Wirtschaftsminister Habeck will für kleinere Wasserkraftwerke die Förderung streichen und Umweltministerin Lemke fordert sogar deren Rückbau (Blackout-News: 27.04.23). Nach dem Atom- und Kohleausstieg kommt jetzt die Einschränkung der Stromerzeugung durch Wasserkraftwerke, obwohl diese absolut grünen Strom erzeugen (Focus: 08.05.23).
Das Potenzial der Wasserkraftwerke in Deutschland ist noch lange nicht ausgeschöpft – Modernisierung als Schlüssel zum Erfolg
Wasserkraft gilt als eine verlässliche, lange erprobte und in großen Mengen vorhandene Ressource auf dem Weg zur Energiewende. In Deutschland tragen etwa 7.600 Wasserkraftanlagen dazu bei, etwa 21.755 Gigawattstunden Strom zu produzieren, was knapp 3,6 Prozent unseres Stromverbrauchs ausmacht. Laut Helge Beyer, dem Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V. und selbst Betreiber von zwei kleinen Wasserkraftwerken, ist das Potenzial der Wasserkraft in Deutschland jedoch noch lange nicht ausgeschöpft.
Laut dem Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e. V. ist die Modernisierung der Schlüssel zum Erfolg. Viele Querbauwerke in deutschen Flüssen seien ohnehin vorhanden und wären für die Stromerzeugung nutzbar. Viele dieser Bauten stammen noch aus den zahlreichen Wasserkraftwerken des letzten Jahrhunderts, von denen heute noch etwa 7.600 Anlagen übrig sind. Der Rückbau dieser Anlagen hat jedoch viele Querbauten entfernt. Der Geschäftsführer des BDW glaubt jedoch, dass es durch Nachrüstung möglich ist, das Erzeugungspotenzial zu steigern.
Besonders für kleine und mittlere Wasserkraftwerke, die keine Einspeisevergütung mehr erhalten, sieht Beyer großes Potenzial. Seiner vorläufigen Schätzung zufolge wäre eine Steigerung der Stromerzeugung von 3 TWh jährlich auf fast 12 TWh möglich.
Die begrenzte Rolle der Wasserkraft in Deutschlands Energiewende
Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle hat den Vorteil, dass sie stetig und zuverlässig verfügbar ist und als Grundlaststrom fungieren kann. Im Vergleich zu Windkraft und Solarstrom ist Wasserkraft flexibler in der Einspeisung und nicht von Dunkelflauten betroffen, solange Dürre und Wassermangel keine Einschränkungen verursachen. Dies macht Wasserkraft zu einer wichtigen Ressource auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbaren Energien, so Beyer.
Beyer’s Vision von der Nachrüstung bereits bebauter Flüsse als Schlüssel zur Energiewende weckt Hoffnung. Im Gegensatz dazu argumentiert das Umweltbundesamt (UBA), dass kleinere und mittlere Wasserkraftwerke nicht das Potenzial besitzen, die Energieversorgung im Land signifikant zu verbessern. Laut einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2010 beträgt das verfügbare Potenzial in Deutschland knapp 26 TWh, und eine Steigerung davon um lediglich 1,3 bis 1,4 TWh wäre nach aktuellem Stand möglich. Der Einfluss auf die Energiewende wäre demnach eher gering, was auch ein Sprecher des UBA bestätigt, indem er darauf hinweist, dass das noch zu erschließende Potenzial gerade einmal 0,26 % des Bedarfs decken würde.
Wasserkraft als dezentrale Energiequelle: Vorteile und Potenzial
Die Politik scheint wenig Vertrauen in die Wasserkraft als ausbaufähige Energiequelle zu haben. Während der EEG-Novelle von Wirtschaftsminister Habeck (B90/Grüne) sollten die Förderungen für alle Wasserkraftwerke mit weniger als 0,5 Megawatt Leistung entfallen. Allerdings gab es starke Proteste von Lobbyvertretern aus Baden-Württemberg und Bayern. Die Wasserkraftwerke in diesen beiden Bundesländern erzeugen den Großteil des Hydrostroms in Deutschland. Schließlich nahm Habeck diese Regelung zurück.
