Deutschland feiert den Kohleausstieg bis 2038 als entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz. Doch der tatsächliche Effekt auf den europäischen CO2-Ausstoß bleibt gering. Eine neue Studie der Universität Hamburg zeigt, dass nationale Alleingänge ihre Wirkung verlieren, wenn sie nicht mit dem europäischen Emissionshandel verzahnt sind (focus: 19.04.25).
Emissionshandel verschiebt den CO2-Ausstoß ins Ausland
Der europäische Emissionshandel (ETS) regelt die Gesamtmenge an verfügbaren CO₂-Zertifikaten. Unternehmen können diese kaufen und verkaufen – mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß in Europa kontinuierlich zu senken. Die Zahl der Zertifikate schrumpft jedes Jahr, theoretisch ein wirksames System.

Doch der deutsche Kohleausstieg bringt zwei zentrale Probleme mit sich. Zum einen entsteht ein sogenanntes „CO₂-Leck“: Reduziert Deutschland seine Kohleverstromung, gleichen andere Länder diese Lücke mit eigener Produktion aus. Dadurch verlagert sich der CO2-Ausstoß lediglich über die Grenze – statt ihn tatsächlich zu senken.
Der Wasserbett-Effekt schwächt Klimaschutzmaßnahmen
Prof. Dr. Grischa Perino beschreibt das Dilemma: „Einige nationale Klimaschutzmaßnahmen entfalten ihre volle Wirkung nicht, weil sie nicht mit dem EU-Emissionshandel abgestimmt sind.“ Sobald Deutschland weniger Emissionszertifikate nachfragt, sinkt der Preis. Unternehmen in anderen Staaten erhalten dadurch einen Anreiz, mehr CO₂ auszustoßen, weil es billiger geworden ist. Dieser Effekt trägt den Namen Wasserbett-Effekt.
Ein Gegenmittel stellt die Marktstabilitätsreserve (MSR) dar. Sie zieht überschüssige Zertifikate vom Markt ab. Doch sobald eine bestimmte Grenze erreicht ist, stellt sich die MSR automatisch außer Betrieb. Dann kehrt der Wasserbett-Effekt zurück und hebelt Klimaschutzmaßnahmen erneut aus.
CO2-Ausstoß nur durch koordinierte Maßnahmen senkbar
Im Gegensatz zu anderen Programmen berücksichtigt der deutsche Kohleausstieg das Löschen von Zertifikaten. Das bleibt jedoch bislang die Ausnahme. Eine nachhaltige Klimapolitik erfordert, dass jede nationale Maßnahme mit dem ETS abgestimmt ist, um den CO2-Ausstoß tatsächlich zu reduzieren.
Langfristig wirkungsvoller als direkte Eingriffe erscheinen Strategien wie der Ausbau erneuerbarer Energien. Investitionen in Solar- und Windkraft senken nicht nur Emissionen, sondern auch den Strompreis. Das macht schmutzige Energie unwirtschaftlich – auch in den Nachbarländern. Auf diese Weise lässt sich der europäische CO2-Ausstoß indirekt, aber dauerhaft verringern.
Einheitliche Regeln für echten Klimaschutz
Die Studie liefert ein klares Bild: Ohne europäische Koordination bleiben nationale Maßnahmen ineffizient. Der Emissionshandel muss gestärkt und mit nationalen Strategien verbunden werden. Nur so entsteht eine stabile Grundlage für sinkenden CO2-Ausstoß in der gesamten EU.
Deshalb fordern die Forscher eine engere Abstimmung zwischen EU-Regelwerk und nationaler Gesetzgebung. Wer echten Klimaschutz will, braucht Verbindlichkeit, Transparenz und technologische Investitionen. Der Kohleausstieg markiert nur dann einen Fortschritt, wenn er als Teil eines gemeinsamen europäischen Klimaplans gedacht ist.
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