Die USA haben sich lange gegen die Abhängigkeit der NATO und hierbei insbesondere Deutschland, von russischem Erdgas, gestellt. Tatsächlich nutzten die Vereinigten Staaten Exportkontrollen, um die ursprüngliche Jamal-Pipeline in den 1980er Jahren zu blockieren. Sie glaubten, dass die Drohung einer russischen Abschaltung die politischen Entscheidungen Europas verändern würde.
Noch 2018 warnte der damalige Präsident Donald Trump die Europäer vor der UN-Generalversammlung vor einer möglichen russischen Energieabschaltung. Dann kamen die Ukraine und starke Kürzungen bei der Lieferung von russischem Erdgas nach Europa. Jetzt, da Norwegen und Polen die Eröffnung der Transbaltischen Pipeline ankündigen, wurden die russischen Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 in der Nähe der dänischen Insel Bornholm in der Ostsee offensichtlich durch Sabotage beschädigt. Mittlerweile sind vier einzelne Lecks bekannt, was die Möglichkeit eines technischen Fehlers im Wesentlichen ausschließt.
Nord Stream Pipelines offensichtlich durch Sabotage zerstört
Während die Pipelines derzeit nicht in Betrieb sind, halten die Betreiber sie unter Druck und das Gas sprudelt an die Oberfläche. Dies deutet darauf hin, dass der Schaden an beiden Pipelines erheblich war, obwohl eine vollständige Bewertung noch durchgeführt werden muss. Reparaturen, können einige Zeit dauern, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie vor dem Winter wieder in Betrieb genommen gehen kann. Die ersten Vermutungen waren, dass die Nord Stream-Pipelines sabotiert wurden, um Russlands Krieg in der Ukraine zu beeinflussen. Eine solche Operation würde die Fähigkeit erfordern, die Pipelines zu lokalisieren und Sprengladungen an verschiedenen Orten zu platzieren (asiatimes: 28.02.22). Wenn ja, stellt sich die Frage, wer hat es getan und warum?
Zerstörung nur mit Tauchfahrzeugen möglich
Die Nord Stream-Pipelines befinden sich in Meerestiefen von 80 bis 110 Metern. Das ist eine Tiefe, in der Taucher normalerweise nicht mehr operieren. Es müssen also Tauchfahrzeuge erforderlich gewesen sein, um Sprengstoffe auf der Pipeline zu platzieren oder sie anderweitig zu beschädigen.
Die Unterwasserrohre für Nord Stream bestehen aus Stahl der Güte DNV SAWL 485 mit einer Wandstärke von 26,8 bis 34,4 mm. Diese Röhren wurden von sechs qualifizierten Herstellern hergestellt (einer in Russland, vier in Europa und einer in Japan). Die Rohre sind einbetoniert. Vorsätzliche Beschädigung wäre keine leichte Angelegenheit.
Wer profitiert von zerstörten Pipelines?
Die Ukraine hat bereits gesagt, dass die Sabotage von den Russen durchgeführt wurde. „Das großflächige Gasleck ist nichts anderes als ein von Russland geplanter Terroranschlag und ein Akt der Aggression gegenüber der EU“, verkündete Kiews Präsidentenberater Michail Podolyak auf Twitter. Das Problem bei diesem Argument ist, dass Russland all seinen Einfluss auf Europa verlieren würde, wenn es seine eigenen Pipelines zerstören würde. Sowohl Nord Stream 1 als auch Nord Stream 2 gehören einem gemeinsamen Projekt. Gazprom hat 51 % und vier westliche Partner. PEGI/E.ON und Wintershall Dea halten jeweils 15,5 %, die französische Engie und die niederländische Gasunie jeweils 9 %.
