Könnten Deutschlands abgeschaltete Atomkraftwerke durch eine Reaktivierung erneut ans Netz gehen? Technisch gäbe es Ansätze, jedoch fehlt die praktische Umsetzung solcher Projekte weltweit. Die CDU bezeichnete den Atomausstieg von 2023 als „ideologisch motivierte Fehlentscheidung“ und plant laut Strategiepapier, eine Wiederinbetriebnahme im Falle eines Wahlsiegs prüfen zu lassen (ingenieur: 27.12.24).
Betroffene Anlagen und erste Hürden
Betroffen wären die Anlagen Isar/Ohu 2, Emsland und Neckarwestheim 2, die zuletzt im April 2023 stillgelegt wurden. Auch Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C, seit 2021 vom Netz, könnten theoretisch in Frage kommen. Alle Anlagen befinden sich jedoch im Rückbau. Dieser Prozess umfasst unter anderem die Entfernung der Brennelemente und die Dekontamination des Kühlkreislaufs. Der aktuelle Stand des Rückbaus variiert. Während in Brokdorf die Arbeiten erst kürzlich begannen, wurden in Gundremmingen bereits wesentliche Teile des Kühlturms abgebaut.
Ein Wiederhochfahren wäre nur möglich, wenn der jeweilige Rückbaustand komplett rückgängig gemacht würde. Das würde erhebliche technische, logistische und rechtliche Herausforderungen mit sich bringen.
Technische und wirtschaftliche Hürden
Technisch können viele Arbeiten an Altanlagen durchgeführt werden. Laut Sara Beck von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit lassen sich etwa Leitungen und Dampferzeuger ersetzen. Der Aufwand könnte jedoch wirtschaftlich unrentabel werden. Zusätzlich sind zahlreiche Bauteile selbst nach Dekontamination radioaktiv, sodass ferngesteuerte Technologien notwendig wären. Auch die Beschaffung passender Komponenten stellt eine Herausforderung dar. Bauteile müssen nicht nur maßgeschneidert, sondern auch mit den bestehenden Systemen kompatibel sein und moderne Zertifizierungen erfüllen. Hersteller zu finden, die solche Anforderungen zeitnah umsetzen können, ist komplex.
Genehmigungsrechtliche Aspekte
Sicherheitsanforderungen bei Atomkraftwerken sind extrem hoch. Die Anlagen wurden zwischen 1976 und 1982 errichtet und nutzen vielfach veraltete Technik. Obwohl Modernisierungen stattfanden, basiert die Steuerung oft noch auf analogen Systemen. Viele alte Komponenten werden heute nicht mehr produziert. Entsprechend wäre es notwendig, kompatible Bauteile zu entwickeln, die sowohl den technischen als auch den rechtlichen Anforderungen genügen.
Im Vergleich zu einem Neubau wären die Bürokratiehürden jedoch geringer. Einige der nötigen Tests wurden bereits in der Vergangenheit durchgeführt, und viele Bauteile könnten weiterhin genutzt werden.
Logistische und personelle Voraussetzungen
Die Beschaffung neuer Brennstäbe würde Zeit in Anspruch nehmen, ist jedoch nicht das größte Hindernis. Auch die Personalsituation stellt aktuell kein unüberwindbares Problem dar. Viele ehemalige Kraftwerksmitarbeiter sind weiterhin im Rückbau tätig und verfügen über umfassendes Know-how. Dieses Wissen wäre essenziell für eine Reaktivierung. Längere Stillstandszeiten könnten jedoch zusätzliche Ausbildungsprogramme für neues Personal erforderlich machen.
Position der Betreiber
Trotz theoretischer Möglichkeiten lehnen die Betreiber eine Reaktivierung entschieden ab. EnBW-Sprecher Lutz Schildmann erklärte, der Rückbaustatus sei praktisch irreversibel. Preussenelektra und RWE teilen diese Einschätzung und verweisen auf die politische Beschlusslage. RWE-Chef Markus Krebber betonte, die Diskussion sei überholt, da Deutschland bereits an einem Punkt angelangt sei, an dem eine Reaktivierung keinen Sinn mehr mache.
Fazit
Eine Wiederinbetriebnahme abgeschalteter Kernkraftwerke in Deutschland wäre theoretisch machbar. Der notwendige technische, logistische und finanzielle Aufwand ist jedoch erheblich. Ohne politische Unterstützung und klare wirtschaftliche Anreize bleibt eine Reaktivierung unrealistisch. Die Betreiber zeigen bislang kein Interesse daran, ihre aktuellen Pläne zu ändern.
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