Derzeit steckt die Bundesregierung mehrere Milliarden Euro in neue LNG-Terminals. Der Schock der ausbleibenden russischen Gaslieferungen inklusive der sabotierten Ostseepipelines wirkt in der Energiepolitik nach: Der Wirtschaftsminister ging weltweit auf Einkaufstour für Erdgas und war dabei erfolgreich (Telepolis, 24.11.2022).
Die deutschen Gasspeicher erreichten vor dem anvisierten Termin einen Füllstand von 100 %, ein kalter Winter hat seither ein wenig von seinem Schrecken verloren. Doch im Gegenzug stockt der beschleunigte Ausbau von erneuerbaren Energien, der doch genauso zur unabhängigen Energieversorgung gehört. Kurz vor dem 1. Dezember 2022 erscheint die deutsche Energiepolitik der letzten Monate daher verfehlt.
Kostenexplosion bei den LNG-Terminals
LNG-Terminals sind auf jeden Fall wichtig, aktuell sind sie sogar unverzichtbar. Doch sie sind teuer, was von vornherein bekannt war, und sie werden sogar doppelt so teuer wie ursprünglich geplant. Das berichtet das Portal Telepolis. Demnach sind die Kosten von den anfangs kalkulierten 2,94 Milliarden Euro inzwischen auf 6,56 Milliarden Euro gestiegen. Dies ist ein Anstieg um sagenhafte über 123 %. Energieexperten rechnen nun vor, dass es genügt hätte, die ursprünglich veranschlagten 2,94 Milliarden Euro zeitig genug für erneuerbare Energien zu verwenden – dann hätte Deutschland weniger oder gar keine LNG-Terminals gebraucht.
Der Chef der DHU (Deutsche Umwelthilfe) Sascha Müller-Kraenner befürchtet nun, dass die Mehrkosten a) komplett den Steuerzahlern aufgebürdet werden und b) beim Ausbau der erneuerbaren Energien sowie bei der Gebäudesanierung fehlen werden. Auf einen weiteren Fakt weist der Umweltexperte hin: Die LNG-Terminals führen Deutschland zurück zur verstärkten Nutzung von fossilen Energien, die doch gerade überwunden werden sollten. Dies ist umso mehr zu befürchten, wenn das Geld in diese Art der Gasversorgung und nicht in erneuerbare Energien fließt. Es könnte mithin passieren, dass die deutsche Industrie und private Gasabnehmer alsbald nicht mehr auf LNG-Gas als Übergangstechnologie, sondern wieder vermehrt auf die Energieversorgung durch Gas setzen.
Widersprüchliche Signale bei der Energiepolitik der Bundesregierung
Erst unlängst traf sich der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) zu einem virtuellen Gipfel mit Netzbetreibern und Vertretern der Wind- und Solarbranche. Er wollte das Zeichen setzen, dass dieser Bereich gestärkt wird und es der Bundesregierung darum geht, ausreichende Produktionskapazitäten für eine echte Energiewende zu fördern. Habeck erklärte in seinem anschließenden Pressestatement, dass es im Jahr 2022 gelte, diese Förderungen neu aufzubauen, denn man habe in den vergangenen Jahren viele Kapazitäten verloren. Die drei Bereiche Solar-, Wind- und Kabelindustrie seien hinsichtlich ihrer Kapazitäten derzeit ungenügend aufgestellt. Dies verunsichere den Markt. Aktuell würden die Hersteller bei neuen Vorhaben leider zögern: Sie wollen erst wieder investieren, wenn sie konkrete neue Aufträge erhalten.
Das politische Ziel müsse es nun sein, den Markt wieder funktionsfähig zu machen. Es sei daher ein verlässliches Investitionsumfeld mit schnellen Genehmigungen, direkten Förderungen und privatem Investitionskapital für bestimmte Technologien erforderlich. Der Staat könne überdies mit Garantien einspringen, um in den bislang noch langwierigen Genehmigungsverfahren die Auftragsvergabe zu beschleunigen. Habeck versprach, die genannten Instrumente zu überprüfen. Er betonte, dass es ein großes unternehmerisches Interesse am Wiederaufbau der Solarindustrie in Europa gebe, wie auch der Präsident des Bundesverbandes der Solarwirtschaft Jörg Ebel bestätigte. Es seien dafür allerdings Milliardeninvestitionen nötig.
Die deutsche Solarindustrie galt noch in den frühen 2000er Jahren als weltweit führend, doch durch eine verfehlte Förderpolitik unterlag sie später der chinesischen Konkurrenz – bis hin zu spektakulären Pleiten von börsennotierten Solarherstellern. China subventioniert kräftig die eigene Solarindustrie, die daher weltweit mit Solarmodulen zu Dumpingpreisen die Märkte beherrscht.
Ausbaubedarf auch bei der Windkraft
In Deutschland wurden 2022 netto nur 281 Windräder neu errichtet. Dies ist ein Tiefststand bei der Windkraft, wie der Präsident des Bundesverbandes Windenergie Hermann Albers bedauernd feststellte. Dabei sende der Markt ausreichende Signale für ein starkes Wachstum. Weltweit schätzt man die Investitionen allein für die beiden EE-Bereiche Wind- und Solarenergie bis zum Jahr 2030 auf rund 400 Milliarden Euro.
Diesen Markt dürfe Deutschland nicht verpassen. Der einheimische Markt könne sich aber nur stabil entwickeln, wenn die Bundesländer gerade für die Windkraft genügend Flächen bereitstellen. Dies müsse bis spätestens 2025 geschehen. Auch dürfe man nicht vergessen, dass die EE-Industrie natürlich wie die Gesamtwirtschaft aktuell auch von Kostensteigerungen betroffen sei. Hierfür müsse man die Kriterien für Ausschreibungen anpassen. Selbst bereits genehmigte Projekte könnten sich unter Umständen wegen der Kostensteigerungen als unwirtschaftlich erweisen. Dies dürfte dann einen Rückzug der Investoren bedeuten. Fazit: Deutschland darf trotz der Maßnahmen gegen die Gaskrise die erneuerbaren Energien nicht vernachlässigen. Auf diesem Feld liegt die Zukunft der Energiesicherheit.
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