Eigentlich verläuft das aktuelle Jahr für die Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien sehr gut. Durch die lange Phase mit geringer Bewölkung wurde im ersten Halbjahr 2022 gut 14 Prozent mehr Strom aus Biomasse, Sonnen- und Windkraft erzeugt als im Vorjahr. Damit stieg der Anteil am Brutto-Stromverbrauch um acht Prozentpunkte auf rund 49 Prozent. Durch die Energiekrise beziehungsweise dem Gasmangel kam es auch immer wieder zu einer höheren Nachfrage nach Strom als gerade angeboten wurde. Dadurch explodierten die Strompreise förmlich. Auch das ließ die Ökostromproduzenten kräftig verdienen, denn sie produzieren günstig, aber verkaufen teuer. Diese Zufallsgewinne will die Regierung jetzt abschöpfen (ntv: 08.09.22)
Staat will „Zufallsgewinne“ bei der Ökostrombranche abschöpfen
Das die Ökostromproduzenten sehr viel Geld verdienen, hat jetzt auch die Bundesregierung erkannt und will deshalb die „Zufallsgewinne“ der Ökostrombranche kappen. Diese zufälligen Gewinne erzielen die Ökostromproduzenten durch eine Eigenwilligkeit am Strommarkt, dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Dort bestimmt die letzte produzierte Einheit Strom, die an der Strombörse verkauft wird, den Strompreis für alle, also auch für diejenigen, die viel billiger produzieren können. In der Regel springen als letzte Lieferanten Gaskraftwerke ein, die aufgrund der hohen Gaspreise extrem hohe Produktionskosten haben. Deshalb explodieren die Strompreise aktuell auf nie gekannte Rekordwerte und die Ökostromproduzenten verdienen damit prächtig.
Ökostromanbieter wehren sich
Diesen zusätzlichen Gewinn will die Regierung jetzt abschöpfen. Es ist aber weder bekannt, wann diese zusätzliche Besteuerung einsetzen soll noch in welcher Höhe. Doch die Ökostromanbieter gehen bereits auf die Barrikaden. Der Produktionschef des Ökostromanbieters Lichtblick, Enno Wolf, kommentiert dies so: „Das darf nicht zu einer Steuerverteilung nach Wetterlage werden, zu Klientelpolitik und einem Populismusthema“. Die Regierung würde insbesondere für die Investitionssicherheit in Deutschland mit der geplanten Abschöpfung der sogenannten Zufallsgewinne „ein völlig falsches Signal“ senden.
Herumdoktern an den Symptomen ohne das Problem im Kern anzugehen
Im Grunde geht es bei der Maßnahme um die Preisbildung am Strommarkt und dort konkret um das Merit-Order-Prinzip. Dieses Prinzip stellt das marktwirtschaftliche Prinzip, bei dem eigentlich der billigste Anbieter den Zuschlag erhält, vollständig auf dem Kopf. Das Merit-Order-Prinzip hat zwar jahrelang gut funktioniert, aber nur deshalb, weil die Erzeugungskosten der unterschiedlichen Kraftwerkstypen nur geringfügig voneinander abgewichen haben. Mit den explodierenden Gaskosten gibt es jetzt aber eklatante Unterschiede, denn Strom aus Gaskraftwerken kostet mittlerweile ein Vielfaches gegenüber anderen Energieträgern. Ein Abschöpfen der Zufallsgewinne durch den Staat würde deshalb nur die Symptome bekämpfen und nicht die Ursache. Die Strompreise könnte drastisch sinken, wenn man das Merit-Order-Prinzip ändert, oder zumindest die Gaskraftwerke aus der Preisbildung herausnimmt. Mit dem Abschöpfen der Gewinne werden die Strompreise nach wie vor hoch bleiben, nur der Staat holt sich einen Teil der Einnahmen. Der Verbraucher hätte letztendlich nichts davon.
Staat verdient über Mehrwertsteuer selbst kräftig mit
Allerdings verdient auch der Staat kräftig an den gestiegenen Strompreisen mit, nämlich über die Mehrwertsteuer. Darauf will man vermutlich nicht verzichten, obwohl auch dieser Gewinn mehr oder weniger ein Zufallsgewinn ist und durchaus auch an die Verbraucher zurückgegeben werden könnte.
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