Welche Auswirkungen werden sich ändernde Trends bei regionalen Windgeschwindigkeiten auf die Zukunft der Windenergie haben? Sehr groß, wenn man bedenkt, dass eine kleine Änderung der Windgeschwindigkeit einen großen Einfluss auf die Leistungsabgabe einer Windkraftanlage hat. Denn diese hängt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit zusammen.
Windparks der Scottish and Southern Energie erzeugten letztes Jahr 32 Prozent weniger Strom
Hannah Bloomfield von der University of Bristol befasst sich zunächst mit der im Jahr 2021 in Europa erlebten „Winddürre“. Diese hat bei der Scottish and Southern Energy zu einem Stromrückgang von 32 % bei den installierten Windkraftanlagen geführt.
Im Sommer und Frühherbst 2021 erlebte Europa eine lange Zeit trockener Bedingungen und geringer Windgeschwindigkeiten. Der fehlende Wind kann ein ernstes Problem sein, wenn wir überlegen, woher unser Strom kommen könnte.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss eine schnelle Umstellung unserer Energiesysteme von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien erfolgen. Diese basieren in erster Linie auf Wind, Sonne und Wasserkraft. Diese Umstellung macht unsere Energiesysteme zunehmend empfindlicher gegenüber Wetter- und Klimaschwankungen und den möglichen Auswirkungen des Klimawandels.
Windflauten lösen Unruhe bei Energiekonzernen aus
Diese Zeit des ruhigen Wetters beeinträchtigte die Winderzeugung stark. Dies zeigt nicht nur der Rückgang der Stromerzeugung aus Windkraft bei der Scottish and Southern Energy. Auch in Deutschland ging der Ertrag der erneuerbaren Energien im Jahr 2021 deutlich zurück. Die Windparkbetreiber sind sich bewusst, dass diese „Ereignisse“ mit schwachem Wind auch in den kommenden Jahren möglich sind. Das Verständnis ihrer Auswirkungen ist deshalb auch zu einem heißen Thema in der energiemeteorologischen Forschung geworden.
Haben wir es mit einer neuen Art von Extremwetter zu tun? Sollten wir uns also Sorgen um diese Zeit mit schwachem Wind machen? Es ist vielleicht nicht die traditionelle Definition von Extremwetter, wie eine große Flut oder ein Hurrikan. Aber diese Perioden, die in der Energiemeteorologie als „Winddürren“ bekannt sind, werden immer wichtiger. Denn ohne Wind können wir unsere Stromversorgung bei der heutigen Umsetzung der Energiewende nicht mehr zuverlässig betreiben.
Jüngste Forschungsergebnisse an der University of Reading haben aufgezeigt, wie wichtig es ist, die Schwankungen der Windenergie von Jahr zu Jahr zu berücksichtigen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Perioden mit stagnierendem Atmosphärenhochdruck über Mitteleuropa zu anhaltenden Windschwächen führen. Diese könnten in Zukunft den Ertrag der Windenergie negativ beeinflussen.
Der Klimawandel könnte eine wichtige Rolle spielen. Die aktuellen Klimamodelle konzentrieren sich in der Regel viel mehr auf Temperatur- und Niederschlagsänderungen als auf mögliche Schwankungen der bodennahen Windgeschwindigkeit. Die Veränderung der Windgeschwindigkeiten ist aber für ein Energiesystem, das stark auf Windkraft angewiesen ist, von existentieller Bedeutung.
IPCC Bericht geht davon aus dass Windgeschwindigkeiten um 8 bis 10% zurückgehen werden
Der jüngste IPCC-Bericht geht davon aus, dass die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in Europa infolge des Klimawandels um 8 bis 10 % abnehmen werden. Allerdings ist die Windgeschwindigkeitsprojektionen in den Klimamodellen im Vergleich zu denen für oberflächennahe Temperaturen ziemlich unsicher. Außerdem zeigen verschiedene Modellsimulationen ein gegensätzliches Verhalten.
Hannah Bloomfield hat mit ihren Kollegen analysiert, wie sich die Windgeschwindigkeiten über Europa gemäß der sechs verschiedenen Klimamodellen ändern würden. Einige zeigten, dass die Windgeschwindigkeiten zunahmen, wenn die Temperaturen wärmer wurden, und andere zeigten Abnahmen. Dies genauer zu verstehen, ist ein fortlaufendes Thema der wissenschaftlichen Forschung. Dabei sollte man sich stets erinnern, dass bereits kleine Änderungen in der Windgeschwindigkeit zu größeren Änderungen in der Stromerzeugung führen können, Denn die Leistungsabgabe einer Windkraftanlage hängt in der dritten Potenz von der Windgeschwindigkeit ab. Damit sinkt der Ertrag von Windkraftanlagen schon bei geringer Abnahme der Windgeschwindigkeiten beträchtlich.
Der Rückgang der bodennahen Windgeschwindigkeiten im Jahr 2021 könnten auf ein Phänomen zurückzuführen sein, das die Wissenschaft als „global stilling“ bezeichnet. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sich die kalte Arktis schneller erwärmt als die äquatorialen Regionen. Dadurch ergibt sich ein geringerer Temperaturunterschied zwischen heißen und kalten Gebieten. Dieser Temperaturunterschied treibt großflächige Winde rund um den Globus durch ein Phänomen an, das als thermisches Windgleichgewicht bezeichnet wird.
Die Winddürre im Jahr 2021 sollte eine Warnung sein, dass Windkraft nicht die einzige Investition zur Sicherstellung unserer Energieversorgung sein sollte. Das Jahr 2021 hat gezeigt, wie variabel diese Form der Erzeugung sein kann. Die Kombination von Wind mit anderen erneuerbaren Ressourcen wie Sonne, Wasserkraft und die Fähigkeit, unseren Strombedarf intelligent zu steuern, wird in Zeiten, in denen der Wind nicht weht, von entscheidender Bedeutung sein.