In einer umfassenden Analyse kritisieren Forscher des IW Köln die Wohnungsbau- und Wärmestrategie der Regierung. Sie sehen steigende Kosten und wenig Nutzen. Bauprojekte werden aufgegeben oder gar nicht erst begonnen. Um den Neubau dort zu fördern, wo er wirklich gebraucht wird, schlagen die Experten eine neue Idee vor (welt: 15.11.23).
Krise im Wohnungsbau: Mieten steigen, Klimaschutz stagniert, IW Köln analysiert
Die Wohnungsbauaufträge gehen zurück, und die Mieten in den Großstädten steigen stetig an. Gleichzeitig kommt der Klimaschutz im Gebäudesektor in Deutschland nicht voran. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln rechnet in einer umfassenden Analyse mit der Wohnungsbau- und Wärmestrategie der Bundesregierung ab. Das bisherige Vorgehen wird als problematisch angesehen, und es wird befürchtet, dass die Wärmewende scheitern könnte.
Ein wachsendes Problem besteht darin, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen und erhalten werden muss, während gleichzeitig Umweltschutz und die Reduzierung von CO₂-Emissionen bei Immobilien wichtig sind. Die Politik hat jedoch durch immer neue Vorschriften die Bau- und Sanierungskosten erhöht, ohne die CO₂-Emissionen signifikant zu reduzieren.
Zudem gibt es einen Mangel an verfügbarem Bauland. Die Politik muss sicherstellen, dass ausreichend Bauflächen vorhanden sind, um preisgünstigen Wohnraum anzubieten. Die jüngsten Umfragen des Ifo-Instituts zeigen, dass immer mehr Bauunternehmen unter Auftragsmangel leiden. Die gestiegenen Zinsen und Baupreise machen Projekte unrentabel.
Innovative Lösungen für den Wohnungsbau: IW-Experten schlagen neue Wege vor
Die IW-Experten Voigtländer und Henger führen dies auf einen Abwarteeffekt zurück. Projektentwickler befürchten, dass sie die gestiegenen Baukosten bei höheren Zinsen nicht an ihre Kunden weitergeben können, daher stellen sie ihre Bauprojekte ein.
Die Bundesregierung hat ehrgeizige Klimaschutzziele, jedoch fehlt eine Gesamtstrategie, um diese Ziele zu erreichen. Der im Oktober beschlossene 14-Punkte-Plan wird positiv bewertet. Die Ökonomen schlagen zusätzliche Maßnahmen zur Baulandpolitik vor. Es wird festgestellt, dass zwar viel gebaut wird, aber oft an ungeeigneten Orten. In Regionen mit hoher Nachfrage sind die Grundstückspreise stark gestiegen.
Die IW-Experten schlagen einen bundesweiten Handel mit Flächenzertifikaten vor, um mehr Flächeneffizienz zu erreichen. Gemeinden könnten Zertifikate erhalten, die ihnen die Ausweisung neuen Baulands ermöglichen. Die Verteilung der Zertifikate erfolgt nach einem degressiven Bevölkerungsschlüssel, um Gemeinden mit wachsender Bevölkerung zu unterstützen.
Flächenzertifikate für nachhaltigen Wohnungsbau und Klimaschutz
Ein solcher Handel würde den Kommunen mehr Spielraum geben und gleichzeitig die Flächennutzung verbessern. Dadurch könnte das Ziel, die tägliche Neuversiegelung von Grundstücken auf 30 Hektar bis 2030 zu reduzieren, erreicht werden.
Die Ökonomen kritisieren vor allem die Fehlanreize beim Klimaschutz in Bezug auf erschwingliche Neubauten und Energie-Sanierungen. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG), auch bekannt als Heizungsgesetz, wird negativ bewertet.
Das Gesetz kommt ihrer Meinung nach zur falschen Zeit, da sich bereits im letzten Winter eine positive Entwicklung im Wärmepumpenmarkt abzeichnete. Die Diskussion über Gebote und Verbote im Zusammenhang mit Heizsystemen hat viele Bürger verunsichert, wodurch einige Eigentümer abwarten.
Experten empfehlen Förderanreize und CO₂-Preis
Die Experten schlagen vor, anstelle von Geboten und Verboten, Förderanreize einzuführen, wie Einkommenssteuererleichterungen, besser angepasste Fördergelder und einen CO₂-Preis. Dies würde den Menschen die Entscheidung überlassen und Innovationen fördern. Besonders im ländlichen Raum könnten umfangreiche Sanierungen oft unwirtschaftlich sein.
Um Vermieter zur energetischen Sanierung zu motivieren, könnte für Mietwohnungen eine eigene Energie-Kostenumlage eingeführt werden, die die Energiekosten für Mieter senken würde.
Die Ökonomen loben jedoch, dass die Bundesregierung den Effizienzhausstandard 40 nicht zum allgemeinen Standard erklärt hat. Stattdessen betonen sie die Bedeutung grüner Energie für den Gebäudesektor.
Deutschland liegt bei den Emissionen fürs Wohnen pro Einwohner im Vergleich zu anderen Ländern auf einem ungünstigen fünftletzten Platz. Daher ist es wichtig, die Wärme- und Energiequelle nachhaltiger zu gestalten.
Nachhaltige Lösungen für die Wärmewende: Expertenvorschläge und Kritik der Umweltverbände
Um die Nutzung von Wärmepumpen zu fördern, schlagen die Experten vor, die Stromsteuer zu senken und den Strommix umweltfreundlicher zu gestalten.
Umweltverbände kritisieren ebenfalls die deutsche Wärmewende, insbesondere die Herabsetzung des Ziels für erneuerbare Energien in der Wärmeerzeugung bis 2030. Sie bemängeln auch Ausnahmen für Kommunen und das Fehlen von Bußgeldern im Wärmeplanungsgesetz.
Die Ökonomen aus Köln stimmen zu, dass weitere Subventionen für den Neubau notwendig sind, da die steigenden Zinsen und Baukosten die Bautätigkeit stark beeinträchtigen und die Mieten weiter steigen würden. Daher halten sie kurzfristige Marktsubventionen für richtig.
Auch Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, fordert deutliche Unterstützung vom Staat, um Entlastung und Möglichkeiten zu schaffen.
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