Die Stromerzeugung durch Wasserkraft mag Einfluss auf die Energiewende haben, aber auf lokaler Ebene kann sie jedoch eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere für Kommunen, die CO₂-neutral werden möchten. Beye betont die Vorteile dezentraler Wasserkraftnutzung: „Wir speisen lokal in Niederspannungsnetze ein und können somit die Netze entlasten. Wir können die Leistung vor Ort bereitstellen.“ Das UBA plädiert ebenfalls dafür, Wasserkraft lokal zu nutzen, um den Stromverbrauch je nach Bedarf direkt vor Ort decken zu können. Aus diesem Grund sind etwa 80 % aller Anlagen in Deutschland kleine Wasserkraftanlagen, die vor Ort Strom erzeugen und direkt den lokalen Bedarf decken. Ein Beispiel dafür sind die 14 kleinen Kraftwerke in München, die die Bäche der Stadt zur Energiegewinnung nutzen und in das lokale Stromnetz der Stadtwerke einspeisen.
Die Herausforderungen der Wasserkraft: Konflikt zwischen Klima- und Umweltschutz
Bestehende Wasserkraftanlagen an Flüssen und Gewässern wurden über Jahrzehnte zurückgebaut und die Vorlaufkosten für Neubauten und Modernisierungen sind hoch. Auch Umweltministerin Steffi Lemke (B90/Grüne) plant, im Rahmen ihrer nationalen Wasserstrategie die Anzahl von Wasserkraftanlagen zu reduzieren.
Wasserkraftwerke befinden sich im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Umweltschutz. Der Nutzen aus Wasserkraft, also die CO₂-neutrale Stromerzeugung, muss immer gegen die ökologischen Schäden abgewogen werden, die beispielsweise die Fischmortalität beeinflussen. Dies erfordert ein strenges Kosten-Nutzen-Kalkül, bei dem viele der kleineren Wasserkraftwerke nicht gut abschneiden. Die Bundesregierung schätzt, dass mehr als ein Drittel der kleinen Wasserkraftanlagen, die rund 80 Prozent aller Anlagen in Deutschland ausmachen, mehr Schaden verursachen als Nutzen und Ertrag bringen.
Umweltschutz vs. Klimaschutz: Wasserkraftanlagen in der Diskussion
Der Zustand von Grund- und Oberflächengewässern sowie der Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen der Still- und Fließgewässer sind Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die in der Nationalen Wasserstrategie verankert sind. Jedoch wird argumentiert, dass Wasserkraftanlagen diesen „guten Zustand“ gefährden, da sie Schäden wie Sedimentgeschiebe, eingeschränkte Selbstreinigungsfähigkeit von Flüssen und drohende Vertrocknung verursachen können. Insbesondere die Fischmortalität wird von Umweltschützern, wie dem BUND Naturschutz, kritisiert. Trotzdem kann laut Umweltbundesamt fast alle kleinen Wasserkraftanlagen mit Fischtreppen ausgestattet werden, um Schäden an Fischen zu minimieren. Auch können Vorrichtungen an den Wasserkraftanlagen selbst dazu beitragen, Schäden an Flüssen zu minimieren, was zum Großteil bereits umgesetzt wurde. Umweltministerin Steffi Lemke hat bereits angekündigt, im Rahmen ihrer nationalen Wasserstrategie die Zahl der Wasserkraftanlagen zu reduzieren, da Wasserkraftwerke in einem Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Umweltschutz stehen.
Wasserkraft und Windkraft: Zwei Maßstäbe in der Umwelt- und Artenschutzdebatte?
Bei der Wasserkraft messen die Regierungsvertreter mit zweierlei Maß. Wenn der Verweis auf den Umwelt- und Artenschutz berechtigt ist, müsste der gleiche Maßstab auch beim Bau von Wind- und Solarparks angelegt werden. Doch bei Windkraftanlagen nimmt man in Kauf, dass sowohl ganze Wälder abgeholzt, als auch Vögel und Insekten getötet werden. Dazu kommen große Flächenversiegelungen durch Fundamente und Zufahrtsstraßen. Bei Wind- und Solarparks findet allerdings keine entsprechende Nutzen-Schadenbetrachtung statt.