Solarstrom ist inzwischen in der Gestehung so günstig geworden, dass sich bei günstigen Wetterbedingungen die Solaranlagen gegenseitig ihre Erlöse rauben. Es herrscht bei viel Sonne ein Überangebot auf dem Markt: Die Erträge sinken dadurch in unwirtschaftliche Regionen. Marktanalysten sehen keine Entspannung, nicht einmal durch den massiven Ausbau von Solarspeichern. Diese könnten aufgrund ihrer hohen Kosten sogar das wirtschaftliche Problem der Betreiber noch verschärfen. (taz, 23.06.2025)
Weiter sinkende Marktwerte erwartet
Der Softwareanbieter Node Energy, der auch Lösungen für die Solarstromeinspeisung anbietet, hat die energiewirtschaftliche Beratungsagentur Enervis mit einer Studie zur Ökonomie von PV-Anlagen beauftragt. Das Ergebnis: Für alle fluktuierenden erneuerbaren Energien (vor allem Sonnen- und Windkraft) werden die Marktwerte für den von ihnen erzeugten Strom bis zum Jahr 2028 um rund ein Viertel sinken.

Fluktuierende erneuerbare Energien unterliegen Schwankungen (Fluktuationen) durch die Wetterbedingungen. Dabei lassen sich Windkraftanlagen durch eine Drosselung ihrer Rotoren bei zu viel Wind noch vergleichsweise gut steuern, doch PV-Panels müssen bei sehr viel Sonne für die Netzstabilität abgeschaltet werden, wenn ihr Strom nicht in Batterien eingespeist oder durch den Erzeuger selbst unmittelbar verbraucht wird.
Bei einer Einspeisung ins öffentliche Netz hingegen sinken bei einem Überangebot drastisch die Preise. Das lässt sich bei gutem Wetter im Viertelstundentakt beobachten, doch Enervis hat auch langfristige Zeiträume beobachtet und für diese eine Prognose aufgestellt. Demnach dürfte der Marktwert für eine Kilowattstunde Onshore-Windstrom bis 2028 auf etwa 5,6 Cent, für Photovoltaikanlagen auf kümmerliche 3,7 Cent sinken. Das sind Durchschnittswerte, die bei gutem Wetter noch viel niedriger ausfallen können. Die Experten bezogen in ihre Rechnung auch den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien mit ein.
Als Marktwerte ermittelten sie diejenigen Preise, die Anlagenbetreiber ohne jede Förderung und Zwischenspeicherung bei einem Verkauf ihres Solarstroms am Spotmarkt erzielen. Dort wird in jeder Viertelstunde der Preis aus dem bestehenden Angebot und der gleichzeitigen Nachfrage ermittelt. Der mittlere Preis für Tage, Wochen, Monate und Jahre hängt von den durchschnittlichen Wetterbedingungen im Betrachtungszeitraum ab.
Viel Solarstrom mit wenig Wert
Wenn nun über ganz Deutschland die Sonne scheint, produzieren die vielen PV-Anlagen im Land erfreulich viel Solarstrom, der aber kaum noch etwas wert ist. Die finanziellen Erträge am Strommarkt rauben sie sich gegenseitig, was Experten als „Kannibalisierung“ bezeichnen. Dieser Effekt ließ sich zuletzt im Mai 2025 beobachten: Das Wetter war gut, der Solarstrom aber nur noch knapp 2 ct/kWh wert. Die Zahl stammt aus Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber.
Zum Vergleich: Betreiber von Grundlastkraftwerken, die andere Vergütungen erhalten, wurden im gleichen Zeitraum mit 6,7 ct/kWh bezahlt. Der Solarstrom war mithin nur 30 % des Grundlaststroms wert. Das gab es noch nie.
Empfehlungen an die Betreiber
Der Laie denkt bei diesen Zahlen spontan, dass doch der Solarstrom bei einem Überangebot in Speicher fließen solle. Das ist technisch betrachtet richtig, aber die Speicher sind so teuer, dass sie die Betreiber in finanzieller Hinsicht zunächst nicht entlasten können. Dementsprechend konstatieren auch die Fachleute von Enervis, dass sich an den Marktwerten allein durch den Ausbau der Speicherkapazitäten zunächst kaum etwas ändern dürfte.
Der Analyst Christian Schock bringt es auf den Punkt: Auch Speicher führen nicht zu einem kurzfristigen Rückgang der Kannibalisierung. Das Interesse an Speichern sei zwar stark. Doch solange der Zuwachs von PV- und Windkraftanlagen noch gefördert werde, hoffen die Investoren auf einen Gewinn allein durch die Errichtung der Erzeugungsanlage und schrecken vor der Anschaffung des Speichers zurück. Wer jedoch klug kalkuliert, errichtet einen sogenannten Co-Location-Speicher. Darauf weist der Gründer von Node Energy Matthias Karger hin. Ein Co-Location-Speicher befindet sich vor dem Einspeisepunkt des Solarstroms ins öffentliche Netz. Er kann zu Zeiten eines Überangebots den viel zu billigen Solarstrom aufnehmen und ihn bei wegfallendem Angebot – also vor allem nachts – zu dann deutlich höheren Preisen einspeisen.
Diese Verschiebung um einige Stunden könnte auch insgesamt den Kannibalisierungseffekt reduzieren. Eine zweite Lösung besteht im Abschluss von Power Purchase Agreements (PPAs) zwischen Stromproduzenten und -abnehmern. Diese mehrjährigen Stromlieferverträge werden für Durchschnittspreise pro Kilowattstunde abgeschlossen, die alle wetterbedingten Schwankungen erfassen.
Schnelles Handeln gefragt
Node Energy weist darauf hin, dass rund 50 % aller Betreiber einer Anlage für erneuerbare Energien nicht auf Speicherlösungen setzen, weil sie sich auf die Vergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verlassen. Diese sind aber degressiv ausgelegt. Es sei daher zwingend, sich mit den echten Marktwerten zu beschäftigen, denn in naher Zukunft dürfte die ökologische Energieerzeugung gar nicht mehr gefördert werden, da sie schließlich günstig genug ist. Der realistische Blick in die Zukunft sei nun dringend geboten, so der Experte Karger. Ansonsten drohen Verluste bei der umweltfreundlichen Energie.
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