Hunderttausenden wurde 2024 der Strom oder das Gas abgestellt – trotz Anbieterwechsel und Sparmaßnahmen. Die steigenden Preise überfordern ganze Bevölkerungsgruppen. Wer Rückstände nicht sofort ausgleichen kann, verliert zunehmend den Zugang zu elementarer Versorgung (merkur: 15.07.25).
Immer mehr Haushalten wird Strom und Gas abgestellt
Die Zahl der Sperrungen steigt drastisch: 245.000 Stromanschlüsse und 33.700 Gasanschlüsse wurden 2024 abgestellt – ein Anstieg um rund 20 Prozent. Besonders betroffen sind Familien, Alleinerziehende und Rentner mit geringem Einkommen. Versorger greifen wieder häufiger zum Mittel der Abschaltung, nachdem sie während der Pandemie Zurückhaltung geübt hatten.

Dabei wechseln immer mehr Haushalte zu günstigeren Tarifen. 7,1 Millionen Stromkunden und 2,2 Millionen Gaskunden suchten 2024 neue Anbieter. Die dadurch erzielte Gesamtersparnis lag bei 2,2 Milliarden Euro. Trotzdem reicht selbst das nicht aus, wenn Nachzahlungen und höhere Abschläge das Haushaltsbudget sprengen.
Energie abgestellt trotz Vertragstreue
Wer einmal in Rückstand gerät, verliert nicht nur die Versorgung – auch der Wiedereinstieg in einen fairen Tarif wird schwer. Viele Grundversorger arbeiten mit alten Beschaffungskosten, was die Preise trotz entspannter Marktlage weiter in die Höhe treibt. Neukundentarife lagen 2024 bei durchschnittlich 24,6 Cent pro Kilowattstunde, während die Grundversorgung 44,2 Cent verlangte.
Verena Bentele vom Sozialverband VdK warnt vor wachsender sozialer Ungleichheit. „Immer mehr Haushalte können sich kaum noch ein warmes Zuhause oder grundlegende Versorgung leisten.“ Die Energiearmut dringe inzwischen tief in die Mittelschicht vor. Die Zahl derer, denen der Strom abgestellt wird, wächst stetig – selbst bei regelmäßigem Einkommen.
Politik muss Sperren verhindern
Bentele fordert einen besseren Schutz vor Energiearmut. Strom dürfe in Deutschland niemandem abgestellt werden, nur weil das Geld knapp sei. Eine Senkung der Stromsteuer und die Berücksichtigung realistischer Nebenkosten im Bürgergeld wären erste Schritte. Auch gesetzliche Sperrschutz-Regelungen könnten verhindern, dass Versorger zu schnell abschalten.
Neben sozialpolitischen Maßnahmen braucht es mehr Transparenz und Hilfe beim Anbieterwechsel. Menschen mit geringen digitalen Kenntnissen oder Sprachbarrieren bleiben häufig in teuren Verträgen hängen – und riskieren schneller eine Sperre.
Energieversorgung darf kein Luxus sein
Die Energiekrise 2022 wirkt bis heute nach. Hohe Einkaufspreise belasten noch immer viele Versorger – doch die Kunden tragen die Folgen. Wer nicht rechtzeitig handelt oder schlicht keine Spielräume hat, dem wird schnell der Strom abgestellt. Diese Entwicklung trifft immer häufiger Menschen, die früher mit ihrem Einkommen auskamen.
Strom und Gas zählen zur Grundversorgung. Wer in Deutschland lebt, darf nicht von Wärme und Licht ausgeschlossen werden. Eine funktionierende Energiepolitik muss sicherstellen, dass niemand in Dunkelheit oder Kälte zurückbleibt.
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