Ein derzeit sehr populärer Irrglaube lautet, dass sich Besitzer einer PV-Anlage bei einem Blackout nicht wirklich Sorgen machen müssen: Schließlich sind sie mit ihrer Photovoltaik Selbstversorger in Sachen Strom. Doch das muss beim echten Blackout keinesfalls funktionieren, wie jetzt ein Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW erklärte (EFahrer: 02.09.22).
Was passiert beim Blackout mit dem eigenen PV-Strom?
Besitzer von PV-Anlagen beziehen meistens einen Teil ihres Stroms aus der eigenen Solaranlage. Einen weiteren Teil (den überschüssigen) speisen sie ins öffentliche Netz ein. Nun liegt natürlich der Gedanke nahe, dass bei einem Stromausfall unter anderem wegen eines Blackouts der Strom weiter aus der eigenen PV-Anlage kommt. Der Energieexperte Reinhardt Loch (Verbraucherzentrale NRW) hat allerdings jüngst den Ruhr Nachrichten in einem Interview erklärt, dass dieser Gedanke schlichtweg falsch ist, weil herkömmliche PV-Anlagen nicht als Ersatz- oder Notstromanlagen konzipiert sind. Das liegt daran, dass sie sich bei der üblichen Koppelung mit dem öffentlichen Netz zum Zweck des Einspeisens von Strom bei einem Netzausfall automatisch sofort abschalten. Das müssen sie auch. Diese technische Sicherheit wurde vor allem zum Zweck der Abschaltung bei Wartungsarbeiten geschaffen. Wenn ein Elektriker am Stromnetz Arbeiten durchführen muss, unterbricht er die Versorgung am Verteilerkasten.
Am Verteilerkasten kommt der Strom vom öffentlichen Netz ins Haus, aber auch umgekehrt von der PV-Anlage des Hauses ins öffentliche Netz. Wenn die PV-Anlage noch weiter Strom liefern würde, stünden die Leitungen im Verteilerkasten nach wie vor unter Strom, was für den Elektriker naturgemäß lebensgefährlich wäre und überdies eine Arbeit an den Leitungen unmöglich machen würde. Natürlich ist es denkbar, bei solchen Wartungen alle angeschlossenen PV-Anlagen separat abzuschalten. Doch das muss nicht immer gelingen, weil möglicherweise die Anwohner nicht zu Hause sind oder weil sie ihre Anlage auch versehentlich noch während der Wartung wieder in Betrieb nehmen könnten. Aufgrund solcher Sicherheitsbedenken wurden die meisten existierenden PV-Anlagen so ausgelegt, dass sie sich automatisch abschalten, wenn das öffentliche Netz ausfällt. Dies bedeutet zunächst einmal in der bestehenden Konstellation: Bei einem Blackout kommt kein Strom aus der PV-Anlage.
Wie wäre bei einem Blackout dennoch Strom aus der eigenen PV-Anlage zu beziehen?
Zwar ist die Eigenversorgung bei einem Stromausfall technisch möglich, sie ist aber nicht üblich und bedarf spezieller Vorkehrungen. In Privathaushalten gibt es sie praktisch nicht, es sei denn, die Besitzer der PV-Anlage hätten sich von vornherein entschlossen, ihre Anlage ausschließlich im Inselbetrieb zu betreiben und niemals Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Zu diesem Zweck würden sie aber zwei vollkommen voneinander getrennte Stromkreise benötigen: Einen für den Solarstrom und einen für den Strom aus dem öffentlichen Netz, den sie schließlich auch gelegentlich brauchen. Auf diese teure Weise dürfte wohl kaum ein Eigenheimbesitzer bislang vorgesorgt haben. Lediglich in speziellen Gebäuden wie Krankenhäusern oder Rechenzentren setzt man schon auf diese Art der Eigenversorgung im Notfall. Teuer ist diese Variante nicht nur wegen der viel aufwändigeren Installation von zwei separaten Stromkreisen, sondern auch wegen des Wegfalls der Einspeisevergütung.
Was könnten Privathaushalte mit PV-Anlage tun?
Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, aus ihrer Solaranlage bei einem Netzausfall Strom zu beziehen: Den Umbau auf Ersatzstrom oder den Umbau auf Notstrom.
Variante 1: Ersatzstrom
Für den Ersatzstrombetrieb sind Umbaumaßnahmen der Elektrik erforderlich, die gewährleisten, dass bei Bedarf eine komplette Trennung des Gebäudes vom öffentlichen Stromnetz erfolgt. So ein Umbau kostet zunächst rund 2.000 Euro, was nicht sehr teuer ist. Doch der Umbau der Leitungen und Verteiler mit Zähler allein genügt nicht. Die Eigenheimbesitzer müssen auch in einem Solarspeicher die nötige Leistung für die Nacht oder einen sehr bewölkten Tag vorhalten. Sie liegt bei geschätzten 20 KW. Die gängigen Batteriespeicher leisten meistens 5 bis 10 KW. Größere Speicher sind relativ teuer, ihre Anschaffung nur für einen Stromausfall lohnt sich eher nicht. Außerdem schafft es die gängige Solaranlage in der Regel nicht, den großen Speicher ausreichend aufzuladen. Schlussfolgerung: Der Ersatzstrombetrieb ist eine teure und dabei nicht einmal zuverlässige Maßnahme.
Variante 2 Notstrom:
Der Notstrombetrieb verursacht weniger Aufwand. Der Elektriker legt dann von der PV-Anlage ein separates Kabel ins Haus, das ein oder zwei Steckdosen mit Strom beliefert. Für diese Leitung muss noch einmal ein spezieller Wechselrichter zwischengeschaltet werden. Die Bewohner könnten dann ein wenig Strom aus ihrer PV-Anlage und dem Solarspeicher beziehen. Es gibt auch Speicher mit eigenem kleinen Wechselrichter, sodass die PV-Anlage gleich in den Speicher einspeist und dieser dann den Notstrom liefert. Dieser flösse auch schwankungsfrei. Allerdings ist bei einem tagelangen Blackout damit zu rechnen, dass er nicht genügt, weil die herkömmlichen Batteriespeicher zu klein sind. Empfohlen wird diese nicht sehr teure Maßnahme dennoch vor allem dann, wenn einige strombetriebene Geräte im Haus lebenswichtig sind, so etwa ein Beatmungsgerät. Die Bewohner müssen aber darauf vorbereitet sein, dass sie sich bei ihrem Stromverbrauch auf das Nötigste beschränken müssen.
Fazit
Da ein Blackout im kommenden Winter nicht mehr auszuschließen ist, sollten Besitzer von PV-Anlagen wenigstens die Variante Notstrom in Angriff nehmen, um nicht im Dunkeln zu sitzen
Lesen Sie auch:
- Tausende alter Solarmodule landen weltweit auf Deponien
- Kein Strom aus neuen Solaranlagen: Bürokratie erzeugt Frust
- Europa erwägt ernsthaft eine größere Investition in weltraumgestützte Solarenergie
- In Kalifornien stapeln sich Solarmodule auf den Mülldeponien
- Strafsteuer auf Dächer ohne Solaranlage in Diskussion