Die Ukraine selbst könnte ein Kandidat sein, um Russland jetzt und in Zukunft wirtschaftlich zu schaden. Aber wenn das der Fall ist und die Ukraine als Schuldiger entdeckt würde, würden ihre Beziehungen zu Europa und der NATO enorm beschädigt. Fast jedes europäische Land verfügt über die technische Fähigkeit, mit ferngesteuerten Fahrzeugen auf hoher See zu operieren. Einige von ihnen haben Unterwasser-Militärdienste entwickelt, die Unterwasserziele angreifen und zerstören können. Aber welches europäische Land würde das wollen? Es wäre für jeden europäischen Staat sehr riskant, eine Sabotageaktion gegen die beiden Pipelines durchzuführen. Erstens, so wie die Russen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 aus eigenen Gründen intakt brauchen, brauchen die Europäer sie für zukünftige Gaslieferungen intakt. Darüber hinaus könnte ein solcher Schritt von Russland als Kriegshandlung angesehen werden.
Russland hat auch ein sehr angespanntes Verhältnis zu den baltischen Staaten. Jeder von ihnen könnte Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Pipelines durchführen. Die Tatsache, dass dies Europa bei einem Ende der Sanktionen in naher Zukunft von Gaslieferungen abgeschnitten würde, macht dies jedoch zu einem unwahrscheinlichen Schritt für jedes Land, das in Bezug auf die Sicherheit auf die NATO angewiesen ist.
Auch die Ampelregierung profitiert
Letztendlich profitiert auch die Ampelregierung von der Zerstörung der Pipeline Nord Stream 2. Von Woche zu Woche demonstrieren mehr Menschen gegen die aktuelle Energiepolitik. Ausgehend vom Osten des Landes haben sich mittlerweile die Demonstrationen auch auf den Westen ausgeweitet. Dabei wurde die Forderung Nord Stream 2 zu öffnen, um die Energieversorgung zu sichern und die Preise zu senken immer lauter (Blackout-News: 28.09.22). Das Problem, dem Druck von der Straße bei einem massiven Versorgungsengpass nachgeben zu müssen, hat sich jetzt für die Regierung erst einmal erledigt.
Könnte die USA die Pipelines zerstört haben?
Könnten die USA die Nord Stream-Pipelines sabotiert haben, um Präsident Putin in diesem Winter seinen Einfluss auf Europa zu nehmen? Wenn es in Washington erhebliche Befürchtungen gab, dass Europa den Konsens über die Sanktionierung Russlands wegen des Ukraine-Krieges brechen könnte, um sich diesen Winter vor einer Energiekrise zu retten, dann könnte ein solcher Schritt logisch sein. Ein solcher Schritt würde aber auch enorme politische, strategische und sicherheitsrelevante Risiken bedeuten. Die USA sind zu einem wichtigen Energieakteur geworden und liefern LNG in immer größeren Mengen nach Europa. Europa hat von den USA geliefertes LNG verwendet, um seine Lagertanks für den kommenden Winter zu füllen. Die meisten amerikanischen Lieferungen gehen über Frankreich, mit Spanien und den Niederlanden als Nebenrouten. Es gibt Berichte, dass die USA bei der Lieferung von LNG nach Europa und Asien fast ausgelastet sind, und die Erdgaspreise in den USA könnten erheblich steigen, wenn mehr LNG verschifft wird.
Bisher liegen keine Beweise vor
Niemand kann bis heute die Frage beantworten, wer die Nord Stream-Pipelines sabotiert hat. Die Ostsee ist ein von der NATO stark überwachtes Gebiet. Es ist unwahrscheinlich, dass dort russische Marineeinheiten unbemerkt operieren könnten. Würde es Beweise für eine russische Beteiligung, wie z. B. Satellitenbilder, geben hätte man diese längst medienwirksam veröffentlicht. Ob die Täter je ermittelt werden ist fraglich und wenn ja wird man dies vermutlich nicht veröffentlichen. Umwelt- und Klimaschützer als Täter kann man mittlerweile mit hoher Sicherheit ausschließen. Diese hätten nicht die technischen Möglichkeiten und wenn doch, hätten sie sich längst zur Tat bekannt. Es bleibt also nur ein politisches Motiv.
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