Die europäische Stahlindustrie steht vor einem weiteren Erschütterungspunkt: ArcelorMittal hat einen langjährigen Liefervertrag mit Thyssenkrupp über Roheisen gekündigt. Nach Informationen aus einem internen Schreiben sollen die hohen CO₂-Kosten ausschlaggebend für diesen Schritt gewesen sein. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die beiden Konzerne, sondern auch für den Industriestandort Europa insgesamt (faz: 20.12.24).
Hohe CO₂-Kosten als entscheidender Faktor
Die zunehmenden Kosten im Zusammenhang mit CO₂-Emissionen scheinen der Hauptgrund für die Vertragsauflösung zu sein. ArcelorMittal steht wie viele andere Stahlhersteller unter immensem Druck, die Produktion klimafreundlicher zu gestalten. Gleichzeitig bemängelt das Unternehmen die Unsicherheiten in der europäischen Klimapolitik.
Der EU-CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) wird von ArcelorMittal als unzureichend beschrieben, während die begrenzte Zahlungsbereitschaft der Kunden für „grünen Stahl“ die Umstellung auf umweltfreundlichere Technologien erschwert.
Auswirkungen auf Thyssenkrupp
Für Thyssenkrupp ist das Ende des Liefervertrags ein weiterer Schlag in einer ohnehin schwierigen Phase. Der Konzern sieht sich mit finanziellen Herausforderungen und internen Konflikten konfrontiert. Pläne für eine milliardenschwere Direktreduktionsanlage, die einen wichtigen Schritt hin zu klimaneutralem Stahl darstellt, werden aktuell auf den Prüfstand gestellt.
Folgen für die gesamte Branche
Die Beendigung des Vertrags hat mehrere Folgen. Ohne das Roheisen von ArcelorMittal muss Thyssenkrupp alternative Bezugsquellen finden, was mit höheren Kosten und potenziellen Produktionsverzögerungen verbunden sein könnte. Die Entscheidung verdeutlicht, wie stark die europäische Stahlindustrie unter den steigenden CO₂-Kosten leidet. Andere Unternehmen könnten diesem Beispiel folgen und bestehende Lieferketten überdenken. Wenn die Dekarbonisierung nicht durch klare politische Rahmenbedingungen unterstützt wird, könnten weitere Investitionen und Arbeitsplätze in der Branche verloren gehen.
Herausforderungen für beide Unternehmen
Beide Unternehmen befinden sich in einer kritischen Phase. ArcelorMittal hat zuletzt geplante Investitionen in grüne Technologien verschoben. Die Nutzung von grünem Wasserstoff gilt zwar als Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Stahlproduktion, doch hohe Kosten und regulatorische Unsicherheiten behindern die Umsetzung. Thyssenkrupp wiederum prüft, ob das geplante milliardenschwere Dekarbonisierungsprojekt weitergeführt werden kann. Trotz staatlicher Förderzusagen bleibt die Umsetzung wirtschaftlich fraglich.
Zukunft der Stahlindustrie
Die Zukunft der Stahlindustrie hängt von nachhaltigen Innovationen und klaren politischen Rahmenbedingungen ab. Insbesondere müssen Mechanismen wie der CO₂-Grenzausgleich effektiv ausgestaltet werden, um europäische Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Gleichzeitig bedarf es eines größeren Markts für „grünen Stahl“, um die hohen Investitionen in klimafreundliche Technologien zu rechtfertigen. Die Entscheidung von ArcelorMittal markiert einen Wendepunkt in der Branche. Ohne entschlossene Maßnahmen droht Europa seine Vorreiterrolle in der Stahlproduktion zu verlieren – mit erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen.
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