Wegzugsteuer -wie Europa mit neuen Abgaben reiche Auswanderer aufhalten will

Immer mehr Vermögende verlassen Länder wie Großbritannien und Deutschland, um in Steueroasen wie Dubai oder die Schweiz zu ziehen. Doch die Politik reagiert mit einer neuen Abschreckungsstrategie: Die Wegzugsteuer soll Kapitalflucht erschweren und gleichzeitig hohe Einnahmen sichern (bloomberg: 24.06.25).


Europa verschärft die Wegzugsteuer

Länder wie Deutschland, Norwegen und Belgien setzen auf neue Regeln zur Wegzugsteuer. Auch Großbritannien und die Niederlande prüfen entsprechende Modelle. Ziel ist, Kapitalgewinne vor dem Auswandern zu erfassen und so die Steuerbasis im Inland zu sichern. David Lesperance von Lesperance & Associates beschreibt die Auswirkungen: „Kunden, die illiquide Vermögenswerte und Hypotheken haben, zögern dann, diese auszulösen, weil sie einfach nicht das Geld haben, um die Rechnung zu bezahlen.“

Wegzugsteuer soll reiche Auswanderer bremsen. Europa verschärft Regeln – mit weitreichenden Folgen für Vermögende und Investoren
Wegzugsteuer soll reiche Auswanderer bremsen. Europa verschärft Regeln – mit weitreichenden Folgen für Vermögende und Investoren

Unternehmer und Investoren sehen sich dadurch mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert. Entweder sie tragen die hohen Kosten oder verzichten auf einen Umzug ins Ausland.

Vermögende kämpfen mit steuerlichen Folgen

Ein Beispiel aus Deutschland verdeutlicht die Konsequenzen: Ein Medizinstudent mit Start-up-Anteilen im Wert von 800.000 Euro hätte 200.000 Euro abführen müssen. Erst durch ein Rückkehrmodell ließ sich die Steuer umgehen. Norwegen erhebt bis zu 38% auf nicht realisierte Kapitalgewinne, Deutschland rund 27%. Norwegens Regierung hat zudem legale Umgehungswege wie lange Auslandsaufenthalte rechtlich ausgeschlossen.

Prominente Norweger wie Ninja Tollefsen oder Olympiasieger Bjørn Dæhlie verließen wegen wachsender Belastungen das Land. Deutschland wiederum besteuert ab einem Prozent Unternehmensbeteiligung oder ab 500.000 Euro Aktienwert. Eine Gesetzesreform erweiterte diese Regelung auf Investmentfonds mit Steuersätzen bis zu 45%.

Internationale Maßnahmen gegen Kapitalflucht

Auch Frankreich, Belgien und die USA greifen härter durch. Frankreich erhebt 30% Wegzugsteuer auf Aktienvermögen über 800.000 Euro. Belgien führt ab Juli eine 10-prozentige Abgabe auf Kapitalgewinne ein. Die USA zielen auf reiche Ex-Bürger oder Green-Card-Inhaber ab. Großbritannien schloss die Einführung zwar offiziell aus, doch Finanzexperten fordern Nachbesserungen.

In Norwegen wurde das Steuerrecht erneut verschärft, um Dividendenflucht durch Auslandsfirmen zu unterbinden. Thor Leegaard von KPMG berichtet von einem Mandanten, der nach Kalifornien zog, bevor sein Start-up weiter an Wert gewann – eine Flucht vor künftiger Steuerlast.

Wohnsitzmodelle zur Steuervermeidung

Tobias Stöhr von Rose & Partner kennt kreative Wege seiner Mandanten. Ein Unternehmer reiste mit Tochter in die USA, kehrte später zurück – nur um die Wegzugsteuer zu umgehen. In einem anderen Fall wurde eine Tochter aus der Nachfolge ausgeschlossen, um hohe Steuerforderungen zu verhindern.

„Ich habe Mandanten, die gerne aus Deutschland wegziehen würden, es aber nicht tun“, berichtet Stöhr. Die Angst vor staatlichem Zugriff blockiert Mobilität und Nachfolgeplanung.


Steuerparadiese geraten unter Druck

Trotz ihrer Beliebtheit sehen sich auch klassische Zufluchtsländer mit Reformen konfrontiert. Die Schweiz verlangt zwischen 100.000 und 400.000 Franken jährlich von vermögenden Zuzüglern. Im November steht dort ein Referendum über eine Erbschaftsteuer von 50% an.

Italien erhebt pauschal 200.000 Euro auf Auslandseinkommen. Steueranwalt Marco Cerrato zählt 4.500 Neuzuzügler in den letzten acht Jahren. Mailand gewinnt unter Reichen zunehmend an Attraktivität – vor allem als Alternative zu London.

Die Wegzugsteuer verändert Europas Finanzlandschaft

Philipp Zünd von KPMG erkennt einen Trend: Immer mehr vermögende Norweger und Spanier ziehen in die Schweiz. Auch Briten verlassen das Königreich, um steigenden Erbschaftssteuern zu entgehen. Lesperance bringt es auf den Punkt: „Die Mandanten überlegen sich, welche Gerichtsbarkeit für sie am besten geeignet ist, um alle Bedürfnisse ihrer Familie zu erfüllen.“

Europa setzt verstärkt auf die Wegzugsteuer, um reiche Bürger an das Herkunftsland zu binden. Doch der Wettbewerb um Kapital kennt keine Grenzen – er verlagert sich nur von Land zu Land.

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