Japan setzt wieder verstärkt auf Atomkraft. Rund 13 Jahre nach der Katastrophe von Fukushima reaktiviert das Land mehrere Kernkraftwerke – ein Schritt, der dem Klimaschutz und stabilen Strompreisen dient. In Japan kostet Strom aktuell nur die Hälfte im Vergleich zu Deutschland (faz: 17.12.24).
Ein Land zwischen Katastrophe und Erneuerung
Das ehemalige Altersheim nahe Fukushima-Daiichi steht als Symbol für das Unglück von 2011. Ein Erdbeben und ein nachfolgender Tsunami führten damals zu einer Kernschmelze. In dem verlassenen Gebäude erinnern verwitterte Betten, Rollatoren und Zeitschriften an den hastigen Aufbruch.
Noch heute gilt ein Gebiet von 300 Quadratkilometern als Sperrzone. Der Rückbau des Reaktors wird Jahrzehnte dauern.
Onagawa: Ein Atomkraftwerk trotzt dem Tsunami
Nur 150 Kilometer entfernt liefert das Kernkraftwerk Onagawa seit kurzem wieder Strom. Trotz der Tsunamiwelle von 2011, die das Kraftwerk traf, kam es dort zu keiner Kernschmelze. Der Reaktor lag auf einem 15 Meter hohen Sockel und blieb größtenteils unbeschädigt. Sicherheitsvorkehrungen wurden danach verstärkt: Die Flutmauer wurde auf 29 Meter erhöht.
Japans Wirtschaftsminister Yoji Muto betonte bei der Wiedereröffnung die Bedeutung der Atomkraft für die Stabilität der Stromversorgung. Der Osten des Landes deckt 80 Prozent seines Strombedarfs mit fossilen Energien wie Kohle, Gas und Öl. Zusätzliche Rechenzentren und der steigende Energieverbrauch erfordern weitere Kapazitäten.
Neue Energiepolitik für mehr Atomstrom
Nach Fukushima plante Japan, die Abhängigkeit von Atomkraft zu verringern. Dieser Ansatz ändert sich nun. Die Regierung genehmigte den verstärkten Einsatz von Kernenergie, um CO2-Emissionen zu senken und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Große Industriezweige wie Automobilbau und Chemie benötigen zuverlässigen und günstigen Strom. Auch Rechenzentren für künstliche Intelligenz steigern den Bedarf.
Während Deutschland aufgrund der hohen Anteile erneuerbarer Energien teuren Strom verzeichnet, bleibt Japan günstiger. Im November lag der durchschnittliche Strompreis in Deutschland bei 115 Euro pro Megawattstunde. In Japan betrug er nur 74 Euro.
Japans Energiemix bis 2040
Das Wirtschaftsministerium METI plant bis 2040 einen Energiemix mit 40 bis 50 Prozent erneuerbaren Energien und 20 Prozent Atomkraft. Bisher betrug der Anteil der Kernenergie lediglich sechs Prozent. Bis 2050 strebt Japan das Ziel von netto null CO2-Emissionen an. Schon 2035 sollen die Emissionen um 60 Prozent gegenüber 2013 sinken.
Der Übergang zu mehr Atomenergie verläuft überraschend ruhig. Während nach Fukushima Tausende gegen Atomkraft demonstrierten, versammelten sich zur Wiedereröffnung des Onagawa-Kraftwerks nur wenige Dutzend Menschen.
Herausforderungen für erneuerbare Energien
Japan sieht in der Kernkraft eine stabilere Energiequelle als in erneuerbaren Energien. Der steile Meeresboden erschwert den Bau von Offshore-Windanlagen. Zudem bietet die bergige Landschaft kaum Platz für großflächige Solarfelder. Anders als Deutschland kann Japan keinen Strom aus Nachbarländern importieren, wenn Wind und Sonne ausfallen.
Derzeit prüft die Nuklearaufsicht 27 Reaktoren auf Sicherheitsstandards. 17 davon erhielten bereits die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme. Nur der Reaktor Tsuruga 2 wurde abgelehnt, da eine mögliche Erdspalte in der Nähe liegt.
Weltweit größtes Atomkraftwerk geht ans Netz
Die Behörde erlaubte ebenfalls den Neustart des Kraftwerks Kashiwazaki-Kariwa, dem größten der Welt. Trotz der Nähe zu erdbebengefährdeten Zonen erzeugt es unter Volllast 8,2 Gigawatt Strom und versorgt 13 Millionen Haushalte.
Tatsuya Terazawa vom Institut für Energiewirtschaft erklärt die Abhängigkeit von Kernkraft so: Japan verfüge über zu wenig Flächen für erneuerbare Energiequellen. Die geographischen Bedingungen erfordern alternative Lösungen für eine stabile Stromversorgung.
Mit der Rückkehr zur Kernenergie verfolgt Japan das Ziel, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verbinden.
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