Die Gespräche zwischen Union und SPD zur Steuerpolitik verlaufen zunehmend konfliktreich. Besonders der Streit um den Spitzensteuersatz spaltet die Verhandlungsparteien. Während die Union auf Entlastungen für Unternehmen drängt, verfolgt die SPD einen gegenteiligen Kurs. In der Arbeitsgruppe zu Haushalt, Finanzen und Steuern blockierte die SPD jegliche Vorschläge zur Senkung der Unternehmenssteuern – und brachte stattdessen Steuererhöhungen für Besserverdiener ins Spiel (wiwo: 22.03.35).
SPD lehnt Reform der Unternehmensteuer ab
Ein Einstieg in eine Unternehmensteuerreform fand keine Unterstützung durch die SPD. Die Parteivertreter hielten strikt an der Vorgabe fest, keine Zugeständnisse bei steuerlichen Entlastungen zu machen. Selbst der von ihnen selbst geforderte Investitionsbonus verlor im Verlauf der Gespräche an Bedeutung. Der Kompromissvorschlag der Union, durch ein milliardenschweres Sondervermögen für Infrastruktur eine Entlastung der Wirtschaft zu begleiten, blieb ohne Wirkung. Vertreter der SPD argumentierten, das Sondervermögen reiche als Wachstumsanreiz aus. Steuerliche Entlastungen lehnten sie ab.

Ein CDU-Vertreter nannte das Ergebnis einen Offenbarungseid. Die Union sei in Vorleistung gegangen, habe wirtschaftspolitische Initiativen angeboten, doch die Gegenseite habe jeden Vorschlag abgelehnt. Der Verweis auf fehlende finanzielle Spielräume diente als Hauptargument. Dabei stand der Ausbau von Investitionen ebenso zur Debatte wie die Förderung kleiner und mittelständischer Betriebe.
Spitzensteuersatz im Zentrum der Auseinandersetzung
Ein zentraler Konfliktpunkt blieb die Ausgestaltung der Einkommensteuer. Die SPD schlug vor, den Spitzensteuersatz deutlich zu erhöhen. Für Einkommen ab einer bestimmten Schwelle solle dieser von 42 auf 47 Prozent steigen. Bei besonders hohen Einkommen seien sogar 49 Prozent vorgesehen. Dazu sollen Steuern auf Zinsen, Dividenden und Gewinne bei Aktie mit 30 Prozent statt bisher mit 25 Prozent besteuert werden. Zusätzlich will die SPD wieder eine Vermögenssteuer einführen und die Spekulationsfrist von 10 Jahren bei der Veräußerung von Immobilien abschaffen. Die Union reagierte scharf auf diese Forderung. In ihren Reihen wächst die Sorge, dass solche Schritte die wirtschaftliche Erholung gefährden und politische Glaubwürdigkeit kosten.
Zwar bestand Einigkeit darüber, den Grundfreibetrag für alle Steuerzahler anzuheben. Doch die SPD knüpfte diese Entlastung an die Bedingung, dass der Staat dadurch keine Einnahmeverluste erleidet. Der angestrebte Ausgleich durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes sorgte für große Spannungen.
Zweifel an Effekten auf Wachstum
Gegen eine Entlastung der Wirtschaft argumentierten führende SPD-Vertreter wie die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen. Steuersenkungen würden keine nachhaltigen Wachstumsimpulse setzen, sondern lediglich die öffentlichen Haushalte schwächen. Auch der Investitionsbonus verlor an Unterstützung – nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen des bürokratischen Aufwands. Das Vorhaben hätte jährlich Milliarden verschlungen, ohne klare Wirkung auf die wirtschaftliche Dynamik zu entfalten.
Der im Sondierungspapier formulierte Einstieg in eine Unternehmensteuerreform reduzierte sich in der Arbeitsgruppe auf eine symbolische Ankündigung für die fernere Zukunft. Gleichzeitig drängte die SPD darauf, steuerliche Privilegien bei der Vererbung von Betriebsvermögen zeitnah abzubauen.
Einigung nur bei Nebenthemen
Trotz der verhärteten Fronten gelang es der Arbeitsgruppe, sich in einigen Punkten zu verständigen. Bei der globalen Mindeststeuer wollen beide Seiten die internationale Entwicklung beobachten, bevor konkrete Maßnahmen folgen. Auch bei der Gemeinnützigkeit politisch aktiver Vereine ging die Union auf Distanz, befürwortete jedoch bessere steuerliche Bedingungen für ehrenamtliches Engagement. Zudem sollen innerdeutsche Gewerbesteueroasen intensiver überprüft werden.
Diese Teilerfolge täuschen jedoch nicht über die tiefen Gräben hinweg. Die zentrale Frage nach der Entlastung der Wirtschaft bleibt ungelöst. Besonders der Spitzensteuersatz entwickelt sich dabei zum Symbol der politischen Differenzen.
Parteispitzen unter Zugzwang
Politische Beobachter zeigen sich wenig überrascht vom geringen Fortschritt. Aus Verbandskreisen kommt Kritik an der Union: Durch Maßnahmen wie die erhöhte Pendlerpauschale oder steuerliche Erleichterungen für bestimmte Branchen habe sie sich früh festgelegt. Das biete der SPD nun die Möglichkeit, bei zentralen Fragen wie der Unternehmensteuer keine Zugeständnisse mehr zu machen.
Die Parteivorsitzenden müssen die Gespräche nun fortführen. Ob es ihnen gelingt, eine Einigung zu erzielen, die sowohl Wachstum fördert als auch gesellschaftliche Balance schafft, bleibt offen. Ohne Bewegung beim Spitzensteuersatz dürfte die Steuerpolitik jedoch weiter in der Sackgasse verharren.
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