Wärmepumpen-Boom und Erneuerbare Energien: Sind Deutschlands Stromnetze der Herausforderung gewachsen?

In den nächsten Jahren sollen viele Wärmepumpen aufgebaut werden. Aber Energieexperten sind sich nicht sicher, ob die Stromnetze stark genug sind, um das zu verkraften. Elektroautos und Solaranlagen machen die Situation noch komplizierter.


Die Pläne der Bundesregierung zur Nutzung von Wärmeenergie könnten die Stromnetze überfordern. Sie möchten ab 2024 jedes Jahr 500.000 Wärmepumpen, die mit Strom laufen, anschließen. Bis 2030 sollen es insgesamt sechs Millionen solcher Geräte sein. Jedes dieser Geräte verbraucht so viel Strom wie ein Mehrfamilienhaus. Florian Bieberbach, der Leiter der Stadtwerke München, erklärt, dass diese Geräte vor allem an sehr kalten Tagen eine große Belastung für das Stromnetz sind. Sie müssen dann nämlich viel Wärme erzeugen und sind dabei nicht besonders effizient. Er fordert, dass die Stromnetze stark erweitert werden müssen, um eine Überlastung zu verhindern. Denn zusätzlich zu den elektrischen Heizungen werden auch Millionen von Elektroautos an das Stromnetz angeschlossen. (Handelsblatt, 19.05.2023)

Vonovia verschiebt Start von Wärmepumpen wegen unzureichender Stromnetzkapazität: 6000 Installationen in fünf Jahren geplant

Vonovia, ein großes Immobilienunternehmen, musste den Start von bereits aufgebauten Wärmepumpen verschieben, weil die Stromnetze nicht genug Kapazität haben. Rolf Buch, der Vorstandschef von Vonovia, sagte, dass es nicht genug Strom gäbe, weil die Stromnetze noch nicht ausreichend ausgebaut wurden. Ungefähr 70 Geräte, die jeweils einen Wohnblock heizen sollten, sind noch nicht angeschlossen.

Vonovia setzt sehr auf die Wärmepumpen-Technologie. Schon im Januar 2022 hat das Unternehmen ein spezielles Wärmepumpen-Programm gestartet. Ihr Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren 6000 Wärmepumpen zu installieren. Im September haben sie als ersten Schritt 115 Wärmepumpen eingebaut, die in Zukunft 108 Gebäude mit 671 Wohnungen heizen sollen.

Deutschlands Pläne für Wärmepumpen könnten die Stromnetze belasten. Energieexperten und Großunternehmen warnen vor möglichen Engpässen.
Wärmepumpen-Boom und Erneuerbare Energien: Sind Deutschlands Stromnetze der Herausforderung gewachsen?

LEG warnt vor zukünftigen Engpässen im Netz durch Wärmepumpen: Ruf nach mehr Technologieoffenheit in der Wärmewende

Andere Unternehmen haben ähnliche Erfahrungen. Das zweitgrößte deutsche Immobilienunternehmen an der Börse, LEG, kommt momentan noch mit den Netzanschlüssen klar. Aber sie rechnen auch damit, dass sie in der Zukunft Probleme bekommen könnten.

Lars von Lackum, der Chef von LEG, hat der Zeitung Handelsblatt gesagt, dass sein Unternehmen hauptsächlich sehr effiziente, lokale Luft-Luft-Wärmepumpen für Gebäude mit drei bis acht Wohnungen nutzt. Meistens ist der vorhandene Hausanschluss dafür ausreichend. Bei Luft-Luft-Wärmepumpen wird frische Luft mit der Wärme von Abluft erwärmt. Luft-Wasser-Wärmepumpen hingegen nutzen die Wärme aus der Umgebungsluft, um Wasser für das Heizsystem zu erwärmen. Von Lackum hat jedoch gesagt, dass sie bei beiden Arten von Wärmepumpen in der Zukunft Engpässe beim Ausbau der Netze erwarten.

Das Problem des verzögerten oder zu langsamen Ausbaus der Stromnetze zeigt laut von Lackum, dass die Umstellung auf Wärmeenergie eine überstürzte politische Entscheidung mit vielen Schwachstellen war. Er meint, dass es besser wäre, wenn es bei der Wärmewende mehr Offenheit für verschiedene Technologien und weniger Vorschriften gäbe.


Anstieg der Anfragen für erneuerbare Energien stellt deutsche Stromnetzbetreiber vor Herausforderungen

Ein Sprecher des Stromnetzbetreibers EWE hat gesagt, dass Wärmepumpen besonders dann ein Problem sein können, wenn die Kunden sie nicht ordnungsgemäß anmelden. Die Netzbetreiber müssen rechtzeitig darüber informiert werden, damit sie die Netze an den notwendigen Stellen verstärken können, um die zusätzlichen Belastungen zu bewältigen. Bis jetzt musste EWE allerdings noch keinen Anschluss für eine Wärmepumpe ablehnen.

Neben den vielen großen Stromverbrauchern wie Wärmepumpen kommen auch hunderttausende neue Stromerzeugungsanlagen hinzu, zum Beispiel Solaranlagen auf Hausdächern und Geschäftsgebäuden.

