Deutschland erlebt eine dramatische Eskalation der Strompreise, denn der aktuelle Börsenpreis erreicht mit 936 Euro pro Megawattstunde ein neues Rekordhoch. Zugleich verschlechtert sich die ökologische Bilanz des Strommixes erheblich. Die Ursache dieses Preissprungs liegt in der sogenannten Dunkelflaute – eine Phase, in der Windstille, dichte Wolkendecken und Nebel die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erheblich beeinträchtigen (bild: 12.12.24).
Politische Entscheidungen verschärfen die Versorgungskrise
Die Bundesregierung beschloss im Frühjahr 2024 die Stilllegung von über vier Gigawatt an Braun- und Steinkohlekraftwerken. Bereits 2022 gingen die letzten Atomkraftwerke vom Netz. Diese politisch motivierte Verknappung des Angebots trifft nun auf die Unzuverlässigkeit wetterabhängiger Energiequellen. Wenn Ökostrom ausfällt, schnellen die Preise unweigerlich in die Höhe.
Die Folgen dieser Entwicklung sind gravierend. Denn Stadtwerke, Stromhändler und Industriebetriebe, die ihren Strom kurzfristig am Spotmarkt der Energiebörse beschaffen müssen, stehen vor schwindelerregenden Kosten. Diese Preisexplosion bringt viele Unternehmen an den Rand ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit.
Produktionsstillstände als Reaktion auf Preisexplosion
Einige Industriebetriebe sehen sich gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. So stoppte das Elektrostahlwerk Feralpi in Riesa seine Produktion vollständig. Auch die traditionsreiche Anke GmbH in Essen steht vor erheblichen Herausforderungen. Tobias Wesselow, Geschäftsführer der Anke GmbH, schildert die Lage unmissverständlich: „Die derzeitigen Strompreise sind unerträglich hoch und erreichen teilweise das Zehnfache der üblichen Tarife. Solche Tage sind für uns finanziell ‘blutrot’.“
Zahlreiche Unternehmen reduzieren ihre Produktion oder legen sie zeitweise still. Diese Entwicklungen haben nicht nur betriebswirtschaftliche Konsequenzen, sondern bedrohen auch die volkswirtschaftliche Stabilität. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), mahnt: „Unsere Unternehmen und unser Land können sich keine Schönwetter-Produktion leisten. Wir benötigen Kraftwerke, die jederzeit einsatzbereit sind.“
Auch Privathaushalte spüren die Belastung
Privathaushalte mit flexiblen Stromtarifen sind ebenfalls von den Preissteigerungen betroffen. Bis zu eine Million Haushalte sehen sich deshalb mit potenziellen Kostenexplosionen konfrontiert. Der Stromanbieter Tibber warnt seine Kunden über X vor Preissteigerungen von bis zu 400 Prozent. Diese Entwicklung stellt für viele Familien eine erhebliche finanzielle Belastung dar.
Verschlechterung der Klimabilanz und wachsende Abhängigkeit
Die hohen Strompreise haben zudem verheerende Auswirkungen auf die Klimabilanz. Mit einem CO2-Ausstoß von über 500 Kilogramm pro Megawattstunde liegt Deutschland in Europa auf einem der letzten Plätze. Nur Polen, Tschechien und Irland schneiden schlechter ab. Der Grund: Die verstärkte Verstromung von Kohle und Gas.
Hinzu kommt die zunehmende Abhängigkeit von Stromimporten. Rund 60 Prozent der in Deutschland erzeugten Energie stammen aus fossilen Brennstoffen. Fast ein Viertel des gesamten Bedarfs wird durch Importe gedeckt.
Experten warnen vor strukturellen Defiziten
Energieökonom Prof. Manuel Frondel weist auf die Gefahren dieser Entwicklung hin: „Die aktuelle Lage ist ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn Energiequellen abgeschaltet werden, ohne dass adäquater Ersatz zur Verfügung steht.“ Ohne verlässliche Alternativen könnte der Strompreis dauerhaft auf hohem Niveau verharren – mit schwerwiegenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.
Eine nachhaltige Lösung erfordert stabile Energiequellen und eine durchdachte, zukunftsfähige Energiepolitik. Andernfalls drohen weitere Produktionsausfälle und finanzielle Belastungen für Unternehmen und Haushalte.
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