Die Weltbank hebt ihr jahrzehntelanges Finanzierungsverbot für Atomkraft auf. Vor allem die USA und Schwellenländer hatten auf diesen Schritt gedrängt. Mit der Entscheidung rückt die Kernenergie wieder ins Zentrum der globalen Entwicklungspolitik – als Reaktion auf wachsenden Strombedarf und geopolitische Spannungen (ft: 12.06.25).
Weltbank öffnet sich für nukleare Energieprojekte
Die Weltbank will künftig Projekte zur Laufzeitverlängerung bestehender Reaktoren, zur Netzmodernisierung und zur Förderung kleiner modularer Reaktoren (SMRs) finanzieren. Präsident Ajay Banga kündigte die Kehrtwende nach Beratungen mit dem Aufsichtsrat an. Die Bank werde eng mit der IAEA zusammenarbeiten, um Sicherheitsstandards und Regulierungen zu gewährleisten.

Die neue Linie orientiert sich an den stark steigenden Elektrizitätsbedarfen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bis 2035 könnte sich der Stromverbrauch in diesen Regionen mehr als verdoppeln. Um diese Nachfrage zu decken, sind jährlich Investitionen von über 600 Milliarden US-Dollar notwendig – mehr als doppelt so viel wie bisher.
USA und Schwellenländer treiben Atomkraft voran
Die USA hatten als größter Anteilseigner der Weltbank maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung. Seit Jahren plädiert Washington für eine stärkere Einbindung von Atomkraft in die Entwicklungsstrategie multilateraler Institutionen. Auch geopolitische Erwägungen spielen eine Rolle: Die USA wollen westlichen Reaktorherstellern Wettbewerbsvorteile gegenüber China und Russland verschaffen.
Schwellenländer sehen in der Kernkraft vor allem eine stabile Grundlastquelle für ihre wachsenden Städte und Industrien. Staaten wie Bangladesch, Brasilien oder Ghana drängen auf Technologiezugang – unabhängig von fossilen Brennstoffen. Die Aufhebung des Finanzierungsverbots wird dort als strategische Chance verstanden.
Ausbau von Netzen und SMRs im Fokus
Neben der Reaktortechnik soll die Weltbank auch den Ausbau moderner Stromnetze fördern. Ziel ist es, neue Energiequellen – ob nuklear oder erneuerbar – sicher in bestehende Infrastrukturen einzubinden. Vor allem in Afrika, Südostasien und Lateinamerika sind große Investitionslücken zu schließen.
Im Zentrum steht zudem die Förderung kleiner modularer Reaktoren (SMRs), die als kostengünstig, flexibel und sicher gelten. Sie könnten in Regionen zum Einsatz kommen, in denen Großreaktoren wirtschaftlich oder politisch nicht umsetzbar sind. Kritiker befürchten allerdings, dass SMR-Projekte erneuerbare Energien verdrängen könnten.
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