Die Bundesregierung zahlte für das anstehende Gerichtsverfahren um die gescheiterte PKW-Maut bislang 21,5 Millionen Euro Prozesskosten (Stand: Ende Juni 2022). Das legte nun ZEIT ONLINE offen.
Milliardenschwerer Rechtsstreit
Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte die PKW-Maut auf deutschen Autobahnen gegen den Rat von Experten auf den Weg bringen wollen und war damit gescheitert: Nun fordern die Betreiber (erwartbar) Schadenersatz. Da es um Milliarden geht, wird der Streit darum juristisch ausgefochten. Nach einer Anfrage durch den Bundestagsabgeordneten der Linken Victor Perli wurden hierfür bislang etwa 20 Millionen Euro für Anwalts- und Prozesskosten fällig, weitere 1,5 Millionen Euro musste der Bund an Verwaltungsgerichte zahlen. Konkret geht es um zwei Verfahren vor dem eingesetzten privaten Schiedsgericht und um Verfahren vor Verwaltungsgerichten wegen der Abwehr von Anträgen, die laut Informationsfreiheitsgesetz gestellt wurden.
Die Betreiberfirmen für die Infrastruktur der Maut hatten nach deren Scheitern aufgrund eines EuGH-Urteils im Jahr 2019 vor dem betreffenden privaten Schiedsgericht vom Bund 560 Millionen Euro Schadenersatz verlangt. Das Gericht hatte im März 2022 einen Zwischenschiedsspruch erlassen. Dieser sagt klar aus, dass den Firmen prinzipiell Schadenersatz zusteht. Nun muss über die Höhe verhandelt werden. Die Bundesregierung stellt wiederum Gegenansprüche, die darauf hinauslaufen könnten, den Schadenersatzanspruch zu mindern. Scheuer hatte seinerzeit behauptet, den Firmen stehe gar kein Schadenersatz zu. Dies erwies sich als katastrophale Fehleinschätzung.
Scheitern mit Ansage
Der Fall ging seinerzeit durch die Medien, dennoch hier zur Erinnerung: Minister Scheuer hatte während seiner Amtszeit für die Einführung einer Pkw-Maut Verträge mit mehreren Betreiberfirmen geschlossen, während am EuGH noch ein Verfahren dagegen lief. Kläger waren Anrainerstaaten wie Österreich, die auf eine Ungleichbehandlung ausländischer Autofahrer in Deutschland verwiesen, weil den deutschen Kfz-Haltern die Mautkosten über eine gesenkte Kfz-Steuer erlassen werden sollte. Das widerspricht dem Europarecht und galt Experten von vornherein als kaum durchsetzbar. Sogar einige der Betreiberfirmen warnten nach eigenen Angaben vor voreiligen Vertragsabschlüssen, bevor das anhängige Verfahren beendet ist. Scheuer aber drängte auf diese Verträge, um Fakten zu schaffen. Die Richter am EuGH kippten jedoch erwartbar die deutsche Mautregelung, woraufhin das Verkehrsministerium unter Andreas Scheuer die Verträge kündigen musste. Damit war ein Schaden von voraussichtlich einer halben Milliarde Euro entstanden, der auch aus den zitierten Gerichtskosten besteht.
Ermittlungsverfahren gegen Scheuer
Vor dem eingesetzten Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte Scheuer der Darstellung der Betreiber widersprochen. Da er unter Eid aussagte, leitete nun die Staatsanwaltschaft Berlin gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein. Der Vorwurf der uneidlichen Falschaussage steht im Raum.