Die Schweiz produziert den klimafreundlichsten Strom Europas. Das liegt daran, dass die Schweiz sowohl auf CO₂-neutrale Wasserkraftwerke und auf Atomenergie setzt, während in anderen europäischen Staaten noch Gaskraftwerke und Kohlekraftwerke auf der Agenda stehen. Die Schweiz produziert vier Fünftel des Strombedarfs im eigenen Land, während man gut ein Fünftel importieren, so die Auskunft der Stromversorger.
Aber wie „sauber“ ist der Schweizer Strom wirklich? Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass zwar „sauberer“ Strom eingekauft wird, aber über die Leitungen fließt trotzdem der Strom aus den nächsten Kohle- und Atomkraftwerken.
Die Schweizer Stromproduktion
Was die direkten Stromzuflüsse in die Schweiz anbetrifft, kommt ein Großteil des Stroms aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien. Die eigene Schweizer Stromproduktion ist im Vergleich zu dem aus Nachbarländern importierten Strom deutlich sauberer, was die durchschnittliche CO₂-Aufwendung in Gramm pro Kilowattstunde anbetrifft. Dabei sind die genauen Herkunftsnachweise irrelevant, denn die Herkunft lässt sich nicht zurückverfolgen.
Die Schweiz exportiert sogar einen Großteil der Eigenproduktion, der sich wiederum aufgrund der geringen CO₂-Emissionen als sauberer Strom bezeichnen lässt. Die Schwachstelle im internationalen Stromhandel ist und bleibt jedoch der Etikettenschwindel der Herkunftszertifikate. Das ist ein Problem, das uns auf absehbarer Zeit begleiten wird. Es bleibt fraglich, ob das System des Zertifikatshandels langfristig in der Lage sein wird, Investitionen in saubere, grüne Energieproduktion zu forcieren.
Die Beschaffenheit der Schweizer Stromimporte
Ein Blick auf die Beschaffenheit der Schweizer Stromimporte zeigt, welche Herkunftsländer beteiligt sind und welche CO₂-Menge bei der Produktion anfällt. Demnach importiert die Schweiz pro Jahr rund 26 400 000 Megawattstunden [MWh] Strom vor allem aus Ländern wie Norwegen, Frankreich und Island.
Als klimafreundliche Stromproduzenten Europas zählen die skandinavischen Länder Island, Norwegen und Schweden. In diesen drei Staaten fallen bei der Produktion jeder Kilowattstunde lediglich CO₂-Werte zwischen 28 und 43 Gramm an. Was die Betrachtungsweise verkompliziert, ist die Tatsache, dass von Island aus, dem drittgrößten Importpartner von Strom, gar keine Stromtrassen zum europäischen Festland führen.
Bei der Stromproduktion der Länder Island, Norwegen, Schweden und Frankreich entsteht deutlich weniger CO₂ als Begleiteffekt. In Island, Norwegen und Schweden ist Wasserkraft die vorherrschende Gewinnungsmethode für Strom. In Frankreich hingegen spielt Atomkraft die entscheidende Rolle. Länder wie die Niederlande und Italien hingegen bevorzugen die Stromgewinnung aus Erdgas, wodurch eine bedeutende Menge an CO₂ anfällt.
Wie sauber ist der in der Schweiz angebotene Strom?
Wenn wir einen Blick hinter die Kulissen werfen, stellen wir fest, dass der gesamte Strom, der in der Schweiz ankommt, in der Herstellung doch nicht so sauber ist, wie die Herkunftsnachweise dies suggerieren. Island gilt zwar als drittgrößter Lieferant von Strom für die Schweiz, allerdings gelangt der Strom auf Umwegen hier her. Die Herkunft und die Produktionsweise des Stroms ist lediglich per Verwaltungsakt definiert und über die Firmensitze der Stromkonzerne. Später lässt sich nicht mehr erkennen, auf welche Weise und an welchem Ort der Strom tatsächlich produziert wurde, denn er hinterlässt keinen Fingerabdruck. Verantwortlich dafür ist das Zertifikatssystem. Maßgeblich ist dabei die Herkunft des Zertifikats und nicht die des Stroms. Abgesehen davon müssen viele Stromtrassen zwangsläufig durch andere Länder gelegt werden, währenddessen sie mitunter in das regionale Netz eingespeist werden.
