Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur unterirdischen Speicherung von CO2 beschlossen. Künftig soll industrielles Kohlendioxid vor allem unter dem Meeresboden dauerhaft eingelagert werden. Ziel ist es, schwer vermeidbare Emissionen aus Industrieprozessen zu binden. Die Wirtschaft begrüßt den Beschluss als Beitrag zur Klimaneutralität. Umweltverbände hingegen sehen in der geplanten CCS-Technologie eine riskante Fehlentscheidung mit langfristigen Folgen.
Speicherung rückt ins Zentrum der Klimapolitik
Der verabschiedete Gesetzentwurf stuft die CO2-Speicherung als „überragendes öffentliches Interesse“ ein. Damit können Projekte deutlich einfacher genehmigt werden. Die Technik kommt laut Bundesministerin Katherina Reiche vor allem in Branchen zum Einsatz, in denen CO2 technisch nicht vermeidbar ist. „Dennoch müssen diese Prozesse schrittweise dekarbonisiert werden“, betont Reiche.

Die geplante Speicherung erfolgt primär unter dem Meeresboden – außerhalb von Schutzgebieten. Für Standorte an Land bleibt eine ausdrückliche Zustimmung der Bundesländer erforderlich. CCS-Vorhaben an Kohlekraftwerken bleiben ausgeschlossen. Neue Pipelines sollen den Transport von CO2 über lange Strecken ermöglichen, etwa zu Speichern in Norwegen.
Industrie setzt auf CCS – Umweltorganisationen schlagen Alarm
Aus Sicht der Industrie besitzt die Speicherung strategische Bedeutung für die Transformation energieintensiver Sektoren. Achim Dercks von der Deutschen Industrie- und Handelskammer hält CCS für unverzichtbar: „Die Abscheidung und Speicherung von CO2 kann eine Schlüsselrolle in der Transformation hin zur Klimaneutralität spielen.“
Umweltorganisationen sehen das völlig anders. Der BUND Niedersachsen lehnt die Reform ab. Susanne Gerstner warnt: „Dieser Gesetzentwurf führt Deutschland in eine fossile Sackgasse.“ Die Regierung schaffe neue Anreize für Emissionen und vergebe Milliarden an Steuergeldern ohne nachhaltigen Effekt. Zudem drohten Risiken für Natur und Gesundheit, die bislang kaum berücksichtigt seien.
Greenpeace und NABU: Technik lenkt vom Wesentlichen ab
Greenpeace warnt vor einem gefährlichen Trugschluss. Sophia van Vügt kritisiert, die geplante CO2-Speicherung verdränge wirksame Klimaschutzmaßnahmen. Statt Emissionen aktiv zu vermeiden, sollen sie unter der Nordsee verpresst werden – eine Lösung auf Zeit. Der Bundesverband Erneuerbare Energie befürchtet, dass CCS als Türöffner für neue fossile Infrastrukturen genutzt werden könnte.
Auch der NABU Schleswig-Holstein stellt sich gegen den Kurs. Vorsitzender Alexander Schwarzlose nennt CCS teuer, riskant und ineffizient. „Was uns an CCS besonders stört, ist, dass damit der Blick auf andere Möglichkeiten verstellt wird.“ Günstige Alternativen wie Tempolimits oder weniger Fleischkonsum würden konsequent ignoriert.
Uneinigkeit in den Ländern: Zustimmung offen
In Schleswig-Holstein zeigt sich Umweltminister Tobias Goldschmidt skeptisch. Obwohl er CCS grundsätzlich für sinnvoll hält, lehnt er eine Speicherung an Land in seinem Bundesland ab. Naturschutz und der Schutz der Bevölkerung dürften nicht zugunsten einer Technik zurückgedrängt werden, die bis vor Kurzem verboten war. Ob das Land dem Gesetz zustimmt, bleibt offen.
In Hamburg hingegen wirbt Umweltsenatorin Katharina Fegebank für die Technologie. Ihrer Ansicht nach reichen Einsparungen allein nicht mehr aus. CCS dürfe zwar kein Ersatz für echten Klimaschutz sein – aber ein vollständiger Verzicht gefährde die Erreichung der Klimaziele.
Umweltschutzverbände befürchten Täuschung der Öffentlichkeit
Sabine Sommer vom BUND Hamburg sieht in der Technologie eine gefährliche Illusion. Die Speicherung vermittle der Öffentlichkeit den Eindruck, dass Emissionen folgenlos verschwinden könnten. Stephan Jersch von der Linksfraktion kritisiert die neue Linie als „Bankrott-Erklärung“ für eine verantwortliche Klimapolitik.
Ob der Bundesrat dem Gesetz endgültig zustimmt, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Die Richtung ist jedoch klar: Die CO2-Speicherung steht nun im Zentrum deutscher Klimastrategie – gegen massive Widerstände.
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