Deutschland muss auf russisches Erdgas verzichten und muss deshalb Flüssiggas (LNG) importieren. Das Problem dabei: Deutschland verfügt über kein Flüssiggas-Terminal, über das das Gas in das deutsche Gasnetz eingespeist werden kann. Das erste schwimmende Terminal wird derzeit an der Nordseeküste bei Wilhelmshaven gebaut und soll zu Jahresende in Betrieb gehen. Dazu wurde das schwimmende Terminal „Höegh Esperanza“ gechartert, ein Spezialschiff auf dem das flüssige Gas wieder in den gasförmigen Zustand versetzt. Doch dieses Schiff ist für Wilhelmshaven nur deshalb verfügbar, weil dessen Einsatz in Australien von den dortigen Behörden aufgrund gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt abgelehnt wurde (morgenpost:11.10.22)
Schwimmendes LNG-Terminal „Höegh Esperanza“ hat in Australien keine Zulassung bekommen
Der Energiekonzern Uniper will bei Wilhelmshaven die „Höegh Esperanza“ ihren Betrieb nehmen. Das Spezialschiff wurde im Sommer gechartert und soll Flüssiggas bei der Anlieferung mit speziellen LNG Tankern wieder in seinen gasförmigen Zustand verwandelt. Das Schiff sollte eigentlich ab 2023 nahe Melbourne Flüssiggas in den australischen Bundesstaat Victoria bringen. Dass es jetzt in Deutschland zu Einsatz kommt, liegt daran, dass die australischen Behörden ihren Einsatz nicht genehmigt haben. Der Grund: Die Auswirkungen auf die Umwelt sind zu gravierend.
Spezialschiff leitet Chlor ins Meerwasser
Für Richard Wynne, dem damalige zuständigen australischen Minister, hat das Schiff inakzeptable Folgen für die Natur, die er in einer 80-seitigen Analyse beschrieb. Unter anderem leitet das Schiff große Menge Chlor in die Gewässer. Das Flüssiggas wird mit einer Temperatur von minus 162 Grad von den Tankern angeliefert. Um es wieder in den gasförmigen Zustand zu bringen, damit eine Einspeisung in das Gasnetz erfolgen kann, muss es aufgewärmt werden. Zur Erwärmung kommt Meerwasser und Chlor zum Einsatz. Das Wasser wird anschließend wieder zurück ins Meer geleitet. Doch das Wasser enthält dann noch Restmengen des eingesetzten Chlors.
Chlor-Belastung in Wilhelmshaven doppelt so hoch wie in Australien
Die australischen Behörden stuften 2021 den geplanten Grenzwert von 0,1 Milligramm Chlor pro Liter als viel zu hoch ein. Dabei ist der Wert nur halb so hoch, wie in Wilhelmshaven. Dort rechnet der Betreiber Uniper laut Antragsunterlagen mit bis zu 0,2 Milligramm Chlor pro Liter Wasser. Dabei liegt das Schiff nur wenige Kilometer vom Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer entfernt.
Bundesregierung hat Umweltprüfung per Gesetz ausgesetzt
Eine Prüfung, welche Auswirkungen das Chlor auf das Wattenmeers haben könnte, gibt es nicht. Mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz hat die Bundesregierung festgelegt, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen, wie sie bei Projekten dieser Art eigentlich üblich sind, ausgesetzt werden. Diese Aussetzung erfolgt demnach immer dann, „wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden“.
„Jetzt rächt es sich, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Dieser umweltpolitische Fehltritt zeigt: Auch in Krisenzeiten dürfen wichtige Umweltvorgaben nicht leichtfertig aufgegeben werden“, sagt Constantin Zerger, Experte für Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Laut DUH drohe die Bundesregierung hinter internationale Standards in Umweltfragen zurückzufallen. Die Regierung hätte die „Höegh Esperanza“ offenbar von der Resterampe geholt, nachdem das LNG-Terminalschiff in Australien keine Umweltzulassung erhalten hatte, so der DUH Sprecher.
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