Habecks „intellektuelle Insolvenz“

Der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) hat sich in der Talkshow von Sandra Maischberger am 6. September 2022 schwer verplappert. Von der Moderatorin zu möglichen Insolvenzen in nächster Zeit befragt, äußerte er sinngemäß, dass die Firmen wohl nicht gleich pleitegehen, sondern einfach nichts mehr produzieren würden. Selbst Frau Maischberger, bislang höherer ökonomischer Kompetenzen eher unverdächtig, musste daraufhin lachen. Während ihm mittlerweile Spott von allen Seiten auf den armen Minister ein hagelt, nimmt ihn sein eigenes Haus in Schutz.


Link zum Interview: „Robert Habeck über Entlastungen und AKW-Laufzeiten“ (Das Erste – ARDmediathek, 06.09.2022)

Was sagt das Wirtschaftsministerium?

Auf die Äußerung von CDU-Vize Carsten Linnemann, dass einem Wirtschaftsminister so etwas nicht passieren dürfe, antwortete nun das Bundeswirtschaftsministerium schriftlich. Eine Sprecherin teilte mit, dass der Bundesminister lediglich einen wichtigen Unterschied verdeutlichen wollte, nämlich den zwischen einer Insolvenz und einer Betriebsaufgabe.

Habeck hatte in der Sendung unter anderem Bäckereien sowie Blumen- und Bioläden erwähnt, deren Geschäft darauf basiere, dass Menschen zusätzliches Geld ausgeben, was für diese Produkte wohl nicht zwingend nötig sei, da man auch ohne Blumen, Biokost und frische Semmeln vom Bäcker leben könne. Habeck glaubt offenbar, dass diese Geschäfte auf die erwartbare Kaufzurückhaltung der Bevölkerung in der kommenden Krise einfach mit einer Einstellung ihrer Produktion reagieren könnten. Dadurch seien sie aber nicht automatisch insolvent, so der Minister.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich in der Talkshow von Sandra Maischberger schwer verplappert. Selbst Maischberger musste lachen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich in der Talkshow von Sandra Maischberger schwer verplappert. Selbst Maischberger musste lachen.
Bild: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Diese Aussage ist natürlich fern jeder Realität, jeder Bäckermeister und Blumenhändler weiß es besser. Es laufen Miet- oder Pacht-, Lieferanten- und Mitarbeiterverträge weiter, das Finanzamt will die Einkommensteuervorauszahlung sehen. Ohne Einnahmen ist die Insolvenz in wenigen Wochen (je nach Rücklagen des Inhabers) unausweichlich. Wer sie nicht anmeldet, macht sich strafbar (§ 15a Abs. 1 InsO). Sollte ein Bundeswirtschaftsminister so etwas wissen? Wir meinen: Ja.


Was sagt noch das Wirtschaftsministerium zu Habecks Talkshow- Auftritt?

Die Sprecherin schreibt, der verehrte Bundesminister habe die Gefahr „stiller Betriebsaufgaben“ darlegen wollen. So nennt die Betriebswirtschaft eine Betriebsaufgabe ohne Insolvenz. Diese ist in der Tat möglich, aber nur von langer Hand geplant. Der Inhaber muss dann pünktlich alle Verträge kündigen, einige von ihnen Jahre im Voraus. Dann muss er sein Geschäft sukzessive zurückfahren und schließlich alles Verwertbare in den Räumungsverkauf geben. Dazu verpflichtet ihn das Finanzamt, ansonsten schätzt und verlangt es die Steuer auf einen fiktiven Erlös für die verwertbare Einrichtung. Allein so eine Steuernachforderung schickt manch einen Unternehmer nach einer überhasteten „stillen Betriebsaufgabe“ nachträglich in die Insolvenz.

Wenn aber wegen einer Wirtschaftskrise urplötzlich die Kundschaft wegbricht, wie es manche Bio-, Bäcker- und Blumenläden demnächst wirklich befürchten müssen, bleibt keine Zeit für eine geplante stille und insolvenzfreie Betriebsaufgabe. Die Pleitewelle ist dann unausweichlich. Wir könnten an dieser Stelle eine kleine Rechnung für einen x-beliebigen Bäcker aufmachen, doch ersparen wir dem geneigten Leser die Zahlenkolonnen. Kurz und schlecht und drastisch: Habeck hat keine Ahnung. Das hat ihm das Land jetzt um die Ohren gehauen.

Reaktionen auf Habecks Maischberger-Auftritt

Dem CDUler Linnemann schließen sich zunächst einmal die Unionskollegen an. CSU-Generalsekretär Martin Huber nannte den Minister „weltfremd, planlos und abgehoben”. Er stehe nicht fürs Wirtschaften, sondern fürs Abwirtschaften. Johann Wadephul, Unionsfraktionsvize der CDU, spottete auf Twitter über den „Segen, … in dieser schwierigen Lage so einen hochkompetenten Wirtschaftsminister zu haben.“ Erwin Huber (CSU) bescheinigte Habeck „intellektuelle Insolvenz“ und fragte sarkastisch: „Wenn im Winter ohne AKWs kein Strom da ist – wird dann nur das Licht ein bisschen schwächer?“ CDU-Generalsekretär Mario Czaja schlug in die gleiche Kerbe: Wahrscheinlich werde man demnächst von Habeck hören, dass dies kein Blackout sei – es sei nur der Strom ausgefallen (WELT, 07.09.2022).


Die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer kommentierte: „Unfassbar! … keine Ahnung …“ Ähnliche Äußerungen kamen von anderen FDP-Politikern. CDU-Parteichef Friedrich Merz höhnte bei der Generaldebatte im Bundestag, wie schön es immer wieder sei, dem verehrten Kollegen Habeck „beim Denken zuzusehen“. Gefällig formulieren könne er ja. Zu hoffen sei nur, so Merz, dass während der Maischberger-Talkshow die meisten deutschen Unternehmer schon geschlafen haben. Es ist übrigens nicht der erste Fauxpas von Robert Habeck in Wirtschaftsfragen.

Im August 2020 hatte er die Zuständigkeit der BaFin vollkommen falsch eingeordnet, damals ging es um den Wirecard-Skandal. Dass Wirtschaftsminister Habeck immer wieder für Slapstick-Komik gut ist, hatte er auch in diesem Fall bewiesen: Er hatte allen Ernstes behauptet, die BaFin prüfe Handwerkerrechnungen. Im Jahr 2019 war er aufgefallen, weil er nicht gewusst hatte, wie die Pendlerpauschale funktioniert, konkret, dass diese auch Bahnfahrern zugutekommt. SPD-Minister Hubertus Heil hatte damals gespottet: „Viel Meinung, wenig Ahnung.

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