Der europäische Verband der Elektrizitätswirtschaft schätzt, dass die Netze bis 2030 jährlich bis zu 39 Milliarden Euro an Investitionen benötigen. Der Eon-Chef warnt: Europas Vorstoß zu erneuerbaren Energien wird ein „großer Fehler“ sein. Es sei denn, die EU erhöht die Investitionen in das Stromnetz erheblich. Dies sei dringen notwendig, um Ungleichgewichte bei Angebot und Nachfrage auszugleichen (FT: 11.12.22).
Eon-Chef fordert jährlich 34-39 Milliarden für den Netzausbau
Leonhard Birnbaum, Präsident von Eurelectric, dem Verband der europäischen Elektrizitätswirtschaft, erläuterte, die beschleunigte Installation von Windkraftanlagen und Solarmodulen habe Engpässe geschaffen, auf die das Stromnetz nicht ausgelegt sei. Um den raschen Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen, müssten die Investitionen in das Stromnetz nach Schätzungen von Eurelectric um 50 bis 70 Prozent steigen um bis zum Jahr 2030 eine Höhe von 34 bis 39 Milliarden Euro pro Jahr zu erreichen.
Alle Netzreserven sind heute bereits ausgereizt
„Wenn wir Erneuerbare beschleunigen, müssen wir das Netz beschleunigen“, betonte der Eon-Chef. „Wenn wir nur Erneuerbare beschleunigen, machen wir einen großen Fehler“. Obwohl Europa über jüngere und im Allgemeinen widerstandsfähigere Stromnetze als die USA verfügt, seien die Reservekapazitäten, die dazu dienen sollen, Engpässe auszugleichen, wenn das Wetter für erneuerbare Energien nicht optimal ist, bereits jetzt überleastet durch die Anzahl der Windkraftanlagen und Solarmodule, die seitdem in Betrieb genommen worden sind.
„Wir haben erneuerbare Energien hinzugefügt und dabei oft Reserven verbraucht, die wir traditionell im Netz hatten . . . Wir haben ein System mit vielen Reserven gebaut. Die Reserve ist weg“, sagte Birnbaum. Die Solarkapazität in der EU ist in diesem Jahr um 40 Gigawatt gestiegen, was einer Steigerung von 40 Prozent gegenüber der im Jahr 2021 neu hinzugekommenen Kapazität entspricht und laut SolarPower Europe ausreicht, um 12 Millionen Haushalte zu versorgen.
EU will Ausbauziele der Erneuerbaren bis zum Jahr 2030 erhöhen
Russlands Kürzung der meisten seiner Gasexporte in die EU als Vergeltung für seine Unterstützung der Ukraine hat die EU dazu gezwungen, seine Energieversorgung rasch zu diversifizieren. Sowohl die Europäische Kommission als auch die EU-Regierungen haben Vereinbarungen unterzeichnet, um die Gaslieferungen aus anderen Regionen zu erhöhen und gleichzeitig auf die Installation von mehr erneuerbarer Energie zu drängen. Im Mai wollte Brüssel das EU-weites Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien an der Gesamtversorgung von 40 Prozent auf 45 Prozent bis 2030 erhöhen. Diesen Vorschlag müssen allerdings die EU-Mitgliedstaaten noch genehmigen, bisher zeichnet sich hierfür jedoch noch keine Einstimmigkeit ab. Die EU forderte außerdem zusätzliche 29 Milliarden Euro an Finanzmitteln für den Ausbau des Stromnetzes bis 2030. Dazu kündigte die EU-Kommission eine neue Allianz mit der Solarindustrie an, um Investitionen in große Photovoltaikfabriken zu fördern und die Solarkapazität in der EU bis 2030 um das Sechsfache zu erhöhen.
Eon, einer der größten Energieversorger Europas mit Niederlassungen in 20 europäischen Ländern, hat angekündigt, bis 2026 insgesamt 37 GW an neuen erneuerbaren Energien an seine Netze anzuschließen. Dies entspricht der Gesamtmenge an Wind- und Solarkapazität entspricht, die im Jahr 2021 in ganz Europa installiert wurde. Die Forderung von Eurelectric nach mehr Finanzmitteln wurde in einem Schreiben der europäischen Verbände der Wind- und Chemieindustrie an die Europäische Kommission aufgegriffen. Es hieß, „die Beschleunigung des Aufbaus neuer und die Stärkung von alten Stromnetzen hat absolute Priorität“. Birnbaum fügte hinzu, dass die Situation mit dem Ziel der EU, bis 2050 Netto-Null-Emissionen anzustreben, wahrscheinlich schwieriger wird, da auch die Nachfrage nach Energie steigt.
Mit zusätzlicher Steuer auf Erneuerbare hat EU Vertrauen in Investoren zerstört
„Wir kommen in die Situation, dass es auch bei einem Systemgleichgewicht lokal zu einem Überverbrauch kommt, weil ich zum Beispiel zu viele E-Autos auf einer Straße lade“, sagt er. „Das System wird für uns als Betreiber immer anspruchsvoller.“ Der Eon-Chef warnte auch davor, dass die Eingriffe der EU in den Energiemarkt in diesem Jahr – insbesondere unerwartete Steuern auf Erzeuger erneuerbarer Energien, die von den Mitgliedstaaten ab dem 1. Dezember eingeführt werden sollten – das Vertrauen der Investoren in die Energieunternehmen erschüttert hätten. „Sobald sie sich ein äußerst ehrgeiziges Ziel für 10 Jahre gesetzt haben, müssen sie dies mit einer Art Anlegersicherheit untermauern. Sonst bleibt es eine fromme Hoffnung“, so Birnbaum.
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