Wirtschaftskrise zwingt Unternehmen zur Flucht aus Deutschland

Die Wirtschaftslage in Deutschland ist kritisch. Zahlreiche Unternehmen aus der Industrie denken zunehmend über eine Abwanderung ins Ausland nach. Das ergab eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Besonders besorgniserregend ist der Stellenabbau, der vielerorts bereits begonnen hat. Wirtschaftsexperten sehen die Situation äußerst skeptisch. „Die Deindustrialisierung Deutschlands schreitet voran“, betonte Harald Müller, Geschäftsführer der Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA), bereits Anfang des Jahres. Erschwert wird die Lage durch die Unsicherheit in der Wirtschaft. Unternehmen bereiten Produktionsverlagerungen großflächig vor oder haben diese bereits durchgeführt (agrarheute: 02.10.24).


Die Ursachen der Deindustrialisierung

Harald Müller führt die Entwicklung auf grundlegende Fehlentscheidungen in der Energiepolitik zurück. Unternehmen reagieren, indem sie ihre Produktionen ins Ausland verlegen. Besonders betroffen sind die chemische Industrie, die Metallverarbeitung sowie die Automobilbranche mitsamt ihrer Zulieferer. Dabei sei es laut Müller nicht mehr die Frage, ob Abwanderungen stattfinden, sondern lediglich, wann und wie schnell.

Stellenabbau und Deindustrialisierung schreiten voran - immer mehr Unternehmen planen die Verlagerung ins Ausland
Stellenabbau und Deindustrialisierung schreiten voran – immer mehr Unternehmen planen die Verlagerung ins Ausland

Auch Hans-Werner Sinn, der ehemalige Leiter des Ifo-Instituts in München, äußerte sich kritisch zur Lage. Seiner Meinung nach wird die Deindustrialisierung durch die deutsche Energiewende vorangetrieben. Dazu zählt er Maßnahmen wie die Abschaltung der Atomkraftwerke, das Verbot von Ölheizungen sowie das geplante Aus für Verbrennungsmotoren. Diese Entwicklungen führten zu einem übermäßigen Vertrauen in Strom, der jedoch nicht ausreichend verfügbar sei, um die Wirtschaft verlässlich zu stützen. Sinn fordert daher eine Energiepolitik, die neben grünem Strom auch konventionelle Kraftwerke berücksichtigt.

Energiewende: Ein riskanter Balanceakt

Die Energiepolitik ist ein zentraler Streitpunkt. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes aus dem März 2024 bekräftigt, dass Deutschland vor einer erheblichen Lücke an steuerbarer Kraftwerksleistung steht. Diese Versorgungslücke könnte gegen Ende des Jahrzehnts zu massiven Problemen für die Industrie führen. Hans-Werner Sinn warnt außerdem vor den Auswirkungen des Energieeffizienzgesetzes, das eine Senkung des Endenergieverbrauchs um 45 Prozent bis 2045 vorsieht. Selbst wenn der Energiebedarf künftig vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird, wird dies laut Sinn nicht ausreichen, um den Strombedarf der Unternehmen zu decken.

In seinen Ausführungen spricht Sinn von einem „Programm der Deindustrialisierung“. Die hohen Energiepreise und die Unsicherheit über die zukünftige Energieversorgung wirken sich negativ auf die Investitionen der Unternehmen aus. Zwei Drittel der Industriebetriebe fühlen sich dadurch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt.


Unternehmen sehen Standort Deutschland gefährdet

Laut der Umfrage der DIHK plant über die Hälfte der Industriebetriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern bereits Produktionseinschränkungen oder Abwanderungen ins Ausland. Diese Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – damals lag der Anteil bei 43 Prozent. Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, stellt fest, dass das Vertrauen der Unternehmen in die deutsche Energiepolitik stark gelitten hat. Die Unternehmen sehen durch die hohen Energiepreise nicht nur ihre Produktion, sondern auch ihre Innovationskraft gefährdet.

Lösungsansätze gefordert

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer grundlegenden Herausforderung. Um den Industriestandort zu sichern, sind umfassende Reformen erforderlich. Dercks betont die Notwendigkeit einer verlässlichen Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Insbesondere eine Senkung der Steuern und Abgaben auf den Strompreis sei für rund 80 Prozent der Betriebe eine zentrale Forderung.

Die hohe Abwanderungsbereitschaft und die damit einhergehenden Produktionsverlagerungen verdeutlichen, dass ein Umdenken in der Energiepolitik dringend erforderlich ist. Nur so kann verhindert werden, dass Deutschland seine industrielle Basis verliert. Die Zeit drängt – die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hängt davon ab.

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