Das Staatsunternehmen Sefe hat im Jahr 2024 deutlich mehr russisches Gas nach Europa geleitet, als ursprünglich vereinbart. Nach Informationen des „Spiegel“ speiste der Nachfolger der deutschen Gazprom-Tochter rund fünf Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas ins Netz ein – mehr als eine Milliarde über der vertraglich festgelegten Menge von 3,7 Milliarden Kubikmetern. Damit profitierte der Kreml mutmaßlich von zusätzlichen Einnahmen in Millionenhöhe (spiegel: 18.04.25).
Staatsunternehmen ignoriert politische Linie
Obwohl viele EU-Staaten seit 2022 gezielt ihre Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren, bezog das Staatsunternehmen erhebliche Mehrmengen. Zur Begründung hieß es, die zusätzlichen Lieferungen hätten geringere Mengen aus dem Jahr 2023 ausgeglichen. Beobachter halten diese Erklärung für unzureichend. Denn während politisch der Ausstieg aus russischen Energielieferungen vorangetrieben wird, wirkt das Handeln von Sefe wie ein Schritt zurück.

Die zusätzlichen Importe lassen vermuten, dass wirtschaftliche Interessen über strategische Vorgaben gestellt wurden. Der Umfang der Mehrlieferung entspricht dem Jahresverbrauch von über 500.000 Haushalten. Diese Größenordnung lässt kaum auf einen bloßen Ausgleich schließen, sondern auf eine bewusste Entscheidung zur Mengenerhöhung.
Kontrolle durch den Bund ohne Einfluss?
Sefe steht zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Umso größer erscheint die Diskrepanz zwischen politischem Anspruch und tatsächlichem Handeln des Staatsunternehmens. Die Bundesregierung hat sich bisher nicht zu den Vorgängen geäußert. Auch eine Bewertung des Wirtschaftsministeriums bleibt aus. Das sorgt für Unverständnis, zumal die zusätzlichen Liefermengen direkt dem russischen Staatshaushalt zugutekommen könnten.
Der Verdacht wächst, dass staatliche Stellen entweder uninformiert waren oder stillschweigend zugestimmt haben. In beiden Fällen zeigt sich ein Problem: Entweder mangelt es an Kontrolle – oder an Transparenz. Denn gerade in geopolitisch angespannten Zeiten wirken solche Entscheidungen nicht nur nach innen, sondern auch international.
Staatsunternehmen unter Druck
Kritik an Sefe nimmt zu. Energieexperten fordern eine Überprüfung der Entscheidungsprozesse und verlangen, staatliche Energieimporte stärker zu regulieren. Auch parlamentarische Anfragen sind nicht ausgeschlossen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob ein Staatsunternehmen eigenmächtig Verträge ausweitet, obwohl die politische Lage eine andere Richtung vorgibt.
Die Begründung von Sefe, es handle sich um einen „technischen Ausgleich“, erscheint vielen zu vage. Ohne klare Kommunikation und nachvollziehbare Verträge bleiben Zweifel bestehen. Solange sich das Staatsunternehmen nicht transparent äußert, bleibt das Vertrauen in die staatliche Energiepolitik beschädigt.
Forderung nach Offenlegung
Experten mahnen zur vollständigen Offenlegung der Bezugsverträge. Nur so ließe sich nachvollziehen, ob die zusätzlichen Liefermengen gerechtfertigt waren. Solange aber weder der Bundestag noch die Öffentlichkeit Einblick erhält, bleibt Raum für Spekulationen. Angesichts der politischen Brisanz wirkt das Verhalten des Staatsunternehmens wie ein Kurswechsel im Schatten der Öffentlichkeit.
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