Die EU-Staaten konnten sich auf ihr Notfallpaket einigen, mit der sie die aktuelle Energiekrise bewältigen wollen. Demnach werden Übergewinne der Stromkonzerne abgeschöpft, das Geld soll für Entlastungen der Bürger verwendet werden. Nicht in allen Punkten konnten sich die Regierungschefs und ihre Energieminister einigen: Strittig bleibt nach wie vor der von einigen Staaten geforderte Preisdeckel für Gasimporte (tagesschau, 30.09.2022).
Beschluss nach zähen Verhandlungen
Nach wochenlangen Verhandlungen konnte die tschechische Ratspräsidentschaft in dieser Woche verkünden, dass man sich auf EU-Ebene geeinigt habe. Die Energieminister aller 27 EU-Mitgliedsstaaten zurrten endlich ein Notfallpaket fest, dass die Industrie und die privaten Verbraucher in der Union entlasten soll. Bei ihrem letzten Krisentreffen kamen sie überein, dass die europäischen Energieunternehmen künftig denjenigen Teil ihrer Gewinne an ihre Staaten abgeben müssen, der erst durch die Preisexplosion auf den Energiemärkten entstanden ist. Dabei handelt es sich um echte Krisengewinne. Die Unternehmen verdienen also auf Umwegen am Krieg und seinen Folgen, die Verbraucher leiden darunter. Die Staaten werden ihrerseits die abgeschöpften Übergewinne für Entlastungen verwenden, wofür es einen halbwegs einheitlichen Modus geben muss. Auf jeden Fall wird eine Schieflage zwischen Krisengewinnen und enormen Belastungen durch das Notfallpaket beendet oder zumindest stark gedämpft. Allerdings muss die Einigung noch formell durch das EU-Parlament bestätigt werden.
Einigung auf Einnahmedeckel beim Strom
Es wurde ein Einnahmedeckel bei 180 Euro pro Megawattstunde Strom beschlossen. Dieser wurde teurer, weil der Gaspreis infolge des Ukraine-Krieges und der ausbleibenden russischen Gaslieferungen so stark gestiegen ist. Der Hintergrund: Den Strompreis bestimmt das jeweils zuletzt zugeschaltete, teuerste Kraftwerk. Dieses ist gegenwärtig in jedem Fall ein Gaskraftwerk. Dieser Mechanismus, die sogenannte Merit-Order, ist inzwischen in der EU umstritten, obgleich er einst eingeführt wurde, um die erneuerbaren Energien zu fördern. Doch noch existiert er und führt nun in dieser einmaligen Krise zu absurden Konsequenzen. Die Antwort darauf ist die Deckelung des Strompreises. Gegenwärtig ist es so, dass auch die Produzenten des billigeren Strom aus erneuerbaren Energien, Kohle und Atomkraft diesen zu den von den Gaskraftwerken bestimmten Preisen verkaufen können. Jetzt werden ihre Einnahmen gedeckelt. Alles über den genannten 180 Euro pro Megawattstunde müssen sie als Übergewinne abgeben. Diese Übergewinne werden dann die Entlastungen für Unternehmen und Bürger finanzieren.
Wie viel Geld dürfte aus den Übergewinnen abgeschöpft werden?
Das lässt sich noch nicht genau beziffern. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war ursprünglich davon ausgegangen, dass insgesamt in allen Mitgliedstaaten rund 140 Milliarden Euro jährlich zusammenkommen müssten. Doch im Zuge der Verhandlungen wurde den einzelnen Staaten bei ihrer nationalen Umsetzung deutlich mehr Flexibilität eingeräumt, als man zunächst geplant hatte. Daher lassen sich mit Stand Anfang Oktober 2022 keine exakten Beträge nennen. Wichtig ist nur, dass es in den Mitgliedsstaaten der EU keine allzu starken Alleingänge gibt, die den europäischen Gesamtmarkt gefährden könnten. So einen Alleingang hat erst jüngst Deutschland mit seinem letzten 200-Milliarden-Entlastungspaket unternommen, wofür wir uns heftige Kritik von den EU-Partnern gefallen lassen mussten. Der von Bundeskanzler Scholz (SPD) euphorisch so genannten „Doppelwumms“ der gewaltigen Finanzspritze gefährde die Märkte, weil deutsche Verbraucher damit mehr Energie beziehen und somit wieder die Preise treiben könnten, hieß es einheitlich aus Paris, Rom, Prag, Warschau und anderen EU-Hauptstädten.
Schnelle Umsetzung in Deutschland durch Habeck zugesichert
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) konnte für Deutschland zusichern, dass man den EU-Notfallplan Energie in Deutschland schnell umsetzen werde. Man habe sich bereits administrativ darauf vorbereitet. Deutschland hatte den Plan einer Einnahmengrenze von vornherein unterstützt. Eine Gaspreisbremse für deutsche Kunden wurde inzwischen angekündigt, sie gehört zum erwähnten 200-Milliarden-Entlastungspaket. Der Notfallplan der EU sieht darüber hinaus verpflichtende Stromsparziele vor: In den Tageszeiten hoher Nachfrage sollen die Verbraucher 5 % einsparen, weil dann der Strom besonders viel kostet.
In diesen Spitzenlastzeiten müssen nämlich die Gaskraftwerke zugeschaltet werden, die damit aufgrund der erwähnten Merit-Order den Preis nach oben treiben. Das kann wenigstens teilweise durch Einsparungen in der Spitzenlastzeit vermieden werden. In Deutschland könnte die Rechnung nahezu aufgehen, weil die Gaskraftwerke aktuell noch 6 % des nötigen Stroms liefern. Eine Einsparung von 5 % würde sie fast überflüssig machen. Die Zuschaltung von Gaskraftwerken in Spitzenlastzeiten hat übrigens auch technische Gründe: Es sind fast die einzigen Kraftwerke, die sich unkompliziert an- und abfahren lassen.
Fazit
Die EU-Staaten rüsten sich für den kommenden harten Winter. Ob die Anstrengungen genügen, werden die nächsten Monate zeigen. Auch das Wetter redet natürlich ein Wörtchen mit.
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