In den kommenden Jahren wird das Wohnen aufgrund der Sanierungspflicht und Austauschpflicht von Öl- und Gasheizungen deutlich teurer werden. Bereits jetzt kämpfen viele Menschen mit den Kosten für Miete und Energie. Inflationsdruck, steigende Energieausgaben und zunehmende Mietpreise, stellen aktuell eine bedrohliche Situation für Mieter dar. Darüber hinaus gibt es weitere beunruhigende Aussichten, da der Bausektor in Europa etwa 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs verantwortet (Nordkurier: 10.05.23).
Strengere Energieeffizienzstandards und das Ende fossiler Heizungen: Wer trägt die Kosten der Energiewende im Wohnsektor?
Um den Energieverbrauch zu reduzieren und den Übergang zu erneuerbaren Energien im Wohnsektor zu bewältigen, setzen gesetzgebende Körperschaften auf europäischer und nationaler Ebene auf energetische Sanierungen. Das Europäische Parlament hat Mitte März strengere Energieeffizienzstandards für Gebäude befürwortet. Es wird angestrebt, dass Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 die Klasse D erfüllen.
Die Bundesregierung plant schrittweise, Öl- und Gasheizungen zu verbieten, um so den Abschied von fossilen Brennstoffen in Deutschland zu markieren. Doch dabei stellt sich die Frage: Wer übernimmt die Kosten dafür? Laut dem führenden Verband der Wohnungswirtschaft (GdW) ist die Antwort offensichtlich: Die Pflicht zur EU-Sanierung in Kombination mit den energetischen Auflagen der Ampel-Koalition wird nicht nur Hauseigentümern, privaten Vermietern und Wohnungsunternehmen erhebliche finanzielle Herausforderungen bereiten – es ist auch mit deutlichen Mieterhöhungen in den nächsten Jahren zu rechnen.
Sanierungskosten und Mietpreiserhöhungen: Die finanziellen Auswirkungen der Energiewende auf Mieter
Gemäß den Schätzungen von Haus und Grund, dem zentralen Verband der Immobilieneigentümer in Deutschland, belaufen sich die Gesamtkosten für eine Sanierung eines Mehrfamilienhauses je nach Sanierungsstatus auf 357 bis 750 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
Für eine typische 80 Quadratmeter große Wohnung variieren die Kosten demnach zwischen 28.560 und 60.000 Euro. Wie diese Ausgaben auf die Mieter verteilt werden können, wird durch die aktuelle Regelung zur Modernisierungspauschale bestimmt, wie der Deutsche Mieterbund erklärte: Vermieter dürfen jährlich acht Prozent der Sanierungskosten zur Miete hinzufügen, wobei die Miete innerhalb von sechs Jahren nicht um mehr als 3 Euro pro Quadratmeter erhöht werden darf. Bei Wohnungen mit einer Miete von unter 7 Euro pro Quadratmeter beträgt die maximale Erhöhung 2 Euro.
Für die 80–Quadratmeter–Beispielwohnung könnten somit jährlich Kosten von 2045 bis 4800 Euro auf die Mieter umgelegt werden, solange die Mieterhöhung die besagten Obergrenzen einhält. Im günstigsten Fall würde ein Mieter unter diesen Voraussetzungen mehr als 170 Euro mehr pro Monat zahlen müssen. „Und zwar zeitlich unbefristet auch über die Amortisation hinaus“, sagte Franz Michel, der beim Mieterbund den Bereich Wohnungs- und Mietenpolitik leitet.
Zwischen Sanierungskosten und Mietrecht: Die schwierige Balance der Energiewende
Mit anderen Worten: Auch wenn die Sanierung nach einigen Jahren durch den Mieter vollständig abbezahlt ist, bleibt die Miete dauerhaft erhöht. Deshalb liege das Problem „nicht in den notwendigen Sanierungen, sondern im aktuellen Mietrecht mit der Modernisierungsumlage“, die einseitig die Mieter belaste, so Michel.
Auf der anderen Seite befinden sich private Vermieter und häufig sozial orientierte Wohnungsunternehmen, die ohne die Möglichkeit, die Kosten auf die Miete umzulegen, von den obligatorischen Sanierungskosten überwältigt wären. „Für sozial ausgerichtete Wohnungsunternehmen ist die Miete die einzige Einnahmequelle, mit der sie die enormen Kosten für den Übergang zu erneuerbaren Energien decken können“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des GdW.
