Verbraucher meiden Innenstädte – immer mehr Geschäfte müssen schließen

Immer mehr Verbraucher meiden die Innenstädte. Mehr als die Hälfte der Einzelhändler verzeichnet sinkende Besucherzahlen – auch in Top-Lagen. Tausende Geschäfte mussten deshalb bereits schließen. Trotzdem bleibt die Innenstadt ein wichtiger Anlaufpunkt. Laut einer aktuellen Konjunkturbefragung des Handelsverbands Deutschland (HDE) berichten zwei Drittel der Händler von rückläufigen Kundenfrequenzen an ihren Standorten (welt: 31.01.25).


Sinkende Besucherzahlen und veränderte Nachfrage in den Innenstädten

44 Prozent der Einzelhändler melden gesunkene Besucherzahlen, 19 Prozent sprechen von stark rückläufigen Frequenzen. „Es ist eine andere Nachfragesituation als vor der Pandemie“, erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Das Niveau von 2019 bleibt unerreicht. Trotzdem bleibt er optimistisch.

 Zwei Drittel der Einzelhändler vermelden rückläufigen Kundenfrequenzen in den Innenstädten -  2024 mussten über 5000 Betriebe schließen
Zwei Drittel der Einzelhändler vermelden rückläufigen Kundenfrequenzen in den Innenstädten – 2024 mussten über 5000 Betriebe schließen

Laut der „Deutschlandstudie Innenstadt“ von CIMA Beratung+Management stehen Innenstädte weiterhin im Fokus vieler Konsumenten. Genth sieht jedoch die Politik in der Verantwortung. Sicherheit, Sauberkeit und Erreichbarkeit für alle Verkehrsmittel seien entscheidend. Ein ausgewogener Branchenmix aus Handel, Gastronomie und Erlebnisangeboten könne die Attraktivität erhöhen.

Der Besucherrückgang betrifft alle Städte – unabhängig von ihrer Größe. Selbst in den besten Lagen der Stadtzentren verzeichnen Händler spürbare Rückgänge.

Geschäftsschließungen in den Innenstädten auf Rekordniveau

2024 mussten etwa 5000 Betriebe schließen. Ähnliche Zahlen gab es in den Vorjahren. „Die Filialdichte nimmt ab“, so Genth. Besonders betroffen ist der Non-Food-Bereich. In ländlichen Regionen verschärft sich zudem die Nahversorgungslage für Lebensmittel.

Trotzdem gibt es Lichtblicke. Kunden, die in die Innenstädte kommen, kaufen gezielt ein. Insgesamt gaben Verbraucher 2024 rund 575 Milliarden Euro im stationären Handel aus. Hinzu kamen 88 Milliarden Euro aus dem Onlinehandel. Daraus ergibt sich ein preisbereinigtes Umsatzplus von 0,9 Prozent. „Das Jahr war schwach, aber kein wirtschaftliches Desaster“, bilanziert Genth. Für 2025 erwartet der HDE ein reales Umsatzplus von 0,5 Prozent.

Konsumklima bleibt angespannt

Die aktuelle Konjunkturumfrage des HDE mit rund 700 Teilnehmern zeigt ein gemischtes Bild. Fast die Hälfte der Händler in den Innenstädten rechnet mit schlechteren Ergebnissen als im Vorjahr, nur 22 Prozent erwarten eine Verbesserung. „Zu viele Unsicherheiten belasten den Konsum“, kritisiert Genth. Hohe Energiekosten, geopolitische Konflikte und wirtschaftliche Stagnation drücken auf die Kauflaune.

Eine Konsumklimabefragung von GfK und dem Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) bestätigt das. „Eine nachhaltige Erholung ist nicht absehbar“, warnt NIM-Experte Rolf Bürkl. Steigende Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen belasten die Verbraucher zusätzlich. Die Inflationsrate lag im Dezember bei 2,6 Prozent – so hoch wie seit fast einem Jahr nicht mehr.

Angesichts von Werksschließungen und Produktionsverlagerungen wächst zudem die Sorge um Arbeitsplätze. Viele Verbraucher halten ihr Geld deshalb zusammen. Auch die Handelsunternehmen agieren vorsichtig. Investitionen in Digitalisierung, Geschäftsausstattung oder Personalentwicklung bleiben aus. „Es fehlt nicht an Krediten, sondern an stabilen Rahmenbedingungen“, so Genth. Politische Unsicherheiten verschärfen das Problem.


Einzelhandel fordert bessere Rahmenbedingungen

Der HDE fordert von der Politik mehr unternehmerische Freiheit und weniger Bürokratie. Übermäßige Berichtspflichten, hohe Steuern und staatliche Eingriffe in den Markt, etwa durch die Festlegung des Mindestlohns, belasten viele Betriebe. „Wir wollen keine Subventionen, aber eine faire Strukturunterstützung“, betont Genth.

Ein weiteres Problem sieht der Verband in ausländischen Online-Plattformen, die sich nicht immer an europäische Regeln halten. Manche Händler verkaufen Produkte, die nicht den Sicherheitsvorgaben entsprechen. 2025 könnte das Geschäftsvolumen dieser Anbieter um eine Milliarde Euro auf 9,5 Milliarden Euro steigen.

Onlinehandel bleibt Wachstumstreiber

Während der stationäre Handel kämpft, entwickelt sich der E-Commerce positiv. Nach zwei schwächeren Jahren verzeichnet der Onlinehandel wieder steigende Wachstumsraten. „Mittlerweile wird online auch hochpreisiger eingekauft“, erklärt Genth. Zudem erschließen sich neue Käufergruppen, da digitale Angebote immer mehr Menschen ansprechen.

Trotzdem bleibt der Onlinehandel für viele stationäre Händler irrelevant. Laut HDE verkaufen 60 Prozent der Unternehmen nicht im Internet. Ein eigener Webshop existiert nur bei rund einem Drittel der Händler. Knapp 20 Prozent nutzen Plattformen wie Amazon oder Ebay. „Für einige lohnt es sich schlicht nicht“, so Genth. Ein erfolgreicher Onlinehandel erfordert Logistik, Zahlungsabwicklung, Liefersicherheit und ein gutes Retourenmanagement. Wer diese Kosten unterschätzt, riskiert Verluste. Besonders in der Corona-Zeit haben viele Händler diese Erfahrung gemacht.

Die kommenden Jahre bleiben für den Einzelhandel herausfordernd. Ohne klare politische Impulse und ein Umdenken der Verbraucher könnte die Negativspirale anhalten.

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Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 20:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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