Wegen des Kriegs in der Ukraine und den Folgen wollen immer mehr Menschen weniger von fossilen Energien abhängig sein. Das hat beim größten deutschen Stromnetzbetreiber Eon dazu geführt, dass die Anfragen für Anschlüsse von Anlagen für erneuerbare Energien wie Solaranlagen im letzten Jahr doppelt so hoch waren. „Und die Zahlen steigen weiterhin stark“, sagte Thomas König, Vorstand bei Eon, dem Handelsblatt. Mit der Umsetzung des „Osterpakets“ erwartet er, dass die Anschlüsse bis 2030 auf 900.000 pro Jahr ansteigen werden. Zum Vergleich: 2022 gab es 240.000 Anfragen für Anschlüsse. Diese Anzahl bringt Eon jetzt schon an seine Grenzen. Mit dem Osterpaket hat die Bundesregierung im letzten Jahr mehrere Gesetze und Vorschriften eingeführt, die den Ausbau von erneuerbaren Energien unterstützen und beschleunigen sollen.

Herausforderungen beim Ausbau der lokalen Stromnetze

Jede größere Anlage, die an das Stromnetz angeschlossen werden soll, muss vom Netzbetreiber auf Netzverträglichkeit geprüft werden. Wenn alles gut geht, bekommt der Kunde eine Zusage, dass er seinen Strom ins Netz einspeisen darf. Dann kann die Anlage theoretisch innerhalb von wenigen Wochen angeschlossen werden. Aber wenn schon viele Anlagen an das lokale Verteilnetz angeschlossen sind, das den Strom aufnimmt und weiterleitet, muss vielleicht zuerst die Infrastruktur verstärkt werden. Und das kann dauern. Bisher beträgt die Wartezeit für die Planung und Genehmigung von solchen Leitungen etwa acht bis zwölf Jahre. „Das kann nicht funktionieren“, so König. Im schlimmsten Fall könnte man den Anschluss ablehnen, wenn das Netz überlastet ist.

König sieht allerdings keine größere Gefahr für Stromausfälle wegen Überlastung des Stromnetzes. Kurzfristig könne man die Netze besser auslasten und vorhandene Reserven nutzen, indem man intelligente Steuerungen einsetzt. Aber es sei dringend notwendig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und zu entbürokratisieren.

Experten sehen die größten Herausforderungen tatsächlich eher bei den lokalen Stromnetzen, die den Strom bis zum Hausanschluss weiterleiten. Diese sogenannten Verteilnetze werden in der Debatte um Energiepolitik oft vernachlässigt, warnen sie. Und doch müssen gerade diese Netze stark ausgebaut werden.


Verstärkter Einsatz von Wärmepumpen erfordert erhöhte Investitionen in Verteilnetze

Ingbert Liebing, der Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), weist darauf hin, dass die Auswirkungen des großen Ausbaus von Wärmepumpen auf die Verteilnetze oft übersehen werden. Mit immer mehr Erzeugern und großen Verbrauchern wird der Betrieb der Verteilnetze immer komplizierter. Eine Konsequenz daraus, die Liebing voraussieht, ist, dass die Investitionen in die Verteilnetze von 2018/19 bis 2045 um 60 bis 100 Prozent steigen werden.

Liebing kritisiert, dass die Diskussion um den Netzausbau bisher zu sehr auf die Übertragungsnetze ausgerichtet war. Übertragungsnetze sind die „Stromautobahnen“, die große Mengen Strom durch das Land transportieren. Sie werden von den vier Betreibern 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW verwaltet. Schon seit Jahren wird der Ausbau dieser Übertragungsnetze stark vorangetrieben. Es werden Milliarden ausgegeben, um Engpässe zu beseitigen und den reibungslosen Transport von großen Mengen Windstrom von Norden nach Süden zu ermöglichen.

Netzbetreiber möchten neben mehr Transportkapazität auch mehr Kontrolle über das Netz haben. Sie wollen zum Beispiel in der Lage sein, große Stromverbraucher wie Wärmepumpen oder das Laden von Elektroautos zeitweise vom Netz zu nehmen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Neugestaltung des Paragraphen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die aktuell diskutiert wird. Mit dieser Reform sollen die Betreiber der Verteilnetze mehr Möglichkeiten erhalten, den Stromverbrauch zu beeinflussen.

Das könnte bedeuten, dass der Netzbetreiber in der Lage wäre, den Betrieb einer Wärmepumpe oder das Laden eines Elektroautos zu unterbrechen, um das Netz zu entlasten. Stadtwerke begrüßen diese Idee.

„Der Reformvorschlag der Bundesnetzagentur für den Paragraphen 14a EnWG ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so VKU-Chef Liebing. „Wenn die Betreiber der Verteilnetze in begrenztem Maße in den Betrieb von Wärmepumpen oder Elektroauto-Ladevorgänge eingreifen könnten, wäre das eine große Hilfe, um den Anstieg der Wärmepumpen-Nutzung zu bewältigen, da es das Netz entlastet. Damit könnten wir uns etwas Zeit verschaffen“, fügt Liebing hinzu.

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