Renault und Stellantis warnen vor Kollaps der europäischen Automobilindustrie

Europas Autobauer stehen unter Druck. Die Modelle werden schwerer, komplexer und für breite Käuferschichten unerschwinglich. Besonders die Chefs von Renault und Stellantis schlagen Alarm. Beide Konzerne drängen auf eine klare Trennung zwischen den Regelungen für Klein- und Premiummodelle. In einem Gespräch mit der konservativen Zeitung Le Figaro forderten sie Brüssel auf, die angekündigten Deregulierungspläne endlich umzusetzen. Andernfalls drohe der europäische Automarkt dramatisch zu schrumpfen. Schon jetzt liegt der Absatz weit unter dem Niveau vor der Corona-Krise (lefigaro: 06.05.25).


Europäischer Markt im Rückwärtsgang

John Elkann, der bei Stellantis sowohl die Geschäftsführung als auch den Verwaltungsrat leitet, sieht die Lage kritisch. Seiner Einschätzung nach ist Europa der einzige große Automarkt, der das Vorkrisenniveau nicht mehr erreicht. Während 2019 noch rund 18 Millionen Fahrzeuge verkauft wurden, lag der Absatz im letzten Jahr bei nur noch 15 Millionen. Luca De Meo, Vorstandschef von Renault, ergänzt warnend: „Bei der aktuellen Entwicklung könnte sich der Markt innerhalb eines Jahrzehnts mehr als halbieren.“

Renault- und Stellantis-Chefs warnen vor Untergang der europäischen Autoindustrie - Strenge EU-Regeln gefährden Produktion in Europa
Renault- und Stellantis-Chefs warnen vor Untergang der europäischen Autoindustrie – Strenge EU-Regeln gefährden Produktion in Europa

Er sieht die strengen EU-Vorgaben als Hauptursache für diese bedenkliche Entwicklung. Besonders die Vorschriften für Kleinwagen treffen Hersteller in Frankreich, Italien und Spanien hart. Diese Länder leiden unter den steigenden Preisen besonders stark und benötigen dringend gezielte industriepolitische Unterstützung.

Dominanz der Premiummarken schadet dem Markt

De Meo kritisiert zudem den wachsenden Einfluss der Premiummarken auf die europäische Regulierung. Während diese Hersteller überwiegend für den Export produzieren, bestimmte ihre Strategie seit zwei Jahrzehnten die EU-Vorgaben. Diese Politik führe dazu, dass Autos „immer komplexer, immer schwerer und immer teurer“ ausfielen. Die breite Bevölkerung könne sich solche Fahrzeuge kaum noch leisten.

Trotz offener Kritik an den deutschen Herstellern vermeiden beide Konzernchefs direkte Angriffe. Sie machen jedoch deutlich, dass sich die wirtschaftlichen Interessen ihrer Heimatmärkte deutlich von denen Deutschlands unterscheiden. Frankreich, Italien und Spanien müssten ihre Industrie endlich konsequent stärken, so Elkann. Diese Länder verfügten über mehr Produktionskapazitäten als Deutschland und sollten dieses Gewicht gezielt einsetzen.

Mehrkosten zerstören die Rentabilität von Kleinwagen

De Meo fordert klar eine differenzierte Regulierung für kleinere Fahrzeuge. „Man kann ein 3,80 Meter langes Auto nicht wie ein 5,50 Meter langes Auto behandeln“, betont er. Die aktuellen Vorschriften verursachen bei Kleinwagen nahezu dieselben Mehrkosten wie bei großen Limousinen. Diese Belastung vernichte die ohnehin geringen Margen im Kleinwagensegment und mache deren Produktion zunehmend unrentabel.

Zwischen 2015 und 2030 steigen die Kosten für einen Renault Clio um 40 Prozent. Laut De Meo resultieren über 90 Prozent dieses Anstiegs aus zusätzlichen Vorschriften. „Braucht man wirklich einen Spurhalteassistenten in Autos, die 95 Prozent ihrer Zeit in der Stadt fahren?“, fragt er provokativ.


Vorschriften lähmen Innovation und Effizienz

Auch John Elkann weist auf massive Fehlentwicklungen hin. Ein Viertel der Ingenieure bei Stellantis beschäftigt sich inzwischen ausschließlich mit regulatorischen Anforderungen. Diese Ressourcen fehlen bei der Entwicklung innovativer Technologien und effizienter Modelle.

Beide Konzerne drängen deshalb auf eine entschlossene Kehrtwende in der europäischen Industriepolitik. Ohne eine gezielte Förderung des Kleinwagensegments drohe der Markt langfristig zu kollabieren. Nur durch pragmatische Vorschriften und wirtschaftlich tragfähige Bedingungen könne Europa seine industrielle Basis im Automobilsektor sichern.

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