Bundesregierung unter Druck: Forderungen nach besseren Förderprogrammen und flexibleren Klimazielen
Daher ist es dringend notwendig, schnell geeignete Förderprogramme einzurichten, sonst „werden die Mieten unweigerlich steigen. Denn es gibt keine anderen Mittel, um die von der Regierung geforderten Investitionen zu erfüllen.“
Obwohl die Bundesregierung einen Förderplan vorgelegt hat, umfasst dieser nur Eigenheimbesitzer, die ihre Immobilie selbst nutzen. „In einem Land mit so vielen Mietern wie Deutschland ist das ein absoluter Skandal“, so Gedaschko weiter. „Ich kann nicht verstehen, wie man sowohl Vermieter als auch Mieter – und damit einen Großteil der Wählerschaft – bei der Finanzierung des Übergangs zu erneuerbaren Energien so rücksichtslos im Stich lässt.“
Dringender Appell an die Bundesregierung: Wohnungswirtschaft fordert Anpassungen bei Klimazielen und Förderprogrammen
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft fordert inständig, sowohl die nationalen als auch die europäischen Vorgaben zur Erreichung der Klimaziele abzuschwächen, zeitlich zu verlängern und mit umfassenden Förderprogrammen zu ergänzen. Die Bundesregierung muss dringend herausfinden, wie dies realisiert werden kann, „andernfalls könnte Deutschland wirtschaftlich und sozial erheblich beeinträchtigt werden und eine gesellschaftliche Teilung könnte die Folge sein“, so Axel Gedaschko, der Präsident des Verbandes, abschließend.
Die Situation für Mieter in Deutschland verschärft sich aufgrund des Übergangs zu erneuerbaren Energien weiter. Mieter waren schon in den krisenreichen Entwicklungen der letzten Jahre meist die Leidtragenden. Etwa 60 Prozent aller Haushalte in Deutschland sind Mietwohnungen, die größtenteils von Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen bewohnt werden.
Diese Haushalte sind bereits durch gestiegene Lebensmittel- und Energiekosten übermäßig belastet, da sie im Durchschnitt einen größeren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für den Lebensunterhalt aufwenden als reichere Haushalte. Hinzu kommt, dass nicht nur die Nebenkosten, sondern auch die Mieten selbst in jüngster Zeit deutlich gestiegen sind.
Inflation und stagnierender Immobilienmarkt treiben Mietpreise in Deutschland: Eine Analyse der Wohnsituation
Der Anstieg der Mieten liegt ebenfalls in der Inflation begründet: Vermieter versuchen, ihre gestiegenen Kosten auf ihre Mieter umzulegen. Dies ist jedoch nur möglich, weil ein weiterer Faktor eine Rolle spielt. In Deutschland gibt es nämlich eine ständige Rotation: Jedes Jahr erwerben etwa 400.000 neue Haushalte Immobilien, die sie selbst bewohnen möchten. Zwei Drittel dieser Haushalte waren zuvor Mieter. Daher geben jedes Jahr etwa 250.000 Haushalte ihre Häuser und vor allem Wohnungen frei, die neue Mieter beziehen können. Dies wurde in einer kürzlich durchgeführten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für die Deutsche Reihenhaus AG analysiert.
Da der Immobilienmarkt aktuell durch die drastisch gestiegenen Bauzinsen ins Stocken geraten ist, kommt diese Umzugsdynamik zum Erliegen und der Mietmarkt verstopft: Es gibt nach wie vor Mietinteressenten, aber es werden nicht genügend Mietobjekte frei.
Explosiver Anstieg der Mieten: Besonders betroffen sind Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg
Daher steigt die Nachfrage im Verhältnis zum Angebot, was zu erhöhten Mieten führt. „Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, wo die Mieten bisher noch niedrig waren, sind sie zuletzt stark angestiegen“, so der Informationsdienst des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IWD) kürzlich.
Tatsächlich verzeichneten die Mieten nach den neuesten Zahlen des IW im dritten Quartal 2022 im Jahresvergleich einen durchschnittlichen Anstieg von 5,8 Prozent bundesweit. In den drei vorherigen Jahren betrug der Anstieg nur 4,5 Prozent. Im Nordosten schossen die Mieten geradezu in die Höhe: In Mecklenburg-Vorpommern stiegen sie um 10,3 Prozent, in Brandenburg um 9,1 Prozent.