Die Stromlieferung aus Nachbarstaaten
Nachweislich bezieht die Schweiz einen Großteil des importierten Stroms aus direkten Nachbarländern. Mehr als die Hälfte kommt aus Deutschland, dem größten Stromlieferanten der Schweiz. Der Strom aus Deutschland resultiert zu mehr als einem Drittel aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas. Aber dieser importierte Strom kann per Zertifikat sogar als isländischer Strom eingekauft werden. Dies lässt die Verfahrensweise des Zertifikatshandels als sehr problematisch erscheinen. So können je nach Vertragslage Kohlestrom und Atomstrom mittels Zertifikat als Strom aus Wasserkraft deklariert sein, nur weil die Menge identisch ist und beide Stromsorten ein handelbares Zertifikat erhalten.
Streng genommen müsste die gesamte produzierte Strommenge eines Landes erfasst und einer Gewinnungsform zugeordnet werden. Darüber hinaus müsste belegt sein, was in fremde Stromnetze eingespeist wird. Aber selbst da lässt sich schwer abschätzen, welche Stromgewinnungsart maßgeblich ist.
Deutschland, Italien und Österreich gehören zu den Ländern, deren Stromproduktion auf weniger sauberen Methoden beruht. Der in diesen Ländern produzierte Strom kann nicht als grüner Strom, also als umweltverträgliche Stromproduktion bezeichnet werden. Hier ist der CO₂-Verbrauch besonders hoch und belastend für die Umwelt, vor allem für die Luftqualität.
Durch die Zertifikatsvergabe beim Stromverkauf kann sich diese Stromsorte jedoch sauber waschen. Der in Frankreich gewonnene Strom ist dagegen deutlich sauberer, was die CO₂-Menge pro gewonnener Kilowattstunde zeigt.
Das Problem der Stromzertifikate
Zwar ist die Schweizer Versorgungssicherheit gewährleistet, jedoch fehlt es an Daten, um zu definieren, um was für Strom es sich handelt, wo er produziert wurde und ob er sauber erzeugt wurde. Es gibt Zertifikate für ökologische Stromproduktion, die letztendlich sogar Kohlestrom als sauber deklarieren können. Plötzlich zählt die Herkunft des Zertifikats, und nicht die Herkunft des Stroms. Dieses Zertifikatssystem der Stromerzeuger und Stromverkäufer erzeugt eine spezielle Datenlage, die rein gar nichts mit dem Ursprungsort und der Gewinnungsart zu tun hat.
Ein Schweizer Stromversorger kann auf diese Weise Kohlestrom aus Deutschland einkaufen und zusätzlich ein Zertifikat für Wasserstrom aus Island erwerben. So lässt sich Kohlestrom als Wasserkraft ausweisen. Das ist deshalb im Sinne des Verteilsystems, weil anderenorts im gleichen Umfang Energie aus Wasserkraft hergestellt wurde, wie Zertifikate dafür gehandelt werden.
Die tatsächlichen Stromflüsse und Produktionsweisen lassen sich allenfalls durch bestimmte Software und die verfügbaren Daten simulieren. Dabei wird pro Kraftwerk die CO₂-Produktion erhoben. Die Daten dafür stammen unter anderem von den europäischen Netzbetreibern. Auch Auslastung, Produktionsart, Grösse und Lebensdauer eines Kraftwerkes ist dabei berücksichtigt. Ferner kann die Einspeisungsmenge in benachbarte Länder statistisch erhoben werden.