Tony Blair warnt Regierungen davor ihre jetzige Klimapolitik weiterzuverfolgen

Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair kritisiert die gegenwärtige Klimapolitik als ineffektiv und realitätsfern. Trotz der weithin anerkannten Tatsache, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird, verlieren viele das Vertrauen in politische Maßnahmen. Blair stellt fest, dass in Industriestaaten der Eindruck herrscht, persönliche Opfer würden verlangt, obwohl deren Einfluss auf die künftigen globalen Emissionen gering ist. Gleichzeitig wendet sich die Entwicklungsländer gegen Einschränkungen, die ihnen den Zugang zu günstiger Energie verwehren – obwohl westliche Länder ihren Wohlstand mit fossilen Brennstoffen aufgebaut haben (instiute.global: 29.04.25).


Globale Widersprüche und politische Blockaden

Blair verweist auf eine Phase nach dem Pariser Klimaabkommen, in der neue Hoffnung auf internationale Zusammenarbeit entstand. Diese wurde jedoch von globalen Krisen wie der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine überschattet. In der Folge kam es zu einer Gegenbewegung, die den gesamten Kurs ins Wanken bringt. Trotz enormer Fortschritte bei erneuerbaren Energien und Effizienzmaßnahmen seien die bestehenden politischen Strategien unzureichend und teilweise sogar kontraproduktiv. Aus Sicht Blairs brauchen wir einen „Wechsel vom Protest zu pragmatischer Politik“.

Großbritanniens ehemaliger Premierminister Blair warnt Regierungen davor,  ihre jetzige Klimapolitik weiterzuverfolgen -sie sei unrealistisch
Großbritanniens ehemaliger Premierminister Blair warnt Regierungen davor, ihre jetzige Klimapolitik weiterzuverfolgen -sie sei unrealistisch

In seiner Analyse hebt Blair hervor, dass politische Verantwortungsträger oft schweigen – obwohl viele wüssten, dass die bisherigen Konzepte nicht funktionieren. Es fehle der Mut, unbequeme Wahrheiten offen anzusprechen. Eine neue Koalition aus technikaffinen Experten, politisch Verantwortlichen und desillusionierten Aktivisten könne die Lösung voranbringen.

Fakten, die der offiziellen Klimapolitik widersprechen

Blair nennt klare Zahlen: Trotz wachsender Nutzung erneuerbarer Energien steigen Produktion und Verbrauch fossiler Energieträger weiter. China baute 2024 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 95 Gigawatt – fast so viel wie ganz Europa derzeit aus Kohle erzeugt. Indien überschritt die Marke von einer Milliarde Tonnen Kohleförderung jährlich. Gleichzeitig prognostiziert Blair eine Verdopplung des Flugverkehrs in den kommenden zwei Jahrzehnten.

Der Bedarf an Zement und Stahl wird laut ihm bis 2050 um 40 bis 50 Prozent steigen. Auch Afrikas Energiebedarf wächst rasant – bei gleichzeitig sinkender Finanzierung grüner Projekte. Dabei, so Blair, sollen bis 2030 fast zwei Drittel der globalen Emissionen aus China, Indien und Südostasien stammen. Das jetzige Konzept, fossile Energien kurzfristig „auszuphase“ oder Konsumverhalten zu begrenzen, hält er für zum Scheitern verurteilt.

Technologie statt Symbolpolitik

Tony Blair fordert eine Neujustierung der Klimastrategie: „Es geht nicht darum, die Dringlichkeit infrage zu stellen – sondern darum, die Strategie zu modernisieren.“ Fortschritte seien nur möglich, wenn neue Technologien in den Fokus rücken. Dazu zählt er unter anderem nachhaltige Flugkraftstoffe, grünen Stahl und emissionsarme Baustoffe. Besonders betont Blair das Potenzial von CO₂-Abscheidung und -Speicherung – bisher technologisch möglich, aber wirtschaftlich nicht tragfähig. Mit gezielter Förderung könnte sich das ändern.

Auch Atomenergie sieht Blair als unverzichtbar. Die Angst vor dieser Technologie hält er für irrational und politisch folgenschwer. Neue Reaktortypen wie modulare Kleinanlagen könnten ein Comeback einleiten – vorausgesetzt, sie werden endlich in nationale Energiestrategien eingebunden. Selbst künstliche Intelligenz nennt er als unterschätzte Lösung, etwa beim intelligenten Management von Energienetzen. Doch auf internationalen Konferenzen finde dieses Thema kaum Beachtung.


Neue politische Formate sind überfällig

Der Klimadiskurs sei zunehmend geprägt von moralischer Überhöhung und Symbolhandlungen, so Blair. Dabei fehlten konkrete Maßnahmen, um technologische Lösungen zu fördern und globale Finanzströme sinnvoll zu lenken. Auch der Ausbau klimafreundlicher Infrastruktur stocke oft an bürokratischen Hürden, die kaum thematisiert werden. Stattdessen werde versucht, individuelles Konsumverhalten zu skandalisieren.

Besonders kritisch sieht Blair die Rolle der jährlichen Weltklimakonferenzen (COP). Diese hätten sich in seiner Wahrnehmung zu ritualisierten Debatten über Begriffe wie „Ausphasen“ oder „Verantwortung“ entwickelt, ohne echten Einfluss auf die Realität. Er fordert ein neues politisches Format: eine kleinere Gruppe entscheidender Nationen müsse konkrete, technologisch fundierte Lösungen erarbeiten, finanzieren und umsetzen. Nur so lasse sich der Abstand zwischen politischem Anspruch und tatsächlichem Fortschritt schließen.

Blairs Analyse endet mit einem Appell: „Die Ziele sind richtig – doch die Mittel müssen endlich zur Realität passen.“ Wer das Klima schützen will, müsse die globale Dimension, wirtschaftliche Interessen und technologische Innovationen zusammen denken. Ein echter Neustart sei überfällig.

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