunternehmen, weiterhin große Unterstützung. Die Botschaft der grünen Transformation ist dort längst angekommen, und die Wirtschaft hat bereits Milliarden investiert. Auch unter Start-ups sind die Grünen äußerst beliebt und führen laut dem Start-up-Monitor die Liste der bevorzugten Parteien an. Es ist jedoch eine weit verbreitete Überzeugung, dass die Klimaschutzziele so hoch gesteckt sind, dass ihnen die ökonomische Grundlage fehlt.

Ein Verband betont, dass alle Maßnahmen gut durchdacht, geplant und kommuniziert werden müssen, vornehmlich in Bezug auf das Heizungsgesetz. Überstürztes Handeln ist kontraproduktiv und führt nicht zu einem Beschleunigungseffekt, sondern eher zu einem Verlust des Vertrauens. Dies kann Investitionen bremsen oder stoppen.

Klimafreundliche Politik im Fokus: Mittelständler und Experten äußern Bedenken

Auch in Gesprächen mit Mittelständlern zeigt sich keine generelle Ablehnung gegenüber klimafreundlicher Politik. Paul Niederstein, Inhaber der ältesten Familienfirma Deutschlands, The Coatinc Company, äußert jedoch Bedenken zur Umsetzung. Er betont, dass die Grundstoffindustrie in Deutschland mit mehr Pragmatismus gestärkt und umweltfreundlichere Produkte für die Energiewende herstellen könnte.

Christina Diem-Puello, Geschäftsführerin von Deutsche Dienstrad, einem Unternehmen für Fahrrad-Leasing, sieht die Grünen mit den aktuellen Krisen überfordert. Sie betont die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit, fordert jedoch mehr Realismus. Diem-Puello weist darauf hin, dass die Umstellung auf E-Autos viele Jahre dauern wird und dass die Pläne für ein Bürgergeld Ängste in der Gesellschaft schüren. Sie fragt nach Lösungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Unterstützung von Gründern.

Niederstein schlägt vor, Unternehmensgewinne, die in Deutschland oder Europa reinvestiert oder in grüne Energieträger umgewandelt werden, steuerlich zu begünstigen. Er glaubt, dass die Wirtschaft von selbst transformieren würde, um die Klimaziele zu erreichen, ohne Förderungen oder bürokratische Regulierungen.

Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), bezeichnet die Wirtschaftspolitik der Grünen als äußerst pragmatisch. Er lobt ihre Bemühungen, die Energieversorgung Deutschlands während der Energiekrise nach der russischen Invasion in der Ukraine zu sichern. Dennoch kritisiert er das Vorgehen bei einigen Klimaschutzprojekten und betont die Notwendigkeit, soziale Auswirkungen und Ungleichheiten stärker zu berücksichtigen.

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