Ein bisher wenig beachteter Bericht des Inspektors für nukleare Sicherheit bei EDF entfacht eine hitzige Debatte über die Zukunft des französischen Stromsystems. Der ehemalige Admiral Jean Casabianca stellt darin gravierende Risiken durch den massiven Ausbau von Wind- und Solaranlagen fest. Die Integration dieser volatilen Energiequellen gefährde laut dem Autor nicht nur die Sicherheit des Netzes, sondern auch das wirtschaftliche Fundament der Kernkraft. Besonders die häufigen Lastwechsel im Netz belasten die Nuklearanlagen zunehmend – sowohl technisch als auch finanziell (aassdn: 04.03.25).
Einseitige Priorität für Erneuerbare untergräbt Stabilität
Der Bericht verweist auf eine einseitige Bevorzugung erneuerbarer Energien im Netzbetrieb. Auf Seite 13 heißt es in dem Bericht unmissverständlich:
„Die Priorität der erneuerbaren Energien führt zu Leistungsschwankungen, deren Folgen alles andere als harmlos sind – für die Sicherheit, aber auch für Wartbarkeit, Lebensdauer und Betriebskosten.“ Der Versuch, Kernkraft und volatile Energien zu kombinieren, habe sich von einer Flexibilitätslösung zu einem Problem entwickelt.

Ohne verlässliche Grundlast durch Kernkraft oder Wasserkraft müsse man auf fossile Kraftwerke ausweichen. Der ständige Wechsel zwischen hoher und niedriger Last setze den Anlagen langfristig erheblich zu.
Fundamentale Zweifel an grünem Konsens
Die Aussagen Casabiancas rücken einen lange gepflegten politischen Konsens ins Zwielicht. Jahrelang hatte der Windkraftsektor die Kombination aus Atomkraft und Erneuerbaren als ideales Modell verkauft. Bereits 2019 äußerte sich Jean-François Carenco, Präsident der Energie-Regulierungsbehörde, skeptisch:
„Unsere CO₂-Emissionen sind dank Atomkraft und Wasserkraft bereits gering. Der Ausbau erneuerbarer Elektrizität senkt sie nicht weiter. Im Gegenteil, das wird häufig ideologisch verklärt dargestellt.“
Nach den Aussagen Carencos und dem damaligen Bericht der Nationalversammlung musste die Windkraftbranche ihre Kommunikationsstrategie anpassen. Fortan sollte sie nicht mehr zur Dekarbonisierung dienen, sondern als Lückenfüller für verspätete Reaktorneubauten herhalten.
Technische Realität schlägt politisches Wunschdenken
Trotz politischer Narrative zeigt sich in der Praxis eine andere Realität. Immer mehr Ingenieure warnen davor, dass der Versuch, Kernkraft an die schwankende Produktion aus Wind und Sonne anzupassen, zu erhöhtem Verschleiß und Sicherheitsrisiken führt. Diese Warnungen verdichten sich seit Jahren – insbesondere, da Erneuerbare durch europäische Netzregelungen Vorrang erhalten.
Am 1. Dezember 2024 wandten sich ehemalige Energiemanager in einer öffentlichen Erklärung an den Premierminister. Darin kritisierten sie scharf die Doppellösung aus Atomkraft und fluktuierenden Energien. Besonders scharf griffen sie die „Illusion offizieller RTE-Berichte“ an, laut der beide Energieformen einander ergänzen könnten.
Politischer Druck auf die Windkraftbranche wächst
Die Auswirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Am 13. Januar 2025 forderten 80 Abgeordnete öffentlich ein Moratorium für den weiteren Ausbau intermittierender Energien in Frankreich. Die Windkraftlobby reagierte hektisch: In einem Appell am 30. Januar versuchte sie, den Gegensatz zwischen Kernenergie und Erneuerbaren zu relativieren. Doch der veröffentlichte Bericht Casabiancas untergräbt diesen Versuch systematisch.
Seine Analyse entzieht der gesamten Strategie des energiepolitischen „Sowohl-als-auch“ die technische Grundlage. Der Text bringt auf den Punkt, was viele Experten seit Jahren anmerken – dass die Behauptung einer harmonischen Ergänzung zwischen Atomkraft und volatilen Quellen nicht tragfähig ist.
Ein Wendepunkt in der französischen Energiepolitik
Der Anfang Februar 2025 veröffentlichte Bericht markiert einen Wendepunkt. Er offenbart die Konstruktionsfehler einer Politik, die technische Grenzen ignoriert und auf ideologische Versprechungen setzt. In einer Zeit weltweiter Energieunsicherheiten stellt Frankreichs Energiezukunft eine strategische Frage dar. Der Bericht stellt nicht weniger als die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Energiewende infrage – zumindest in der aktuellen Form.
Die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger haben die Tragweite dieses Dokuments möglicherweise noch nicht vollständig erkannt. Doch eines steht fest: Dieses Dokument lässt sich nicht unterdrücken. Sein Inhalt wird die Debatte über Frankreichs Energiemix langfristig prägen.
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