Union und SPD wollen Kohlekraftwerke zurück ans Netz bringen um Strompreis zu stabilisieren

Union und SPD wollen alte Kohlekraftwerke aus der Reserve zurück ans Netz holen. Der Strompreis soll durch ein größeres Angebot sinken. RWE kritisiert diesen Ansatz scharf. Die betroffenen Anlagen stammen teils aus den 1960er-Jahren, laufen mit Kohle, Gas oder Öl und gelten als veraltet. Dennoch bleiben sie betriebsbereit, weil die Bundesnetzagentur sie als Absicherung bei Engpässen einstuft. Eigentlich dienen sie nur im Notfall, etwa bei kalten Wintertagen oder Netzüberlastung, als kurzfristige Hilfe (spiegel: 31.03.25).


Union setzt auf fossile Reserve

Ein neues Konzept der Arbeitsgruppe Klima und Energie sieht vor, diese Kraftwerke auch regulär zur Preisstabilisierung einzusetzen. Im Entwurf heißt es, die Anlagen sollen künftig „nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises“ genutzt werden. Die Idee: Mehr verfügbare Kapazität senkt den Preis. Der Essener Energiekonzern Steag unterstützt die Pläne. In teuren Stunden könnten sich die Börsenpreise halbieren. Großabnehmer ohne feste Lieferverträge würden davon profitieren.

Die Union plant gemeinsam mit der SPD, alte Kohlekraftwerke zur Stabilisierung des Strompreises zurück ans Netz zu holen
Die Union plant gemeinsam mit der SPD, alte Kohlekraftwerke zur Stabilisierung des Strompreises zurück ans Netz zu holen

RWE lehnt den Vorschlag entschieden ab. In einem internen Papier heißt es: „Die Rückkehr alter Kraftwerke aus der Reserve ist ein Irrweg.“ Der Konzern warnt vor negativen Effekten auf den gesamten Markt. Moderne Batteriespeicher und flexible Gaskraftwerke könnten verdrängt werden. Diese jedoch gelten als zentrale Pfeiler für ein stabiles und klimafreundliches Stromsystem. Sie gleichen Angebotsschwankungen bei Wind- und Sonnenstrom aus.

Marktverzerrung durch falsche Anreize

Ein weiteres Problem: Betreiber neuer Gaskraftwerke könnten absichtlich in die Reserve wechseln. Dort übernimmt der Staat die Betriebskosten – finanziert über die Netzentgelte aller Verbraucher. Der Marktmechanismus gerät so aus dem Gleichgewicht. RWE kritisiert: „Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Rückkehr der Reserve überhaupt eine Entlastung beim Verbraucher bewirkt.“ Die Maßnahme begünstige gezielt jene, die bewusst auf Preisabsicherung verzichtet haben.

Helen Senior von Argus Media äußert ebenfalls Zweifel. Zwar erzeugen Kohlekraftwerke derzeit günstiger als Gasanlagen, doch steigende CO₂-Preise in der EU dürften das bald ändern. Auch Agora Energiewende warnt: Die Umwidmung blockiere Investitionen in moderne Speichertechnik. Statt Innovation drohe ein Rückfall in alte Strukturen – zulasten von Versorgungssicherheit und Klimazielen.

Finnland vollzieht den Kohleausstieg

Während die Union über den Rückgriff auf fossile Reservekraftwerke diskutiert, schreitet Finnland beim Ausstieg voran. In Helsinki geht heute das letzte Kohlekraftwerk dauerhaft vom Netz. Der Energieversorger Helen setzt auf Atomstrom, Wind- und Solartechnik. Bereits 2019 verabschiedete das finnische Parlament ein Kohleausstiegsgesetz. Die Folge: massive Investitionen in erneuerbare Energien und sinkende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die Maßnahme senkt sowohl Emissionen als auch langfristige Kosten für Endkunden.

Deutschland hingegen hält an überholten Strukturen fest. Aktuell befinden sich 8,6 Gigawatt in der Netzreserve, ergänzt durch weitere 1,4 Gigawatt in der Kapazitätsreserve. Zusammen entspricht das rund elf Prozent der konventionellen Kraftwerksleistung – ohne Einberechnung erneuerbarer Quellen. Die Rückkehr dieser Anlagen könnte kurzfristig den Preis beeinflussen, langfristig jedoch zentrale Investitionen bremsen.


Entscheidung über die Zukunft des Strommarkts

Der Verein der Kohlenimporteure begrüßt den Vorschlag, da er Preisspitzen entschärfen könnte. RWE verfolgt eine gegenteilige Strategie: Der Konzern investiert in Batteriespeicher und fordert den Ausbau neuer Gaskraftwerke. Die Union kündigt an, entsprechende Ausschreibungen „schnellstmöglich“ zu starten. Ein Gesetzesentwurf aus dem Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck hatte zuvor keine Mehrheit gefunden.

Die Frage bleibt: Setzt Deutschland auf kurzfristige Entlastung durch alte Technik oder auf langfristige Stabilität durch moderne Infrastruktur? Finnland zeigt, dass der vollständige Kohleausstieg machbar ist – wenn klare politische Leitlinien und Investitionssicherheit gegeben sind.

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Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 21:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
Zuletzt aktualisiert am Januar 21, 2025 um 14:27 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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