INSA-Umfrage: Atomkraftwerke sollen weiterlaufen

Die Marktforscher der INSA-Consulere GmbH haben im Auftrag von BILD am 19. Juli 2022 eine Onlineumfrage zur Energiesicherheit durchgeführt. Von den 1.001 repräsentativ ausgewählten Teilnehmer sprachen sich 64 % für längere Laufzeiten der drei verbliebenen Atommeiler aus, die eigentlich Ende 2022 vom Netz gehen sollen. Erstaunlicherweise sind sogar 40 % der Grünenwähler dafür (BILD, 19.07.2022). Laut der Umfrage spricht sich eine Mehrheit dafür aus, dass die Atomkraftwerke weiterlaufen sollen.


Kein gesellschaftlicher Konsens mehr zum Atomausstieg

Seit der Atomkraftkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011, die letztlich den raschen deutschen Atomausstieg eingeläutet hatte, galt es als gesellschaftlicher Konsens, dass wir hierzulande keine Atomkraftwerke haben wollen. Darauf berief sich noch einen Tag vor Bekanntgabe der INSA-Umfrageergebnisse die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, die getwittert hatte, dass es zum beschlossenen Atomausstieg nach wie vor einen „breiten Konsens in der Gesellschaft“ gebe. Die Meinungsforscher von INSA wiesen nun das Gegenteil nach. Bemerkenswert ist dabei, dass auch die Blockadehaltung der Grünenwähler so deutlich bröckelt. Die westdeutsche Partei, „Die Grünen“ hat eigentlich in ihrer DNA die Gegnerschaft zur Atomkraft. Sie wurde seit den 1980er Jahren groß durch Proteste gegen Atomkraftwerke, Atommülltransporte und Endlager für Atommüll.

INSA-Umfrage: Atomkraftwerke sollen weiterlaufen. Kein gesellschaftlicher Konsens mehr zum beschlossenen Atomausstieg
INSA-Umfrage: Atomkraftwerke sollen weiterlaufen. Kein gesellschaftlicher Konsens mehr zum beschlossenen Atomausstieg
Bild: JoachimKohler-HB, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Ergebnisse der INSA-Umfrage im Überblick

  • 64 % aller Befragten möchten die drei letzten deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen lassen.
  • Von den Wählern der Grünen sind 40 % dafür und 53 % dagegen, der Rest ist unentschieden.
  • Auch 53 % der Wähler der Linkspartei sind gegen eine Laufzeitverlängerung.
  • Alle anderen Wählergruppen sind je nach Parteipräferenz zwischen 70 und 84 % für eine Laufzeitverlängerung.
  • 53 % aller Befragten haben prinzipiell keine Angst vor Atomkraft. 38 % empfinden diese Angst.
  • 9 % sind bezüglich ihrer Haltung zur Atomkraft unentschieden.

Haltung zum Atomausstiegsbeschluss des Jahres 2011

Widersprüchlich zur vorherrschenden Meinung in Bezug auf eine Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke ist die Haltung zum Atomausstiegsbeschluss des Jahres 2011:

  • 56 % aller Befragten glaubt noch immer, dass die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel richtig entschieden hat, als sie gleich nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima den Atomausstieg forcierte.
  • 30 % halten diese Entscheidung heute für falsch, der Rest ist unentschieden.

Koppelung von Laufzeitverlängerung und Tempolimit

INSA fragte auch, wie die Bürger zu einer Koppelung der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken mit einem Tempolimit auf Autobahnen stehen:

  • Eine absolute Mehrheit von 55 % würde eine Laufzeitverlängerung befürworten, wenn gleichzeitig auf deutschen Autobahnen ein Tempolimit eingeführt würde.
  • 34 % sind gegen die Koppelung der beiden Maßnahmen, der Rest ist unentschlossen.
  • 54 % der Linkenwähler können der Koppelung der beiden Maßnahmen nichts abgewinnen.
  • Von den Wähler der Grünen sind 48 % dagegen und 45 % dafür.
  • Von sämtlichen anderen Wählergruppen stimmen je nach Parteipräferenz 56 bis 66 % so einer Koppelung zu. 26 % sind dagegen.

Ist die Laufzeitverlängerung der letzten drei Atommeiler technisch möglich?

Experten sagen, sie sei im sogenannten Streckbetrieb zumindest bis zum Sommer oder späten Herbst 2023 möglich, also von heute an gerechnet ein reichliches Jahr. Der Streckbetrieb bedeutet, dass die Stromerzeugung ab sofort etwas gedrosselt wird, damit die derzeit genutzten Brennstäbe etwas länger durchhalten. Auch der TÜV hat keine prinzipiellen technischen Einwände gegen einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb. Die Betreiber der drei Kraftwerke sprechen sich allerdings dagegen aus, denn die Planung läuft auf deren Stilllegung Ende 2022 hinaus, weshalb beispielsweise die Verträge mit einem Gros des Personals gekündigt wurden.

Ein Weiterbetrieb würde überdies weitere technische und auch teure Maßnahmen bedingen. Es müssen ja nicht nur Brennstäbe vorhanden sein. Ein Kraftwerk ist ein sehr komplexes technisches Konstrukt, das gesteuert, gewartet und gemanagt werden muss. Der Streckbetrieb hätte allerdings in Bezug auf möglicherweise ausfallende russische Gaslieferungen große Vorteile. Der deutsche Strommix entstand mit Stand Juli im Jahr 2022 zu 11,6 % aus Gaskraftwerken und zu 6,3 % aus Kernenergie. Sollten die drei restlichen Atommeiler also im Streckbetrieb mit leicht reduzierter Erzeugung weiterlaufen, könnten sie etwa die Hälfte des für die Stromerzeugung genutzten Gases kompensieren. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen an Gaseinsparungen, die laut EU-Vorgabe schon ab sofort 15 % betragen sollen, wäre das ein erheblicher Beitrag.


Abschied von grüner Ideologie?

Beobachter der deutschen Energiepolitik vermuten, dass der bislang hartnäckige Widerstand des grünen Wirtschafts- und Energieministers Robert Habeck gegen einen Streckbetrieb der drei letzten Atommeiler auf verfestigter grüner Ideologie basiert. Möglicherweise denkt er nun um, wenn er der INSA-Umfrage die Meinung seiner Parteibasis entnimmt, dass die Atomkraftwerke weiterlaufen sollen.

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